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07.02.04 / Ein Tropfen bringt das Faß zum Überlaufen / Vor 30 Jahren begann der Streik, der Großbritanniens Premier Heath stürzte und indirekt Thatcher zur Macht verhalf

© Preußische Allgemeine Zeitung / 07. Februar 2004

Ein Tropfen bringt das Faß zum Überlaufen
Vor 30 Jahren begann der Streik, der Großbritanniens Premier Heath stürzte und indirekt Thatcher zur Macht verhalf

Rund ein Vierteljahrhundert ist es jetzt her, daß Margaret Thatcher Großbritanniens Premierministerin wurde. Die Wurzeln hierfür liegen jedoch ein halbes Jahrzehnt weiter zurück, in einem Bergarbeiterstreik gegen die damalige Regierung unter dem konservativen Premier Edward Heath. Dieser politisch motivierte und keinerlei originär gewerkschaftliche Ziele verfolgende Ausstand war der Schlußpunkt einer langanhaltenden Entwicklung, die Jahrzehnte zuvor ihren Anfang genommen hatte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gelangte der Sozialist Clement Atlee als Premierminister an die Macht. Unter dem geistigen Einfluß seiner sozialistischen Labour Party unternahm Großbritannien seither den Versuch, einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus zu beschreiten. Dies beschleunigte jedoch den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und machtpolitischen Niedergang des durch die beiden Weltkriege ausgezehrten einstigen Weltreiches nur. Dieser Weg war geprägt von einer bürokratischen und interventionistischen Wirtschaftspolitik, einer Ausweitung des staatlichen Sektors mit der dazugehörigen Stellenvermehrung im öffentlichen Dienst, ständig steigenden Steuern und einem Machtzuwachs der linksradikalen Einheitsgewerkschaften, die bald einen politischen Einfluß im Lande gewannen, der nicht demokratisch legitimiert war.

Zwar wurde die Labour Party gelegentlich bei Parlamentswahlen abgelöst, aber an der Politik des Landes änderte sich dadurch wenig - besser gesagt gar nichts. So war es also gleichgültig, welche politische Führung das Land hatte. In den entscheidenden Fragen herrschte "Konsens". Diese Situation ähnelte sehr der heutigen Lage in Deutschland, denn auch hier haben die Wähler in den Schicksalsfragen der Nation keine echten Alternativen. Die Lage in Großbritannien im Jahre 1974 war aber noch extremer, als man sie sich in der heutigen Bundesrepublik vorstellen kann.

Die "konservative" Regierung des Edward "Ted" Heath gebärdete sich sozialistischer, als es sich dies die Labour Party jemals getraut hätte: Aus Feigheit vor einer Auseinandersetzung mit dem dem DGB in der Bundesrepublik vergleichbaren Gewerkschaftsdachverband Trade Union Congress (TUC) wurden alle Lohnforderungen, die in der Regel weit über zehn Prozent Lohnzuwachs lagen, erfüllt, und die Regierung willigte in eine staatliche Kontrolle von Preisen und Aktiendividenden ein. Den Gewerkschaften sollte sogar Teilhabe an der politischen Macht zuteil werden. So sollte eine staatliche Kommission eingerichtet werden, welche die Wirtschaftspolitik des Landes lenken sollte. Der TUC sollte auf dieses Gremium maßgeblichen Einfluß erhalten. So hoffte Heath, der ohne politischen Gestaltungswillen war, durch "Nachgeben" möglichst lange an der Macht zu "überwintern", eine Art der Politik, die uns Deutschen in den letzten 20 Jahren nicht fremd gewesen ist. Die Folge war, daß bis zu den 70er Jahren Frankreich, die Niederlande und die Bundesrepublik das Inselreich an Wirtschaftskraft und Wohlstand deutlich überholt hatten. Das Scheitern des propagierten "dritten Weges" war nur allzu offensichtlich. Die Öffentlichkeit des Kontinents sprach höhnisch von Großbritannien als dem "Patienten Europas".

Dem TUC reichte indes die Teilhabe an der politischen Macht, die Premierminister Heath eingeräumt hatte, nicht mehr aus. So begannen am 7. Februar 1974 die britischen Bergarbeiter mit einem politisch motivierten Streik mit dem Ziel des Sturzes der Regierung Heath. Diese schrieb dann Neuwahlen für den 28. Februar 1974 aus, die wiederum keine klaren Mehrheitsverhältnisse im Unterhaus erbrachten. Heath trat daraufhin zurück, und der Sozialist Harold Wilson bildete ein Minderheitenkabinett. Wilson gab bald auf und wurde 1976 durch den Sozialisten James Callaghan abgelöst. Diese Regierung schleppte sich dann lustlos dahin, bis sie schließlich 1979 durch ein Mißtrauensvotum gestürzt wurde.

Als Folge der Demütigung des Jahres 1974 durch den TUC beschloß die konservative Partei eine klare Kurswende. Am 4. Februar 1975 gelang es der früheren Erziehungsministerin Margaret Thatcher die Führung ihrer Partei zu erlangen. Vier Jahre später, 1979, gewann Margaret Thatcher die Parlamentswahlen. Sie regierte ihr Land elf Jahre lang. Dies war eine kürzere Zeitspanne, als Helmut Kohl in Deutschland als Regierungschef zugebracht hat, aber im Gegensatz zu Kohl hat Frau Thatcher das von ihr regierte Land nachhaltig verändert. Sie ist die bislang einzige Premierministerin Großbritanniens gewesen. Allerdings hat sie ihre Ziele nicht deshalb erreicht, weil sie ständig betonte hätte, eine Frau zu sein, sondern weil sie einen klaren Gestaltungswillen besaß.

Der 7. Februar 1974 ist aber nicht nur ein Tag gewesen, an dem ein "normaler" Regierungswechsel eingeleitet wurde, sondern es ist auch der Tag gewesen, an dem die Demokratie Großbritanniens zur Disposition stand. Sollte es künftig zulässig sein, daß gesellschaftliche Gruppen die legal und demokratisch gewählte Regierung dieses Landes einfach stürzen konnten oder nicht? Es war unklar, ob künftig alle politische Macht vom Volke ausgehen sollte. Wenn aber künftig "gesellschaftliche Gruppen" die Richtlinien der Politik bestimmen sollten, könnte man dann noch Großbritannien als Demokratie betrachten? Verschärfend kam in Großbritannien hinzu, daß auch damals schon das Land keinen Gewerkschaftspluralismus kannte und der TUC fest an der Seite der Labour Party stand.

Die Geschichte Großbritanniens zeigt aber auch uns Deutschen, daß immer dann, wenn die Lage am hoffnungslosesten erscheint, auch die Chance für den grundsätzlichen Neuanfang gegeben ist. Es setzt aber auch den Mut zum Neuanfang voraus. Klaus Gröbig