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13.03.04 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 13. März 2004

SOS Wochenende / Sonntags hat der Krankenwagen frei
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Na? Wie geht es uns heute? Nich' so doll? Dann wollen wir mal hoffen, daß es nicht schlimmer wird, schließlich ist Wochenende. Nach der am 1. Januar in Kraft getretenen "Reform der Krankenhaustransporte" muß die Krankenkasse einen Transport ins Hospital neuerdings eigenhändig genehmigen. Die AOK Schleswig-Holstein weigerte sich daraufhin, die Verfrachtung einer 91jährigen zu finanzieren, weil sie der Notarzt zur ambulanten Behandlung einfach so wie früher ins Krankenhaus bringen ließ, ohne die AOK zu fragen. Das Dumme: Die Kasse ist nachts und am Wochenende zu, Genehmigungen gibt's erst wieder ab Montag, 9 Uhr. Die ungeduldige Alte und ihr nervöser Medicus werden behaupten, so lange hätten sie nicht warten können. Doch so geht das ab jetzt nicht mehr: Verlegen Sie Ihre Notfälle gefälligst in die tariflich vereinbarten Öffnungszeiten der Krankenkassen, lautet die Reform-Botschaft aus Berlin. Mit den eitlen Extrawürsten wie "Herzinfarkt am Sonntagnachmittag" oder plötzlich ausbrechenden Zipperlein zu nachtschlafender Zeit ist dank Ulla Schmidt endgültig Schluß.

Auf solche Kabinettstückchen stürzt sich üblicherweise die häßliche Horde der Zyniker. Sollen wir doch gesünder leben, dann passiert schon nichts zur falschen Zeit - feixen sie uns ins Gesicht, genau wissend, in welche Falle sie uns mit dem faulen Ratschlag locken. Die rot-grünen Minister rackern sich ab im Erfinden neuer Einnahmequellen für Eichels zerlöchertes Säckel. Haupteinnahmequelle: der ungesunde und risikoreiche Lebenswandel staatstragender Bürger, die aus Verantwortungsgefühl für die öffentliche Hand rasen, rauchen und saufen, bis ... (der Arzt kommt, hätte man dunnemals gesagt, aber der darf ja nicht mehr).

Da muß nun auch die Jugend ran, hat Frau Schmidt entschieden, als sie entdeckte, daß der Nachwuchs glücklicherweise immer deftiger zur Flasche greift. "Alcopops" heißen die lustig bunten Blaumacher, auf die die Ministerin ab 1. Juli eine Sondersteuer für die Gesundheit (der Staatsfinanzen) erheben wird. Der geburtenschwachen Jahrgänge wegen werden sich die wenigen Teenager ganz schön was in die Kirsche kippen müssen, um die Etats zu sanieren. Wenn's nicht reicht, weil die Pfeifen zu schnell schlappmachen, werden sie zur Strafe ans Büffet gescheucht. Die EU arbeitet nämlich schon daran, besonders fetthaltige Nahrung speziell kennzeichnen zu lassen - als Vorbereitung einer neuen Sondersteuer, versteht sich. Dann spätestens kann sich niemand mehr der Verantwortung entziehen. Denn wer weder rasen noch rauchen, weder fressen noch saufen will, der wird am Ende so alt, daß ihm die Rentenkassen eine Nase dreht. Es gibt kein Entrinnen.

Das hat sogar die Union einsehen müssen, weshalb die Schwarzen nun endlich ihre eigene Agenda gebastelt haben. Um sich von der Regierung abzusetzen, nennen Merkel, Stoiber, Merz und Co. ihre Schöpfung nicht "Agenda 2010", sondern, da bei der Union alles auf einen Bierdeckel paßt, bloß "Konzept 21". Soll heißen: Die Nullen sind auf der anderen Seite. Mancher hatte indes das ungute Gefühl, die Schwesterparteien würden sich lieber gegenseitig die Augen auskratzen, ehe sie sich einigen. Sachsens CDU-Ministerpräsident Milbradt lästerte über die Reformscheu der Bayernunion, die immer nur kleine Trippelschritte machen wolle, statt den großen Sprung zu wagen: "Es ist so, als wollte man in England von Links- auf Rechtsverkehr umschalten, aber weil man sich das nicht zutraut, erst mal nur für Lastwagen."

