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15.05.04 / Verborgene Schönheit / Staatliche Kunsthalle Karlsruhe zeigt Arbeiten

© Preußische Allgemeine Zeitung / 15. Mai 2004


Verborgene Schönheit
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe zeigt Arbeiten von Hetum Gruber

Seit Ewigkeiten hat das Thema "Zeit" nicht nur Dichter und Denker beschäftigt. Auch bildende Künstler haben sich mit dem Werden und Vergehen, Leben und Sterben auseinandergesetzt, Lovis Corinth etwa mit seinem "Selbstbildnis mit Skelett" aus dem Jahr 1896 oder 1916 mit seiner Radierung "Der Künstler und der Tod". Ganz anders gehen zeitgenössische Künstler das Thema an. Andy Warhol steckte alles, was ihm im Alltag wichtig schien, in Kartons; es entstanden sogenannte "Zeit-Kapseln", 612 an der Zahl, die nach seinem Tod Zeugnis ablegten von seinem Dasein. On Kawara schließlich fertigte "Date paintings", indem er das Datum des jeweiligen Tages auf eine farbig grundierte Leinwand malte, diese dann in selbstgemachte Kartons steck-te und einen Zeitungsausschnitt des betreffenden Tages mit einklebte.

Auch der Konzeptkünstler Hetum Gruber war (und ist) von dem Thema "Zeit" fasziniert. Vor mehr als drei Jahrzehnten kaufte er eine eineinhalb Meter breite Packpapier-Rolle von unbekannter Länge. Diese wollte er in unbestimmten Abständen mit den für sein Werk typischen Schraffuren versehen. Im Mai 1978 hatte diese Schraffur eine Länge von 12,55 Metern, heute sind es bereits 23 Meter. Diese (unvollendete) Arbeit gab nun einer Ausstellung in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, Hans-Thoma-Straße 2, den zunächst rätselhaft erscheinenden Titel: "Etwas machen, dessen Fertigstellung unabsehbar ist" (dienstags bis freitags 10-17 Uhr, am Wochen-ende und feiertags 10-18 Uhr, bis 27. Juni). Grubers Arbeit, die im Kartonsaal der Kunsthalle gezeigt wird, "ist als Lebenswerk konzipiert", so Kirsten Claudia Voigt von der Kunsthalle, "seine Fertigstellung ebenso unabsehbar wie die Lebensspanne ihres Urhebers".

Zu sehen sind in Karlsruhe etwa 160 Zeichnungen und drei Leinwandarbeiten aus den 70er und 80er Jahren des 1937 in Tilsit geborenen Künstlers ("Die brenzlige Luft bei einer gelöschten Feuerstelle ist mir seit den Bombennächten 1944 in Tilsit, sieben Jahre war ich da alt, derartig im Kopf, daß der Geruch von so was mir noch heute die Bilder von damals aufscheinen läßt. Zu diesem Bild gehört trotz / wegen der Zerstörung eine ganz und gar ungeheure Stille, borstig die Bäume, wolkenloser Himmel, ein Schwarzweißbild ...") sowie 15 seiner seit 1964 geführten Werkbücher und etwa 240 kleinformatige Blätter aus jüngster Zeit. "Auf Biographisches oder überhaupt Individuelles, auf Handschriftliches in seinen Werken legt der Künstler keinen Wert", so Voigt. "Er vermeidet es vielmehr, verwischte vor einigen Jahren persönliche Spuren, indem er als Pseud-onym für seine Ausstellungen nur noch eine Abkürzung seines Namens (htmbr) einsetzte." Und so sind die beiden, diese Ausstellung begleitenden Publikationen wichtige Hilfestellung, um die Arbeit dieses Mannes ein wenig zu verstehen: einmal der Katalog der ausgestellten Werke mit Beiträgen von Siegmar Holsten und Dorit Schäfer und zum anderen ausgewählte Texte zu seiner Kunstauffassung aus den Werkbüchern Grubers (beide Bände zusammen 28 Euro).

Zeichnen ist für Gruber ein Prozeß, frei von Inhalten. "Ich erlaube mir, beim Zeichnen nur die Oberfläche zu sehen, denn wo sonst wäre die Schönheit der Dinge verborgen", schrieb er 1964. Auch heute noch kommt es ihm auf die "Intensität (Präsenz) der Oberfläche" an. Und so mag der an moderner Kunst Interessierte denn an diesen graphitgesättigten Arbeiten durchaus Gefallen finden. Verstehen aber wird er sie kaum. Helga Steinberg

Da staunen die alten Meister: Eine Rolle von Gruber bearbeitetes Packpapier zu Füßen

Foto: SKK, Ellen Frank


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