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Preußische Allgemeine Zeitung / 28. Februar 2004
Die Praxisgebühr ist sicher - oder doch nicht? Die Sache mit der
Sicherheit bei sozialen Fragen klingt bekannt. Wie immer die Diskussion um die
Reformen weitergeht, eins dürfte dem Bürger klar sein: Sicher sind höhere
Belastungen. Auch wenn es in der SPD deswegen rumort und die Gewerkschaften
gegen die eine oder andere Maßnahme opponieren, die fetten Jahre sind vorbei. Und vorbei sind auch die Jahre, da man der Politik Glauben schenkte, wenn sie
treuherzig Sicherheiten verkündete. 76 Prozent der Deutschen über 16 Jahre
glauben den Mitteilungen der staatlichen Rentenversicherung nicht. In solch einer verunsicherten Gesellschaft ist Politik ein schwieriges
Geschäft. Wer es nicht kann, sollte es bleiben lassen, und der Verdacht
verdichtet sich, daß die rot-grüne Mannschaft in Berlin die Reformen
tatsächlich nicht auf die Reihe bekommt. Der Wirrwarr in der SPD spiegelt sich auch in der Presse nieder. Zum
Landesparteitag der SPD von Nordrhein-Westfalen titelte eine Sonntagszeitung:
"Die SPD reißt sich zusammen." In einer anderen lautete die Schlagzeile:
"Weiter Differenzen statt Geschlossenheit." Auf den ersten Blick ist das ein
Widerspruch, aber der löst sich auf, je nachdem, welche Aspekte man stärker
gewichtet. Im ersten Fall ging es um Stimmung und Applaus, im zweiten um die
inhaltliche Debatte, und da bestehen die Differenzen weiter fort, zum Beispiel
bei den Themen Ausbildungsplatzabgabe oder Praxisgebühr oder auch
Kassen-Beiträge auf die Betriebsrente. Es wird munter weiter über die Reformen diskutiert. Das wäre nicht weiter
der Rede wert, wenn es Alternativen gäbe und der Kalender der bereits
beschlossenen Reformschritte nicht Anlaß zu ernsten Sorgen in der
Regierungspartei gäbe. Denn vieles ist mit der Union festgezurrt, und die wird
die Regierungspartei nicht aus der Haftung entlassen. Der Kalender aber sieht vor: Im April 2004 kommt die Rentenkürzung durch
volle Pflegebeiträge, im Juli 2004 fällt die Rentenerhöhung aus, von Januar
2005 an müssen alle den Zahnersatz selbst versichern, gleichzeitig werden die
Renten spürbar höher besteuert und steigen die Pflegebeiträge für
Kinderlose. Und im Wahljahr 2006 kommen dann die Reform der Pflegeversicherung,
die vorwiegend Heimbewohner treffen wird, und höhere Krankenkassenbeiträge
für alle, weil die Arbeitgeber bei der Lohnfortzahlung entlastet werden. Man sieht: Das Szenario garantiert anhaltenden Frust auf hohem Niveau. Wo ist
das Krisenmanagement, fragen sich da selbst hartgesottene Reformer bei den
Genossen. Auch bei wohlgesonnenen Führern der Gewerkschaften, etwa dem Chef der
IG Bergbau, Chemie und Energie, Hubertus Schmoldt, regt sich Unmut über den
Kanzler. Denn ihm wird dieser Frustkalender der stufenweise eingeführten Reformen
zugeschrieben, er hat ihn sich von der Union willig aufzwingen lassen, um die
Partei nicht zu stark zu strapazieren. Nun strapaziert man statt dessen die
Bürger. Für die Regierung ist das fatal, für die Opposition genial. Jetzt
fehlt nur noch, daß CDU-Chefin Angela Merkel einen glaubwürdigen neuen
Kandidaten (oder Kandidatin?) aus dem Hut zaubert. Aber selbst ohne neuen Unions-Kandidaten: Der Frust wird sich auf die SPD
konzentrieren, die Hoffnung auf die Union. Ob das gerechtfertigt ist, ist eine
ganz andere Frage. Die stellt sich in der Politik meist später - nach der
Wahl und einem möglichen Regierungswechsel. Jürgen Liminski
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