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27.03.04 / Wie Pomarzanki unterging / Schlösser und Gutshöfe im alten Ostdeutschland

© Preußische Allgemeine Zeitung / 27. März 2004


Wie Pomarzanki unterging
Schlösser und Gutshöfe im alten Ostdeutschland
von Martin Schmidt

Zahllose Schlösser und Gutshöfe jenseits von Oder und Neiße wurden 1945 von der Roten Armee geplündert und zerstört.

Was nach dem Inferno von diesen oft beeindruckenden Bauten übrigblieb, sah sich - als tabuisierte Hinterlassenschaft der Deutschen und Erbe des "Klassenfeindes - fast immer völliger Vernachlässigung und jahrzehntelangem Verfall ausgesetzt.

Das war bei den Besitztümern preußischer Adelsfamilien in Schlesien und Hinterpommern ebenso wie bei jenen in Ost- und Westpreußen oder dem zwangsweise aufgegebenen Eigentum von Deutschen aus dem Gebiet Posen (bzw. dem von den NS-Machthabern annektierten "Reichsgau Wartheland").

Angesichts der Tatsache, daß es auch hierzulande immer wenige reiche Menschen gibt, die freiwerdende Schlösser kaufen und instand setzen können, darf es nicht verwundern, daß sich nach dem Ende des kommunistischen Systems in Polen die Restaurierung der heruntergekommenen Schlösser und Gutshöfe aus deutscher Zeit als eine äußerst schwierige und langwierige Aufgabe erwies.

Etliche dieser Kulturschätze sind mittlerweile privatisiert worden. Im masurischen Allenstein hat die Vermögensverwaltung landwirtschaftlichen Staatseigentums beispielsweise einen Katalog erstellt, mit dem renovierungsbedürftige Gutshäuser und Adelssitze zum Verkauf angeboten wurden. Selbst ein Erwerb durch Deutsche wurde ermöglicht, wenngleich dieser wei- ter mit großen Schwierigkeiten verbunden blieb. Laut heutiger Gesetzeslage können Gesellschaften ohne polnische Beteiligung Eigentum erwerben, sofern Arbeitsplätze geschaffen werden.

Vieles ist verloren, etwa die nur noch als Ruinen vorhandenen ostpreußischen Schlösser Finkenstein, Schlobitten, Schlodien und Schönberg oder die schlesischen Schlösser Maiwaldau, Kupferberg und Rohrlach im Hirschberger Tal.

Anderes, wie die ostpreußischen Schlösser Dohna in Mohrungen, Dönhoffstädt, Steinort, Sorquitten oder Quittainen, Krockow bei Neustadt in Westpreußen oder die niederschlesischen Schlösser Friedersdorf bei Greiffenberg, Muhrau bei Striegau und die bei Hirschberg gelegenen Repräsentationsbauten Schwarzbach, Ober-Stonsdorf, Jannowitz, Fischbach, Buchwald, Erdmannsdorf und Lomnitz (dieses befindet sich seit 2001 im Besitz des Enkels der letzten deutschen Eigentümerin, Ulrich von Küster) konnten für kommende Generationen gerettet werden.

In kommunistischer Zeit wurden so manche Schlösser und Gutshöfe als Verwaltungsgebäude der sozialisierten ländlichen Produktionsgenossenschaften, als Sanatorien, Kinder- und Arbeiterwohnheime oder als Schulen und sonstige Bildungseinrichtungen genutzt. Damit blieb wenigstens die Substanz der Bauten erhalten.

Der in den 80er Jahren unternommene Versuch, einzelne der verfallenen Architekturzeugnisse durch die Vergabe an Privatleute sozusagen in letzter Minute zu retten, scheiterte kläglich. Obwohl der kommunistische Staat lediglich den symbolischen Preis von einem Zloty verlangte, waren umfassende Instandsetzungen angesichts des völligen Mangels an Geld und Baumaterial ein Ding der Unmöglichkeit.

Seit dem Umbruch gibt es nun auch wohlhabende Polen, die sich ein Schloß kaufen und es wiederherstellen können. Überdies bietet die Öffnung für ausländisches Kapital zusätzliche Möglichkeiten. Doch mit der nach 1989 begonnenen und mit dem EU-Beitritt Polens beschleunigten strukturellen Auflösung weiter Teile des ländlichen Raumes kommen neue Gefahren für das Erbe des preußischen Adels hinzu.