Was bei so was herauskommt, kann sich jeder Autofahrer schaudernd ausmalen. Am vergangenen Sonntag hat es gekracht. Seitdem liegen überall kleine Reformteilchen auf der Fahrbahn herum und keiner hat eine Ahnung, wer die je wieder zusammentüfteln soll. Die Reform der Unternehmensbesteuerung ist bei der Karambolage der Unionsparteien gänzlich im Gestrüpp verlorengegangen. Vom Rest blieben nur verschrammte kleine Bleche, die kaum noch verraten, daß sie bis zur Kollision mit dem Bayernlaster ein stattlicher Reformmotor der Marke "Merz" waren. Entnervt haben sich die Unionsspitzen heulend ins Gras gesetzt und beschlossen, daß sie nicht mehr weiterwissen. Eine "Expertengruppe" soll statt ihrer das versprochene neue Einkommensteuerrecht zusammenschustern. Aha: eine Kommission. Das können die also auch.

Kommissionen will ja niemand mehr ernstnehmen, weil die angeblich gar nichts bewirken. Das ist natürlich Quatsch. Die Hartz-Kommission hat Umwälzungen in Gang gebracht, die ersten Informationen zufolge sogar das faszinierende Maut-Spektakel an tragischer Tiefe und komödiantischem Schwung übertreffen werden. Es geht um das sogenannte "Hartz IV"-Projekt. Danach werden am 1. Januar 2005 Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe verschmolzen.

Zu klären ist bis Dezember nur noch, wie und von wem. In der Waschstraße des "parteiübergreifenden Konsenses" hat "Hartz IV" nämlich ein paar Kratzer abbekommen. So wollte die SPD das neue "Arbeitslosengeld II" von der Bundesagentur für Arbeit (BA) auszahlen lassen, die Union hingegen von den Kreisen und Kommunen. An der Auszahlung hängt auch die Betreuung und Vermittlung der Langzeitarbeitslosen. Herausgekommen ist ein Kompromiß, das "Optionsmodell". Danach kann sich nun jede Stadt und jeder Kreis einzeln entscheiden, ob er die Sache selbst in die Hand nimmt oder der BA überläßt. Und das nicht etwa ein für allemal, sondern alle fünf Jahre neu. Die BA müßte womöglich bundesweit an zahllosen Orten alle fünf Jahre Tausende von Mitarbeitern rausschmeißen oder wieder einstellen - je nachdem, welche Lösung die neue Rathausmehrheit gerade vorzieht, sprich: ob sie ihre Langzeitarbeitslosen selber betreuen oder sie wieder der BA überlassen will, um bloß als Juniorpartner ein paar (welche?) Aufgaben bei sich zu behalten. Das wird ein herrlicher Zirkus - der selbstverständlich Eintrittsgeld verlangt für den genialen Klamauk: das rhythmische Einstellen und Rausschmeißen erfordert schließlich beträchtliche Abfindungszahlungen und sinnlose Weiterbeschäftigungen.

Aber es kommt noch besser: Wenn sich diese oder jene Kreis- oder Stadtverwaltung nicht recht entschließen kann, darf sie auch eine "Arbeitsgemeinschaft" mit der BA bilden. Nur ist leider vergessen worden zu klären, wer das gemeinsame "Job-Center" dann leitet - Nürnberg oder die örtliche Verwaltung. Unterdessen baut die BA ihre Niederlassungen aufwendig um, ohne zu wissen, in welchem Umfang die überhaupt benötigt werden. Vergessen wir die laue Maut-Posse. Das richtige Theater kommt gerade erst um die Ecke.


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