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06.03.04 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 06. März 2004

Alle fertigmachen! / Schäuble würde uns nicht langweilen
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Zwischen Hamburg und Haiti" war einst der Titel eines beliebten Tourismusmagazins im NDR-Radio. Ja, das waren beides mal erfreuliche Reiseziele! Gäbe es die Sendung noch, würde der Kanzler jetzt sicher auf ihre Absetzung dringen. Haiti hat soeben seinen eigenen Präsidenten in den afrikanischen Busch gescheucht. Der war früher Armenprediger mit soziali-stischer Grundierung - also genau das, was fortschrittlich gesinnte Geister einen "Hoffnungsträger" nennen. Jetzt ist alle Hoffnung flöten. Hamburg wiederum ist seit Sonntag so schwarz wie die Bewohner des Karibik-Staates, weshalb auch hier demnächst ein Flugzeug aufsteigen soll, dessen prominentester Passagier aus politischen Gründen das ganz, ganz Weite sucht.

Ronald Schill hat es vor der Wahl angekündigt: Landet er unter fünf Prozent, wandert er aus, nach Südamerika. Am Wahlabend hat er präzisiert, wohin genau: Uruguay ist der Favorit. Der einst reiche, in der Zwischenzeit indes ziemlich verwelkte Staat hat nur etwa drei Millio-nen Einwohner, kaum doppelt so viele wie Hamburg. Mit dem Format kennt Schill sich aus. Aber was will er da? Wieder in die Politik? Die Medien höhnen bereits (was nicht schwerfällt beim bunten Schill), er könne ja putschen, wenn die Uruguayer ihn nicht freiwillig wählen - "General Ronaldo Barnabas Schill". Die deutschen Gazetten sollten nicht zu laut feixen, sonst hören die das da unten noch. Uruguay ist dermaßen auf den Hund gekommen, daß sich sicherlich der eine oder andere findet, dem der Gedanke an einen "Presidente" von der Alster gar nicht so unangenehm erscheint.

Glücklicher Schill, der noch träumen kann von fernen Ländern und neuen Aufgaben. Der Patient SPD liegt derweil traumatisiert auf der Couch und erforscht leise wimmernd sein Seelenleben. Was bin ich? Wer bin ich? Und wozu überhaupt? Herr Doktor!! Bis zuletzt hatten die Sozialdemokraten auf den Einschlag der versprochenen Wunderwaffe gehofft, die sie verheißungsvoll "Müntefering-Effekt" tauften. Die Parteiführung behauptet nun frech, daß die Waffe sogar gezündet habe, sonst wäre die SPD noch ganz woanders geendet. Du liebe Zeit - und wo? Bei Schill im Flugzeug?

Der Kanzler wird gewußt haben, warum er so kurz vor dem absehbaren Hamburg-Schlamassel nach Übersee flog, um das Terrain zu erkunden. Hegt auch er Auswanderungspläne? Offiziell war es ein Staatsbesuch bei Bush. Jeder weiß allerdings, daß die beiden sich nun wirklich nicht leiden können. Wie zum Beweis ihrer gegenseitigen Verachtung zog der US-Präsident dem Kanzler vor den Kameras der Welt lustvoll eins über: Er finde Schröder eigentlich recht sympathisch, "weil er mich zum Lachen bringt. Und ich mag Leute, die mich zum Lachen bringen." Der zum Clown geschrumpfte Kanzler grinste dazu wie einer, der seinen "Humor" unter Beweis stellen will, nachdem man ihm eine Fuhre texanischer Pferdeäpfel in den Wagen gekippt hat. Daß es bei dem Treffen nicht um Politik gegangen ist, verrieten die beiden Staatsmänner der Welt im Schlußkommuniqué. "Agenda für gemeinsames Handeln" heißt das Machwerk. "Agenda" - mit anderen Worten: Seid beruhigt, es passiert gar nichts, und wenn doch, wird es schnell wieder zurückgenommen.