Das Posener Magasin berichtete vor ein paar Jahren zum Beispiel darüber, "wie Pomarzanki unterging". Einst lebten in der ansehnlichen Ortschaft Pomarzanki in der Gemeinde Schokken (poln.: Skoki) nordöstlich von Posen 30 Familien, und es gab das Gut der Deutschen Cecilie Buchowski. Diese wurde vertrieben, das Land parzelliert bzw. vorübergehend zu einer sozialistischen Produktionsgenossenschaft zusammengefaßt.

Rund 20 Familien blieben hier, bis im Jahr 1994 ein Pächter die Äcker und Gebäude der Genossenschaft erwarb und schließlich alles in den Ruin führte.

Mit der Landwirtschaft ließ sich in der neuen Zeit schwerlich Geld verdienen. Die bereits durch die Beseitigung der deutschen Gutsherrschaft erschütterten althergebrachten ländlichen Strukturen hatten sich offenbar endgültig überlebt. Alle verbliebenen Bewohner Pomarzankis mußten 1994 oder spätestens gegen Ende des Jahrzehnts fortziehen. Die meisten gingen ins Nachbardorf Jablkowo, wo sie mehr schlecht als recht in einem Wohnblock unterkamen.

Was sie zurückgelassen hatten, Wohnhäuser, das alte Landgut der Buchowskis, aber auch Kuhställe oder die Dorfschmiede, fiel Plünderern zum Opfer, die fast alles wegbrachten - Türen, Fenster, ja sogar Ziegelsteine. Die Eschen in der schönen Parkanlage des Gutes wurden gefällt. Heute ist Pomarzanki ähnlich verwüstet und von Unkraut überwuchert wie viele ostdeutsche Dörfer und Städte nach dem Krieg. Ein früherer Bewohner, Marian Nawrocki, klagte gegenüber der besagten Posener Zeitschrift: "Als die Alten wegziehen mußten, haben sie geweint. Später wollten sie die alten Ecken nicht mehr aufsuchen, denn sie wußten, was sie vorfinden würden."

Der einstige Gutshof, der nach der Wende immerhin noch so erhalten war, daß man ihn hätte retten können, ist wohl endgültig Geschichte, wie das ganze Dorf. Jetzt rächte sich die verhängnisvolle Privatisierungspolitik der "Agentur der Staatskasse für ländlichen Besitz", in deren Händen sich die meisten der nach 1945 zu Produktionsgenossenschaften umgewandelten Landgüter befinden.

Im Magasin ist dazu Folgendes zu lesen: "Obwohl die Liegenschaften wie auch die Gutshäuser und Schlößchen überwiegend fast im Zustand von Ruinen sind, will die Agentur den Preis dieser Güter nicht herabsetzen."

Vor kurzem wurde den in Posen lebenden testamentarischen Erben des Gutes Pomarzanki ein neuerliches Kaufangebot unterbreitet: Der Gutshof mit seinen verfallenen Gebäuden sowie vier Hektar Parkgelände sollen nun noch umgerechnet 30 000 Euro kosten. Für polnische Verhältnisse ist das angesichts des verheerenden baulichen Zustandes immer noch sehr viel, zumal das Haus nach den Auflagen des Denkmalschutzes wiederhergestellt werden müßte.

Die polnischen Behörden erweisen sich hier wieder einmal als Bremsklotz des Neunfangs. Ihr wirklichkeitsfremder Bürokratismus ist längst zur Geißel des ganzen Landes geworden.

Das Beispiel Pomarzankis ist nur eines unter vielen. Es stimmt wehmütig und ruft die mahnenden Schlußworte Bogislaw von Archenholz' aus seinem Buch "Die verlassenen Schlösser" in Erinnerung: "Das Unwiederbringliche freilich kehrt nicht wieder, aber die Wunden vernarben, und eine enggedrängte, die eigene Hast längst verabscheuende Menschheit wird die erhaltenen Adelssitze mit ihren Parks und Teichen, mit Alleen (...) als die Oasen der Erinnerung an ein gemeinsames Glück zu schätzen wissen, das nicht nur einigen unter uns genommen wurde, sondern uns allen immer fehlen wird."

Nur noch Erinnerung: Landarbeiter eines ostdeutschen Gutes


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