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06.03.04 / Brüder im Geiste

© Preußische Allgemeine Zeitung / 06. März 2004

Gedanken zur Zeit:
Brüder im Geiste
von Ulrich Schacht

Daß Bayerns Innenminister Beckstein und Deutschlands Literaturnobelpreisträger Grass Brüder im Geiste sind, hätte man bis vor kurzem vielleicht für einen schlechten Scherz gehalten. Doch die intellektuellen und politischen Vertreter des bundesdeutschen Establishments, die Mitglieder ihrer Funktionseliten, zeigen inzwischen ein solches Maß an ideologischer Kohärenz, daß ein Gastredner Grass auf einem CSU-Parteitag zukünftig ebensowenig ausgeschlossen werden kann wie eine Koalition aus Union und Grünen auf Bundesebene.

Auf diese kaum noch absurd wirkende, vielmehr eher an politische Geschlossenheitsorgien aus DDR-Zeiten erinnernde Perspektive kann man kommen, wenn man Äußerungen von Grass in Lübeck mit denen vergleicht, die der bayerische Innenminister im Deutschlandfunk zum besten gab. Die Diskussion in Lübeck drehte sich um die Bewerbung der Hansestadt als "Kulturhauptstadt Europas 2010". Klar, daß auch der berühmteste Lübecker dieser Tage aufs Podium im Stadttheater gebeten worden war. Als der mitdiskutierende Propst der evangelischen Kirche in wohlfeiler Integrationsdemut "eine Toleranz der Religionen" einklagte, setzte Grass zum finalen Integrationsakt an: Laut Spiegel schlug er vor, eine Lübecker Kirche zur Moschee umzuwidmen. Daß die Mehrheit der Lübecker ihrem Mitbürger seitdem zwar nicht unbedingt literarisches Talent abspricht, aber in Leserbriefen an die Lübecker Nachrichten völlig zu Recht konstatiert, daß man nun die Redewendung von der Nähe von "Genie und Wahnsinn" besser begreife, kann da nicht überraschen. Und Nordelbiens Bischof Knuth schickte dem Danziger Holzschnittdenker mit der Bemerkung "Man könnte ja das Günter-Grass-Haus zur Moschee machen" die passende Retourkutsche. Wer nun erwartet, daß der Spiegel Volkes Reaktion auf den Kasus für provinziell oder gar reaktionär hält, hat sich getäuscht: Als "Lübecker Ein-Mann-Lichterkette" verhöhnt er den inkompetenten Integrationsvorbeter, spricht vom "ranzigen Moralismus des Großschriftstellers" und unterstreicht damit nur auf seine Weise, was schon lange kein Geheimnis ist: die grenzenlose Flachheit der Grass'schen Gedankenwelt. Vor der Wiedervereinigung warnte er mit der Wiederholungsgefahr von Auschwitz, und die westdeutsche Gesamtschule lobte er noch in den höchsten Tönen, als ihr Pisa-Effekt schon überdeutlich am Horizont stand. Doch was die politischen Irrtümer des Günter Grass noch peinlicher macht als ihr Aussprechen, ist sein monströser Aberglaube, ihm seien keine möglich.

Von ähnlicher Statur ist der Innenminister Stoibers. Zuletzt auffällig wurde er mit einem maßgeblich von ihm betriebenen Verbotsverfahren gegen die Ekel-Partei NPD. Das aber scheiterte vor dem Bundesverfassungsgericht desaströs, weil die von Beckstein zur neuen "braunen Gefahr" (als schrieben wir 1933) hochstilisierte Organisationsgroteske sich noch im Vorprozeß als hausgemacht erwies, da ganze Funktionärsriegen des Vereins schlicht Produkte des Verfassungsschutzes waren. Doch hat das Beckstein offenbar nicht zum Nachdenken über seine politische Analysefähigkeit gebracht. Statt dessen stellte er kürzlich in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, in dem es um Intergrationspolitik ging, voller Stolz fest, daß in Bayern 2003 mehr Moscheen als Kirchen eingeweiht worden seien und daß man mit mehr Vereinslokalen, Sport- und Jugendclubs der Integrationsprobleme durchaus Herr werden könne. Konnte die heilige (kulturpolitische) Einfalt, die aus den Worten dieses bayerischen Spitzenpolitikers sprach, schon sprachlos machen, die Pointe tat es gewiß: Stellte der evangelische Christ Beckstein doch schließlich fest, daß "Deutschland natürlich auch ein christliches Land ist".

Das "Auch" Becksteins ist die grundlegende Theorie zum lokalen Praxis-Vorschlag von Grass. Denn beide sind Vertreter jenes "Geistes der Geistlosigkeit", den Karl-Heinz Bohrer in einer Analyse als "aktuellen Phänotyp deutscher Politik" ausmachte. Der aber "transzendiere die schiere Inkompetenz" seiner Träger schlicht "zum Symbol".


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