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10.04.04 / Piano contra Pizza / Der Hamburger Kammerkunstverein bietet klassische Musik zur Mittagspause

© Preußische Allgemeine Zeitung / 10. April 2004


Piano contra Pizza
Der Hamburger Kammerkunstverein bietet klassische Musik zur Mittagspause

Also, wer geht mit? In der Mittagspause will ich endlich mal zum neuen Italiener. Der soll phantastische Antipasti haben, gerade richtig für diese Frühlingstage." - "Nee, ich geh' lieber zum Türken, der Döner, weißt du, ist einfach himmlisch." - "Und du?" - "Ach, ich weiß nicht, ich werde wohl wieder mein Mitgebrachtes muffeln. Das schmeckt zwar immer gleich, aber da weiß man, was man hat." - "Bist du aber langweilig! Und wie ist's mit euch? Kommt ihr mit, allein hab ich keine so rechte Lust ..." - "Nee, weißt du, wir werden diesmal auf Pizza, Pasta und Döner verzichten. Uns steht der Sinn mehr nach Schubert und Schumann." - "Was'n das? Ein neues Lokal, davon habe ich ja noch gar nichts gehört!" - "Ach, so neu ist das nicht und ein Lokal schon gar nicht. Da mußt du dich schon in die heiligen Hallen der Handelskammer trauen, da wo sonst die großen Geschäfte gemacht werden, wo sonst Börsenkurse und Computer den Alltag bestimmen ..."

Dieses Gespräch in einem Hamburger Büro hat so natürlich nicht stattgefunden, und doch ist es so abwegig nicht, denn der vor fünf Jahren gegründete Hamburger Kammerkunstverein e. V. bietet tatsächlich jeden Donnerstag von 12 bis 12.30 Uhr allen Musikfreunden ein besonderes "Schmankerl": In den sogenannten Lunchkonzerten wird klassische Kammermusik von erfahrenen Musikern dargeboten - und das, ohne Eintritt zu erheben (wenn auch eine kleine Spende immer willkommen ist).

Unterstützt werden die engagierten jungen Leute von renommierten Hamburger Firmen. Von wegen "Pfeffersäcke", die nur den Profit im Auge haben und sich nicht für Kultur interessieren! "Die Lunchkonzerte in unserer Handelskammer stehen beispielhaft für die vielen gelungenen Partnerschaften von Kultur und Wirtschaft in Hamburg", lobt Karl-Joachim Dreyer, Präses der Handelskammer Hamburg, die Initiative.

Und in der Tat: etwa 100 Freunde der klassischen Musik haben sich auch an diesem Donnerstag zusammengefunden, um zwanglos dem glasklaren Mezzosopran von Silke Schimkat zu lauschen, die in Begleitung von Franck-Thomas Link am Klavier Lieder von Hugo Wolf und Richard Strauss singt.

Man sitzt rund um die Säulen, die den blauen Gewölbehimmel des Arkadensaals tragen, auf schnöden Holzbänken. Der eine hat die Augen geschlossen, um sich auf den Gesang zu konzentrieren, ein anderer verfolgt noch einmal im Programm, was eigentlich dargeboten wird. Neue Gäste kommen hinzu, verharren, staunen und suchen sich ebenfalls einen Platz. Andere eilen vor-über, leise, um nicht den Kunstgenuß zu stören. Sie haben es eilig - hat es Neuigkeiten an der Börse gegeben, die entscheiden, ob ein Geschäft platzt oder nicht? Das ist den Kunstfreunden ganz gleich, sie haben sich in eine andere Welt begeben, in eine Welt voller Töne. Der hektische Alltag kann warten. Man ist hier, um neue Kraft zu schöpfen für die Welt da draußen.

Nach 30 Minuten ist alles vorbei. Plötzlich hört man wieder das Brummen der nahen Untergrundbahn, das Brausen des Stadtverkehrs. Die Welt hat einen wieder. Der Pianist klappt sein Notenbuch zusammen, die Gäste applaudieren und die Sängerin verneigt sich, geht hinter eine Stellwand, um dann doch noch einmal vorzukommen und die Zuhörer mit einer Zugabe zu erfreuen. Dann aber ist wirklich Schluß. Eine Dame gibt eine großzügige Spende in den "Topf" - sie war mit mehreren Gästen in das Lunchkonzert gekommen, um ihrem Geburtstag einen besonderen Auftakt zu geben. Andere falten den Programmzettel sorgfältig zusammen - eine Erinnerung an ein unvergeßliches Erlebnis. Viele lassen es sich nicht entgehen, die frei zugänglichen Räume der Handelskammer zu besuchen - wenn man schon mal da ist ...

40 verschiedene Künstler aus Deutschland, Schottland, Frankreich, Holland, Belgien und Schweden sind bisher in den Konzerten aufgetreten, um Werke vom Barock bis zur Moderne darzubieten. Sie schätzen die besondere Atmosphäre, die bei diesen Konzerten herrscht, schätzen den direkten Kontakt zum Publikum. Ihnen liegt es am Herzen, neue Schichten anzusprechen, Menschen, die sonst vielleicht nicht in einen Konzertsaal gingen. Mit Erfolg: Die zwanglose Veranstaltung hat mittlerweile viele Freunde gefunden. Wer mehr über die Lunchkonzerte erfahren möchte, findet Informationen im Internet unter www.kammerkunst.de. Silke Osman

Gute Idee verwirklicht: Der Bariton und Vorsitzende des Kammerkunstvereins Ulrich Bildstein (re.) mit dem künstlerischen Leiter Franck-Thomas Link  Foto: Kammerkunstverein


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