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13.03.04 / Erst Pole, dann Katholik / Kardinal Glemps Rücktritt als Primas bedeutet eine Zäsur

© Preußische Allgemeine Zeitung / 13. März 2004

Erst Pole, dann Katholik
Kardinal Glemps Rücktritt als Primas bedeutet eine Zäsur

Für die polnische Kirche und für Polen insgesamt findet am 17. März ein kleiner Epochenwechsel statt. Dann nämlich legt Primas Jozef Glemp nach fast 25 Jahren das Amt als Leiter der nationalen Bischofskonferenz nieder.

Der Name Kardinal Glemps hat in den Ohren vertriebener und heimatverbliebener Ostdeutscher keinen guten Klang. Viele erinnern sich, wie hartnäckig dieser Kirchenmann noch Mitte der 80er Jahre - im Einklang mit der Regierung Jaruzelskis - die Existenz einer deutschen Volksgruppe im polnischen Staat bestritt.

So erklärte Glemp während einer Wallfahrt am 15. August 1984 in Tschenstochau: "Wir können nicht reinen Gewissens Gebete in fremder Sprache abhalten für solche, die diese Sprache (das Deutsche nämlich; Anm. d. Verf.) gar nicht kennen (...). Es kann nämlich jemand nicht Ausländer sein, der das Ausland nicht gesehen hat." Noch im selben Jahr behauptete der Primas, unter dessen Vorfahren sich auch Deutsche befinden, in einem Brief an den damaligen Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, daß es "in Polen" keine deutsche Minderheit gebe. Deshalb sei auch eine entsprechende Seelsorge überflüssig.

Der typisch nationalpolnische, mit Chauvinismus gepaarte Katholizismus Glemps spiegelt eine idealisierte Sicht des eigenen Volkes wider, das in seiner langen Geschichte angeblich immer wieder zum Opfer größerer Nachbarn wurde, ohne die eigene moralische Weste befleckt zu haben. Im Zuge der Debatte um das von Polen verübte Judenpogrom in Jedwabne äußerte sich der Kardinal im Mai 2001 in einer Weise, die an die zum Skandal gemachte Hohmann-Rede erinnert, wobei beim Primas tatsächlich die Behauptung einer Kollektivschuld mitschwingt, die der geschaßte CDU-Politiker ja gerade zurückgewiesen hatte (und zwar für Juden wie für Deutsche).

Im Mai 2001 erklärte Glemp in Anspielung auf hochrangige polnische Kommunisten jüdischer Herkunft wörtlich: "Ich überlege mir, ob die Juden nicht anerkennen sollten, daß sie gegenüber den Polen schuldig sind, insbesondere was die Zusammenarbeit mit den Bolschewisten angeht und die Mittäterschaft bei den Deportationen nach Sibirien." Für den polnischen Kirchenführer blieb diese in ihrer Verallgemeinerung problematische Aussage übrigens ohne nennenswerte Folgen.

Zurücktreten muß der Kardinal nun, weil das 1997 vom Vatikan bestätigte Statut der Bischofskonferenz vorsieht, daß ein Diözesanbischof die Funktion des Leiters des polnischen Episkopats höchstens zwei fünfjährige Amtsperioden hindurch ausüben darf. Obendrein wird Glemp, der zugleich Erzbischof von Warschau ist, im Dezember 75 Jahre alt und sollte dann - nach kanonischem Recht - in den Ruhestand treten.

Wenn die 102 wahlberechtigten Bischöfe am 17. März zusammenkommen, dann entscheiden sie darüber, ob die nach 1989 deutlich schwächer gewordene katholische Kirche Polens ihre bisherige Rolle als Hüterin religiöser Normen sowie nationalpolnischer Einstellungen behält oder einen "liberalen" Zeitgeistkurs einschlägt.

Die große Autorität, die die Kirche in weiten Teilen des Volkes als von den Kommunisten gefürchtete Opposition sowie als traditionell verehrte moralische Instanz genoß, ist teilweise dahin. Ebenso die frühere Einigkeit.

Verschiedene theologisch-politische Fraktionen schicken für die Kür des Glemp-Nachfolgers ihre Favoriten ins Rennen. Papst Johannes Paul II. wird dabei sicher versuchen, die Weichenstellung bei seiner Heimatkirche im eigenen - konservativen - Sinn zu beeinflussen. Sollte das mißlingen, hätte er weitere Trümpfe im Ärmel, denn 2004 wird der Papst neue Bischöfe für mindestens sieben polnische Diözesen ernennen, darunter drei Kardinäle in Breslau, Warschau und Krakau. Martin Schmidt


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