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17.04.04 / Rezeptfreies Stärkungsmittel für jedermann / Der Honig und seine vielfältige Wirkung im Spiegel der alten Überlieferung

© Preußische Allgemeine Zeitung / 17. April 2004


Rezeptfreies Stärkungsmittel für jedermann
Der Honig und seine vielfältige Wirkung im Spiegel der alten Überlieferung
von Anne Bahrs

Wenn in diesen warmen Tagen des Frühlings wieder die ersten Bienen schwärmen und die zarten Blüten umschwirren, dann denkt so manch einer gewiß auch an verführerische Köstlichkeiten, die aus ihrem Honig gezaubert werden können. Honigkuchen und Honigschnaps kannten schon unsere Vorfahren. An den Küsten Jütlands und des Samlandes gefundene Bernsteinbrocken, in denen stachelbewehrte Insekten eingeschlossen sind, beweisen, daß schon vor etwa 30 Millionen Jahren Vorläufer unserer Honigbienen unter Nadelbäumen tanzten, ehe sie vom herabtropfenden Harz getroffen wurden. Wir Menschen sind viel jüngere Gäste auf diesem Planeten.

Gewiß waren die Waben der Wildbienen, wenn sie von den Jägern und Sammlern der Frühzeit in Felsspalten und hohlen Bäumen entdeckt und geraubt werden konnten, ein ganz besonderer Gaumenschmaus und eine Mutprobe wert, ehe der Sieg über die ihre Brut verteidigenden Bienen endlich errungen war. Dabei mußten wohl Braunbären, die starken Rivalen bei der Honigernte, überlistet werden.

Aus allen Zeiten und Kulturen der Menschheitsgeschichte wird vom Honiggenuß berichtet und von den magischen Kräften, die diesem Bienenprodukt innewohnen. In Mesopotamien, dem gedachten Paradies zwischen Eu-phrat und Tigris, fand man Tontafeln aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. mit der Aufzeichnung eines Liebesliedes in Keilschrift. In Wiederholung der jeweils letzten Verszeile heißt es: "Groß ist deine Schönheit, süß wie Honig!" Von einer anderen Tafel ließ sich ein Rezept zur Wundbehandlung mit Honig ablesen. Nach griechischem Götterglauben reichte Thebe, Göttin der ewigen Jugend, den Olympiern bei ihren Gelagen Ambrosia, den Nektartrank, daß auch sie unsterblich würden.

Wohlbefinden und der Wunsch nach ewigem Leben oder Wiedergeburt spiegelt sich als Sehnsucht der Völker in ihrer Glaubens- und Sagenwelt. Die fleißigen Bienen werden darin für Botinnen der Götter gehalten und ihrem Honig ganz besondere Lebens- und Heilkräfte zugemessen. Darum gehört die Tracht der Bienen zu den Opfergaben für die Götter, den Reichen zum Genuß. Sie wurde den Kranken als Medizin gereicht. Gefäße in den Gräbern ägyptischer Pharaonen, mit Wachs luftdicht verschlossen, enthielten Honig als Speise für die lange Wanderung der Toten, der bei seiner Entdekkung nach 4.000 Jahren noch genießbar war. Aus der Zeit um 1530 stammen Rezepte (Papyrus Ebers), die Honig als harntreibendes Mittel, zur Kräftigung, Augen- und Wundbehandlung und Erkrankungen des Magens preisen.

Bienen hätten die Wiege des Philosophen Plato umschwärmt und in den geöffneten Mund des schlafenden Kindes eine Wabe gebaut. Dadurch - so die Legende - wurde der Mann weise und beredt. Die Gelehrten der Schule des Pythagoras ernährten sich nur von Brot und Honig und sollen ein sehr hohes Alter erreicht haben. Sie brachten den Honig in eine enge Beziehung zum Geistigen, Jenseitigen und Göttlichen. "Und sie legten ihm vor ein Stück vom gebrate- nen Fisch und Honigseim. Und er nahm's und aß von ihnen." Das berichtet Lukas im Neuen Testament (24/42 + 43) der Bibel vom Beweis der Leibhaftigkeit, den der auferstandene Herr seinen ungläubigen Jüngern gab.

Seit Mohammed seine Lehren verkündete und empfahl: "Iß Honig, mein Sohn, denn er ist gut nicht nur zum Essen, sondern er ist auch ein sehr nützliches Mittel gegen mancherlei Krankheiten!", gilt die süße Bienentracht den Arabern als paradiesische Köstlichkeit. Im Harem durfte kein Mangel an Honig sein, denn er sollte in Verbindung mit Fischgerichten zur Steigerung der Lust und Manneskraft verhelfen.

Nach der germanischen Göttersage verdankte Odin seine Lebenskraft und Kühnheit dem Honigsaft, der als Tau von der Weltesche Ygdrasil tropfte. Die berauschende Wirkung des vergorenen Honigs hatten die Germanen erfahren, doch sie blieb ihnen ein Rätsel. Dar-um mußte sie vom Festmahl der Götter stammen. In Walhalla wurden die toten Helden mit Met gelabt. Auf Erden feierten die Nordmänner ihre Siege mit dem schäumenden Honigtrunk.

Aus der erfahrenen Heilkraft des Honigs galt die Verehrung den Bienen, nötigte zur genauen Beobachtung ihres Verhaltens, faszinierte die Forschenden. Die süße Wohltat steigerte der Mächtigen Gier. In Germanien war der Honigzins eine frühe Art der Steuer. Nach der Christianisierung mußte auch das Bienenwachs abgeliefert werden für die Kerzen beim Gottesdienst. Nur Männer durften die Imkerei betreiben, denn die Frauen galten als unrein wegen ihrer Monatsblutung.

Von diesem Aberglauben sind wir - gottlob! - erlöst. Geblieben aber ist dank der wissenschaftlich fundierten Medizin unserer Tage die alte Erkenntnis, daß dem nicht erhitzten Honig den menschlichen Organismus entlastende Kräfte innewohnen, die das Herz entlasten, Leber und Nieren schonen, den Körper entwässern und auch entschlacken. Honig löst den Schleim, befreit Bronchien und Lunge! Neuerdings verbreitet sich die Erfahrung, daß eine anfangs geringe, dann gesteigerte Honiggabe vom Nektar der die Pollenallergie auslösenden Blütenpflanzen vielen geplagten Allergikern helfen kann. In England gilt seit alters her der Spruch, Honig hülfe auch gegen Liebesschmerzen. Davon hat Hippokrates, der uralte Vater der Medizin, nichts vermerkt. Aber er verordnete bereits den sich noch heute bewährenden Einschlaftrunk: Milch mit Honig!

Der Bienenfleiß für des Herrgotts Apotheke stärkt unseren Kreislauf und die Nerven immer noch. Honig gibt es rezeptfrei für jedermann. Er verfeinert viele bekömmliche Gerichte und schmeichelt den Zungen wie ehedem. Nur die vielen Diabetiker unter uns müssen - leider! - ihren Arzt fragen, ob und wieviel sie von dieser köstlichen Bienentracht genießen dürfen.


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