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10.04.04 / Globale Sicherheit / Die Bundeswehr braucht geistige Führung statt Technokraten

© Preußische Allgemeine Zeitung / 10. April 2004


Globale Sicherheit
Die Bundeswehr braucht geistige Führung statt Technokraten
von Stefan Winckler

Ende März lud das Studienzentrum Weikersheim zur sicherheitspolitischen Tagung 2004 auf dem Gelände der Rommel-Kaserne in Dornstadt bei Ulm ein. Mitveranstalter waren die Konrad-Adenauer-Stiftung Ravensburg und die Clausewitz-Gesellschaft. Wie schon bei den "Wehrpolitischen Tagungen" des Studienzentrums Weikersheim in den vergangenen Jahren entwickelte sich auch diesmal ein lebhafter, niveauvoller Informations- und Meinungsaustausch zwischen Soldaten und Zivilisten. Es wurden insgesamt 86 Teilnehmer gezählt.

Im Eröffnungsreferat über die "Sicherheitspolitische Lage 2004" forderte General a. D. Dieter Farwick, Präsidiumsmitglied des Studienzentrums Weikersheim, die Politik müßte die "deutschen Interessen" eindeutig definieren. Für ihn sind dies: Erhaltung des Friedens, Freiheit und Sicherheit, Schutz vor Erpressung von außen, Sicherstellung der Rohstoffversorgung. Die Bun-deswehr dürfe den Heimatschutz nicht vernachlässigen, denn ein politisch motivierter Massenmord wie unlängst in Madrid könnte sich auch hierzulande ereignen.

Der Präsident des Studienzentrums Weikersheim, Prof. Dr. Bernhard Friedmann, ist als ehemaliger Vorsitzender des "Rüstungsausschusses" und als Autor des Buches "Einheit statt Raketen" als Experte ausgewiesen. Die Europäische Union, so erläuterte er, sei bereits auf dem Weg zu einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Die EU übernahm militärische Verantwortung in Mazedonien, sie hatte bereits im Amsterdamer Vertrag (1994) auch Frieden schaffende Einsätze als künftiges Aufgabenfeld benannt. Aus diesem Grund werden schnelle Einsatzkräfte (RRC - rapid response capabilities) bis 2006 aus bestehenden Verbänden entwickelt.

Im dritten Vortrag erörterte Prof. Klaus Hornung, Politikwissenschaftler und ehemaliger Präsident des Studienzentrums Weikersheim, die Ursachen der "asymetrischen Kriege", also des "Partisanenkriegs im Weltmaßstab" zwischen dem armen Süden und dem reichen Norden der Welt: Ausschlaggebend seien aber nicht nur die ökonomischen Daten, sondern auch das Gefühl der islamischen Welt, vom "unehrlichen", "dekadenten" Westen bevormundet zu werden.

Hingegen wird die Position des christlichen Abendlandes durch den Verlust von Werten und Tugenden beeinträchtigt. In dieser Situation lasse das Bundesverteidigungsministerium geistige Führung vermissen, während Technokraten den Ton angeben. Fazit: Die Standfestigkeit der eigenen Position muß erhöht werden, und mit der anderen Seite muß auf gleicher Augenhöhe verkehrt werden.

"Zuschauen oder sich einmischen?" Das war die Frage, die Claus-Peter Grotz, Dozent an der Polizei-Fachhochschule Villingen-Schwenningen, aus verschiedenen Positionen zu beantworten versuchte. Es ging um internationale Interventionen in innerstaatliche Konflikte aus humanitären Gründen. Nach einer kurzen Beschreibung der idealistischen und der realistischen Denkschule (Kant versus Hobbes) zeigte er die Möglichkeiten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auf und benannte die Argumente pro und contra. Die Bilanz sei ernüchternd: Lokale Kriege könnten nicht eingedämmt werden, der Frieden könnte nicht dauerhaft durch Kräfte von außen erreicht werden. Die gegenwärtigen Kämpfe zwischen Albanern und Serben machten das Thema zusätzlich aktuell.

Welche Eigenschaften sollten den Offizier im 21. Jahrhundert auszeichnen? Eine Gesprächsrunde aus Soldaten und Zivilisten bewertete uneingeschränkte Leistungsbereitschaft, Fachkompetenz, psychische und physische Belastbarkeit, Führungs- und Sozialkompetenz (einschließlich Kameradschaft und Kritikfähigkeit) sowie Integrität als unerläßlich.

Diese Ergebnisse wurden anschließend vor dem Plenum ausführlich vorgestellt. Oberst a. D. Eberhard Möschel, der auf eine außerordentliche Erfahrung als Militärattaché in der arabischen und asiatischen Welt zurückblicken kann, beschrieb in einem detaillierten Vortrag (Teilnehmer sprachen hinterher von einem "Feuerwerk" an Informationen) die Ambitionen Washingtons und Moskaus, Erdölvorräte und Pipelines in Zentralasien zu kontrollieren. Ganz neu sind diese Auseinandersetzungen - man denke nur an Afghanistan - freilich nicht: Vor dem Ersten Weltkrieg waren Großbritannien und das Zarenreich die Kontrahenten. Anhand einiger Landkarten erläuterte Möschel des weiteren die Geschichte des Vorderen Orients, insbesondere des Irak.

Abschließend diskutierten Ernst-Reinhard Beck MdB (CDU) und General Dieter Farwick "die neue Bundeswehrstruktur und den deutschen Beitrag zur internationalen Sicherheitsarchitektur". Als ehemaliger Bataillonskommandeur wies Beck kompetent auf die Schwächen der gegenwärtigen Verteidigungspolitik hin. Wie Farwick im Eröffnungsreferat, wünschte sich auch Beck einen stärkeren Heimatschutz im Krisenfall, der freilich nur durch eine bessere Ausstattung der Bundeswehr erzielt werden kann.


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