28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
13.03.04 / Wie Schleswig geteilt wurde / Das historische Kalenderblatt: 14. März 1920 - Volksabstimmung in der zweiten, mittelschleswigschen Zone

© Preußische Allgemeine Zeitung / 13. März 2004

Das historische Kalenderblatt: 14. März 1920 - Volksabstimmung in der zweiten, mittelschleswigschen Zone
Wie Schleswig geteilt wurde

In dem im letzten Kalenderblatt vorgestellten Ripener Freiheitsbrief vom 5. März 1460 hatte der Dänenkönig den Schleswig-Holsteinern das Privileg gewährt, "dat se bliven ewich tosamende ungedeelt". 1864 hatten die Deutschen dieses Vorrecht der Schleswig-Holsteiner gegen die Dänen noch verteidigen können, nach dem Ersten Weltkrieg konnten sie es nicht mehr.

In der Nacht vom 4. auf den 5. Oktober 1918 bat der deutsche Reichskanzler den US-Präsidenten per Depesche um die Herbeiführung eines allgemeinen Waffenstillstandes auf Basis von Woodrow Wilsons "14 Punkten". Entsprechend diesen "14 Punkten" bekannte sich die Reichsregierung am 23. Oktober 1918 vor dem Reichstag zum Selbstbestimmungsrecht der Völker.

Hier hakte der zur dänischen Minderheit gehörende Reichstagsabgeordnete Hans Peter Hanssen noch in derselben Reichstagssitzung ein und forderte ein Plebis- zit in Nordschleswig über die Zugehörigkeit zu Deutschland oder Dänemark. Da es in Nordschleswig eine starke dänische Volksgruppe gab, ließ sich eine Ablehnung von Hanssens Forderung kaum mit dem Bekenntnis zum Selbstbestimmungsrecht der Völker vereinen. Zudem war die Reichsregierung in dieser Zeit nationaler Schwäche an einem "freundnachbarlichem Verhältnis zwischen dem dänischen und deutschen Volk" interessiert. Die deutsche Seite reagierte also positiv auf Hanssens Vorschlag und signalisierte Bereitschaft zu einer einvernehmlichen Lösung der deutsch-dänischen Grenzfrage auf Basis des Selbstbestimmungsrechtes der Völker.

Eine entsprechende Lösung scheiterte jedoch an den Dänen. Die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein war nämlich nun nicht mehr bereit, sich mit der Abtrennung jener Gemeinden zu begnügen, die mehrheitlich von Dänen bewohnt waren. So wurde vom Nordschleswigschen Wählerverein der dänischen Minderheit auf seiner Tagung am 16. und 17. November 1918 in Apenrade ein Abstimmungsmodus gefordert, der mit dem Selbstbestimmungsrecht nicht vereinbar war.

Abstimmungsgebiet sollte zum einen der Nordschleswig genannte Teil Schleswig-Holsteins sein, der zwischen der damaligen deutsch-dänischen Staatsgrenze im Norden und der sogenannten Clausen-Linie im Süden lag. Die Clausen-Linie entspricht weitgehend der heutigen deutsch-dänischen Staatsgrenze und hat ihren Namen vom Kopenhagener Historiker Hans Victor Clausen, einem Hanssen-Anhänger, auf dessen Vorschlag sie zurückgeht. Die Clausen-Linie liegt südlich der deutsch-dänischen Volkstumsgrenze. Um nun sicherzustellen, daß das Gebiet trotzdem vollständig an das Königreich Dänemark fiel, stellte der Nordschleswigsche Wählerverein in Apenrade die Forderung auf, daß nicht etwa nach Gemeinden abgestimmt werden solle, sondern das Abstimmungsgebiet als eine Einheit zu behandeln sei, die nach der Abstimmung entweder ganz an Dänemark fallen oder ganz bei Deutschland bleiben solle. Aus dänischer Sicht stellte dieser Abstimmungsmodus kein Risiko dar, da die Clausen-Linie nur so weit südlich der Volkstumsgrenze gezogen wurde, daß die Mehrheit der Dänen im Gesamtabstimmungsgebiet noch gesichert schien. Zusätzlich sollte auch südlich der Clausen-Linie abgestimmt werden. Da in Mittelschleswig eine Mehrheit der Deutschen als sicher galt, sollte hier nun nach Distrikten abgestimmt werden, in der Hoffnung, daß sich an der einen oder anderen Stelle vielleicht doch eine dänische Mehrheit finde.