Was Bush und Schröder hinter den Kulissen wirklich besprochen haben, können wir nur mutmaßen. Beide Politiker machen sich gewisse Sorgen um ihren Machterhalt. Das schmiedet trotz aller Abneigung zusammen. Vielleicht haben sie ja gegenseitig ihre geheimen Joker begutachtet, die sie in letzter Sekunde ans Licht fördern wollen, um das Volk zu beeindrucken. In Bushs Zauberkiste kauert ungesicherten Informationen zufolge seit kurzem der größte anzunehmende Leckerbissen: Osama bin Laden! Damit die Wirkung bis zur Wahl im November nicht verpufft, will Bush den Schurken angeblich erst kurz vor dem Urnengang am Fahnenmast des Weißen Hauses hochziehen. Bis dahin ist wenigstens Zeit zum ausgiebigen Haarewaschen. Noch so einen verlausten Zottel wie seinerzeit Saddam verträgt unser Magen nicht.

Zumal dieses wichtige Organ alsbald einer wahren Tortur unterzogen werden dürfte. Die Deutsche Bahn will ihre Gastronomietochter "Mitropa" an die Briten verkaufen. Nicht an die Franzosen, nicht an die Österreicher oder wenigstens die Italiener. Nein, ausgerechnet die Briten sollen den Bock im Garten deutscher Bahnhofsgastronomie abgeben. Haben Chaos und Verfall in diesem Lande bislang nur ein Gesicht (Schröder) und einen Namen (Toll Collect), so erhalten sie bald auch einen passenden Geruch, den von "gekochtem Hammel in Pfefferminzsoße".

Die Mitropa ist ein Traditionsunternehmen. Gegründet wurde sie zur Betreuung von Schlaf- und Speisewagen schon 1916, mitten im Krieg, umzingelt von Hungerblockaden und Steckrübenwintern, die dem Speiseangebot bis zuletzt ihren spartanischen Charme vererbten. Aber die Mitropa-Speisewagen waren unwirtschaftlich, weshalb die DB ihre Gastro-Tochter 2002 auf die Bahnhöfe verbannte, um ihre Zug-Restaurants danach wieder selbst zu betreiben. Seitdem sind auch Steck-rüben aus. Dem Träger seiner "Dritten" bleibt statt dessen immer öfter die Zahnprotese in kautschukartigen "Sandwiches" hängen.

Aber haben wir es denn nicht selber so gewollt? Immer alles "soft" und matschig, ja keine Ecken und Kanten, die "Sandwiches" im Zug entsprechen den Weicheiern in der Politik. Da kommt mal einer mit Haaren auf den Zähnen wie Wolfgang Schäuble, und alle zetern rum. Dabei wüßte der mit dem Bundespräsidentenamt wenigstens mal was anzufangen. Schäuble brächte nämlich einen ganzen Koffer voll offener Rechnungen mit ins Bellevue. Gepiesackt von Alt-Kanzler Kohl ("Bleib ruhig sitzen, Wolfgang!"), vorgeführt von Angela Merkel und regelrecht gehaßt von großen Teilen seiner eigenen Fraktion würde uns ein Präsident Schäuble sicherlich mit einer andauernden Kette kleiner Racheakte entzücken. Fünf Jahre haben wir Johannes Rau dabei zusehen müssen, wie er "den Menschen im Lande begegnet" und die Genervten dabei mit endlosem Sermon in den Schlaf salbadert. Soviel Durchschnitt war selten. Da wäre ein ordentlicher Giftpilz wie Schäuble die lang entbehrte Abwechslung - zuzugucken, wie er sie alle fertigmacht, das wär's! Die Karikaturisten könnten dem Staatsoberhaupt Panzerketten an den Rollstuhl malen. Auch Vampirzähne stünden ihm gut zum schmallippigen Gesicht. Und "Bruder sowieso" würde den Rächer im Präsidentenamt ganz gewiß keiner schimpfen.

Zeichnung aus Die Welt


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