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08.05.04 / Von der Magie der Farben / Zum 100. Todestag

© Preußische Allgemeine Zeitung / 08. Mai 2004


Von der Magie der Farben
Zum 100. Todestag von Franz Lenbach
von Esther Knorr-Anders

Bevor wir zunächst ins Schrobenhausener Lenbachmuseum drängen, führen wir uns die Karrierebahn des Künstlers zu Gemüte. Als 17jähriger Anfänger in Sachen "Malkunst" äußerte Franz den kaum erfüllbar dünkenden Wunsch, dermaleinst "einen Gulden per Tag" zu verdienen. Sein Schicksalsweg sah vor, daß er später die "per Tag" eingestrichenen Gulden gar nicht mehr zählen konnte. Bevor die Glücksfülle jedoch Realität zu werden vermochte, mußte der Knabe erst einmal geboren sein, eine gezielte Ausbildung durchlaufen, kunstbesessene Gönner, reiche Auftraggeber finden und zur Krönung des Ganzen - anno 1882 - geadelt werden.

Geboren wurde Franz Lenbach am 13. Dezember 1836 in der oberbayerischen Kleinstadtidylle Schrobenhausen, wo der Vater, ein "zugewanderter" und "eingebürgerter" Tiroler als Stadtbaumeister tätig war. Franz war das dritte von acht Kindern in der zweiten Ehe des Vaters. Wie dieser sollte auch Franz Baumeister werden und erlernte das Maurerhandwerk. Doch insgeheim zog es ihn zu Pinsel und Palette. Unterstützt von der Stiefmutter Elisabeth (die leibliche Mutter war 1844 verstorben), gelang ihm eine außergewöhnliche, mit allen Ingredienzen des Märchenhaften angereicherte Karriere. Gewiß kam sie nicht von ungefähr und schon gar nicht mit leichter Hand. Vor dem Erfolg mußten sich Fleiß, Ausdauer, Zielstrebigkeit bewähren.

Bereits Lenbachs frühe Schulzeugnisse geben darüber Auskunft. Erfreulicherweise sind einzelne Zeugnisinhalte im schön bebilderten und informativen Museumskatalog wiedergegeben. Schon das erste Zeugnis des Sechsjährigen in der Schrobenhausener "Werktagsschule" dürfte den Eltern helle Freude bereitet haben: "Fähigkeiten: vorzüglich; Fleiß: unermüdet; Sittliches Betragen: ausgezeichnet; Lesen: sehr gut; Kopfrechnen: vorzüglich" lauteten die Noten der wichtigen Fächer. Bei der Gesamtnote "vorzüglich" blieb es auch an weiteren namhaften Fachinstituten. Doch immer drängender wurde dem jungen Lenbach bewußt, daß seine Begabung sich nicht auf die "technische Zeichnung" beschränkte. Er wollte malen: "Die Hantierung mit der Palette wurde mir nämlich sehr leicht, während die Plänezeichnerei mich schon meiner schwächlichen Augen wegen stark anstrengte." Im Herbst 1853 riet ihm sein Freund Johann Baptist Hofner (später geschätzter Tiermaler), ein Aufnahmegesuch an die "Kgl. bayerische Akademie der bildenden Künste" in München zu stellen. Lenbach wurde angenommen. Die Aufnahmebestätigung unterzeichnete kein Geringerer als Direktor Wilhelm von Kaulbach.

Ab Frühjahr 1855 wurde aus dem Zukunftstraum, ein "selbständiger Künstler" zu werden, Ernst. Freund Hofner hatte in Schrobenhausen ein Haus geerbt und richtete für Lenbach ein "Dachstüberl" ein. Im Wochenblatt war zu lesen: "Unterzeichneter erlaubt sich anzuzeigen, daß er Portraite zeichnet und in Oel malt. Die Preise sind verschieden, je nach der Größe des Bildes von 2 - 20 fl. Zugleich ladet er das geehrte Publikum zur Einsichtnahme schon gemalter Portraite und anderer Arbeiten ergebenst ein. Franz Lenbach, Kunstmaler." Das war der Anfang.

Entscheidend für die Karriere Lenbachs wurde der Kunstmäzen Adolf Friedrich Graf von Schack in München. Er schickte den "jungen Mann vom Lande" nach Italien und Spanien mit dem Auftrag, für ihn berühmte Gemälde zu kopieren. Dabei reifte Lenbachs eigener koloristischer Stil, der in glanzvoller Porträtierkunst seinen Höhepunkt fand. Alles, was Rang und Namen hatte, wollte von ihm gemalt sein: der deutsche 99-Tage-Kaiser Friedrich Wilhelm, Prinzregent Luitpold von Bayern, Papst Leo XIII., Bismarck. Das Bismarck-Gemälde von 1895 im Münchner "Lenbach-Haus" besticht durch geniale Einfachheit. Den dunklen Bildgrund beherrschen Kopf und die Hand des 80jährigen Reichskanzlers. Erstmals hatte sich Bismarck 1879 von Lenbach porträtieren lassen und verhalf ihm somit über Nacht zu Ruhm und - im ausgedehnten Sinne - zum Titel "Malerfürst". Zu einem solchen gehörte eine Residenz, eben das Münchner "Lenbach-Haus". Der sonnengelbe Prachtbau entstand in den Jahren 1887 bis 1891. Architekt Gabriel von Seidl schuf einen repräsentativen Bau im Stil einer toskanischen Villa, versah ihn mit weitläufigem Garten und pittoreskem Brunnen. Bei der Innenausstattung des Hauses fühlten sich "Malerfürst" und Architekt zu fürstlichem Ästhetizismus verpflichtet. Die historischen Räume betäuben das heutige, an Kargheit gewöhnte Auge durch prunkvollen Dekor: marmorumrandete Türen, Kassettendecken, Mosaikböden, kostbares Mobiliar: "Ich gedenke mir einen Palast zu bauen", schrieb Lenbach 1885 - und da stand er nun, in bester Münchner Lage, unweit des Königsplatzes.

Wir kehren nach Schrobenhausen zu den Anfängen, zur künstlerischen Entwicklungsgeschichte Franz Lenbachs zurück. Sein dortiges Elternhaus, ein schlichtes, helles Gebäude, wurde am 11. Dezember 1937 als Museum festlich eröffnet: "Das Haus war prächtig mit Girlanden geschmückt." Lenbachs zweite Frau Lolo, geborene Freiin von Hornstein, hatte - lange nach dem Tod des geliebten Mannes - das Haus zurückerwerben können, eine Stiftung gegründet und rund 500 Gemälde, Studien, Zeichnungen der Stadt Schrobenhausen zum Geschenk gemacht. Seither von den Verantwortlichen sorgsam gehegt, bietet sich dem Gast die Fülle des Frühwerks, bestehend aus herrlichen Porträtstudien, Vorarbeiten zu späteren Gemälden. Stets bestaunt Lenbachs Arbeitszimmer im Dachgeschoß: "Ein alter Bauernschrank birgt noch heute eine originale Palette und wenige Pinsel."

Wenden wir uns den Exponaten zu. Eigentümlich berührend die Perspektive Lenbachs beim "Hausdach mit Wolken"; das Gemälde zählt zur "Thematik Himmel und Horizont" und zeigt im Bildvordergrund ein hohes, rotes Dach mit Schornsteinen, darüber Wolkengebräu. Es entsteht der Eindruck verödeter Welt in einem von Menschen verlassenen Niemandsland. Ähnlich beklemmend die Gewitterszene der "Landschaftsstudie von Maria Beinberg bei Schrobenhausen". Beim "Bauernmädchen" könnte es sich - laut Katalog - um eine Schwester Lenbachs handeln. Der träumerisch verhangene Augenausdruck des Kindes spricht nicht dafür, sein zukünftiges Dasein zu erleichtern. Geballte Sozialkritik vermittelt Lenbach mit "Das Gerichtsurteil". Auf der linken Bildhälfte tagen die Richter, deren Gesichtszüge unerkennbar bleiben, man könnte sie für maskiert halten. Vor ihnen steht der in demütiger Geste verharrende Delinquent. Rechts der Bildfläche das vollstreckte Urteil: In Nachtschwärze hängt der Hingerichtete am Galgen ...

Adel und Hochadel werden im Museum durch wunderbare Damen- und Herrenporträts vertreten. Geben wir den Damen den Vortritt. Es äugen uns - unter vielen - an: Maria Theresia Kronprinzessin von Bayern; Clementine Prinzessin von Sachsen-Coburg-Gotha; Nicoletta Principessa Grazioli; Klara Baronin von Leipzig; achtunggebietend das Bildnis einer alten Dame: Therese Anna von Helldorff. Zwar nicht von Geburtsadel, aber adlige Würde verkörpert die italienische Schauspielerin Eleonora Duse, konterfeit mit Lenbachs Tochter Marion. Folgende Herren beanspruchen Aufmerksamkeit: Kronprinz Ludwig von Bayern mit Familienmitgliedern; Georg II. Herzog von Sachsen-Meiningen, Gründer des beispielgebenden Meininger Theaterensembles; Alf Prinz zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg; Kuno Graf zu Rantzau mit Gattin Marie; der Diplomat und preußische Ministerpräsident Joseph von Radowitz. Von zauberischem Reiz das Bildnis "Unbekannter Herr mit Papagei".

Im vorgestellten Bilderreigen darf nicht fehlen der "Bauernjunge mit roter Kappe", ein Hirtenknabe. Nein, nicht jener weltweit beliebte Faulenzer auf dem Wiesenhang (Münchner Schackgalerie), sondern ein Vorläufer. Wir sehen ihn in Rückenansicht, braungebrannt, stupsnasig, keck, ein offenkundiger Individualist ...

Das Museum legt Wert auf die Feststellung, daß es keines der Bilder beherbergt, die Lenbach berühmt gemacht haben, jene befinden sich samt und sonders in den großen Museen. Aber was heißt "berühmt"? Der Reichtum der Exponate in Schrobenhausen schlüsselt die unverkennbare Meisterhand Lenbachs auf. Einzelne bedeutende Ölgemälde - Geschenke von Lenbach und Frau Lolo - sind im Schrobenhausener Rathaus anzuschauen. Das hat seinen Grund: Lenbach hatte, reich geworden, für seine Geburtsstadt viel getan. Er unterstützte das Waisenhaus und war an der "Verschönerung des Rathauses" aus eigenen Mitteln beteiligt, wie im Brief an Joseph Hitl vom 18. November 1900 bekundet wird: "Nächstes Frühjahr kommt dann die Hauptsache: Die Malereien über dem Eingang, die Malereien auf der Südfront und dann die Farbengebung des ganzen Rathauses. Und dann die Einrichtung des Saales. Alles geht aber wieder auf meine Kosten." Weiter heißt es: "Nächstes Jahr bekomm ich endlich auch mehr Muße; in den letzten Jahren bis auf den heutigen Tag war ich sehr eingespannt. Aber kommenden Jahres freu ich mich sehr, mal eine Woche in Schrobenhausen auszuspannen." Bereits im März 1898 war Lenbach zum Ehrenbürger Schrobenhausens ernannt worden.

1967 allerdings wurde das ehemalige Rathaus einschließlich des unersetzlichen "Lenbachsaales" abgebrochen. Heute wäre das mit Sicherheit nicht mehr möglich. Doch die Gemälde blieben erhalten, zieren den Neubau. Zwei bilden besonderen Blickfang: Lolo von Lenbach in weinroter Abendrobe; eine Schönheit. Lebensprall lacht uns Julia Virginia Scheuermann in der Pose als Halbakt an. Dieses Gemälde wird "Venustas" genannt.

Am 4. Mai 1904 starb Franz von Lenbach in München. Seine engsten Jugendfreunde gaben ihm - als Vertreter der Stadt Schrobenhausen - das Geleit. Einen Kranz von Heimatblumen hatten sie mitgebracht:

Eibenzweige, Fliederblüten, Traubenkirsche, junge Ahorntriebe. Schulfreund Hitl hatte die Kranzinschrift verfaßt: "Nimm dieses Maiens ersten Blütenzoll;/ wohl paßt er schlecht zu andrer Kränze Prangen;/ Ich pflückt ihn weinend aufs Geratwohl/ Nur auf dem Pfand, den jung Du einst gegangen./ Doch wohl geziemts, daß, wer das erste Reise/ Dir einstens brach, Dir auch das letzte bringe;/ Der Welt gehöre Deines Ruhmes Preis;/ Doch Lieb' und Dank sind Herz- und Heimatdinge."

So weitgespannt der Ruhm Lenbachs zu seinen Lebzeiten war, so schnell wurde sein Werk nach seinem Tod vergessen. Aber nur vorübergehend. Wer heute vor einem Gemälde von Franz Lenbach verweilt, verfällt der Farbenmagie und dem Bildinhalt. Einen Teil trägt Schrobenhausen dazu bei ...

 

Franz von Lenbach: Der Künstler mit Frau und Töchtern, entstanden nach einer Fotografie. Lenbach war damals schon schwer krank. Das Bild zeigt den Maler mit Tochter Marion aus erster Ehe und seine zweite Frau Lolo mit der gemeinsamen Tochter Gabriele (Öl auf Pappe, 1903; im Besitz des Münchner Lenbachhauses).


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