Ein derartiger, das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen mißachtender Abstimmungsmodus war in bilateralen Gesprächen mit einer deutschen Regierung kaum durchsetzbar. Hanssen bat deshalb die dänische Regierung, diese Regelung mit der Rückendeckung von Deutschlands Gegnern in Versailles durchzusetzen. In dieselbe Richtung wurde die dänische Regierung von den Siegern des Ersten Weltkrieges gedrängt. Diese wünschten die Aufnahme einer die Deutschen benachteiligenden Regelung der deutsch-dänischen Grenzfrage in das Vertragswerk von Versailles, um Deutschland zu schwächen, das deutsch-dänische Verhältnis zu belasten und Dänemark zu einem der Verteidiger des Versailler Diktats zu machen. So drohte der britische Gesandte "mit der ernsten Gefahr", "der Dänemark sich sowohl in kommerzieller wie in politischer Hinsicht aussetze, wenn es mit Deutschland zusammengehen sollte". Kopenhagen gab dem doppelten Druck nach.

So wurde die Schleswig-Frage mit einem eigenen, sechs Artikel umfassenden Abschnitt im Versailler Vertrag geregelt. Die Entente machte sich die Apenrader Forderungen des Nordschleswigschen Wählervereins zu eigen, und so wurde entsprechend abgestimmt. Am 10. Februar 1920 fand die Abstimmung in der 4.000 Quadratkilometer und 170.000 Menschen umfassenden nördlichen, ersten Zone statt. 75.431 Stimmen fielen auf Dänemark und 25.329 auf Deutschland. In der südlichen, mittelschleswigschen, zweiten Zone stimmten am 14. März 1920 51.724 Abstimmungsberechtigte für den Verbleib beim Deutschen Reich und 12.800 für den Anschluß ans Königreich Dänemark. Südlich der Clausen-Linie wurde abgesehen von drei kleinen Dörfern auf Westerland-Föhr überall mehrheitlich für Deutschland gestimmt, so daß diese Zone trotz der Abstimmung nach Gemeinden geschlossen beim Reich verblieb. Nördlich der Clausen-Linie hingegen stimmten 41 Gemeinden gegen den prodänischen Gesamttrend. In Tondern votierten 76 Prozent für Deutschland, in Hoyer 73 Prozent, in Sonderburg 55 Prozent und in Apenrade immerhin noch 54 Prozent.

Trotz dieser Abstimmungsergebnisse fielen die Gemeinden und Städte aufgrund des beschriebenen Abstimmungsmodus an den nördlichen Nachbarn. Die deutsche Reichsregierung schlug zwar noch am 27. März 1920 vor, in Anlehnung an die nach dem deutschen Sachverständigen Johannes Tiedje benannte Tiedje-Linie die neue Staatsgrenze so zu ziehen, daß diesseits und jenseits der Grenze eine etwa gleich große nationale Minderheit entstanden wäre, doch am Versailler Diktat wurde nicht gerüttelt und die Clausen-Linie neue deutsch-dänische Staatsgrenze.

Durch seine Unterzeichnung des Friedens von Versailles hatte sich Dänemark an der Verteilung des Felles eines Bären beteiligt, an dessen Erlegung es überhaupt nicht beteiligt gewesen war. Dasselbe Land, das nun ungeachtet seiner Neutralität Territorium seines Nachbarn annektierte, sollte sich später darüber beklagen, daß es zwei Jahrzehnte danach ungeachtet seiner Neutralität von seinem Nachbarn besetzt wurde. Manuel Ruoff

Die beiden Abstimmungszonen in Schleswig-Holstein:

In der ersten Zone wurde am 10. Februar 1920 en bloc und in der zweiten nach Gemeinden abgestimmt. Dazwischen liegt die Clausen-Linie, die weitgehend der heutigen deutsch-dänischen Staatsgrenze entspricht.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren