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15.05.04 / Nichts als Ärger in Salzburg

© Preußische Allgemeine Zeitung / 15. Mai 2004


Nichts als Ärger in Salzburg
von Hannelore Patzelt-Hennig

Marion Albrechts Liebe zu Salzburg begann gleich, als sie diese Stadt zum erstenmal sah. Seitdem kommt sie in jedem Sommer für mehrere Tage hierher. Wenn sie durch die Straßen und Gassen der Altstadt spaziert, fühlt sie sich daheim. Und manchmal fragt sie sich, ob sie vielleicht Ahnen hat, die aus dieser Gegend stammen. Ob es wohl Vorfahren gab, die das Salzburger Land einst aus Glaubensgründen verließen und sich in Ostpreußen ansiedelten? Aber das blieb offen. So überließ sie sich der Faszination, die diese Stadt auf sie ausübte.

Ein besonderes Erlebnis hatte sie bei einem ihrer Aufenthalte an der Salzach. Marion war eines Vormittags wie immer durch die Altstadt geschlendert. Auf einem größeren Platz sah sie einen Maler sitzen, der dort seine Bilder feilbot. Interessiert war sie zu ihm gegangen. Es waren Bilder, die Beachtung verdienten. Eindrucksvolle Ansichten von Salzburg und der Umgebung. Einige waren sogar schon passend gerahmt. Auch das Bild, das Marion ganz besonders gefiel. Auf ihm war vor malerisch sehr romantischem Hintergrund eine Kutsche mit zwei Pferden zu sehen. Eine Kutsche, wie es sie in dieser Stadt zahlreich gab, ähnlich denen der Fiaker in Wien.

Das Bild war nicht billig. Aber der Künstler beanspruchte den Preis zu Recht, wie es Marion schien. Ihr Interesse an dem Bild nahm zu, je länger sie es betrachtete. Schließlich entschloß sie sich, es zu kaufen. Der Maler zeigte sich höflich und geschäftsbeflissen, im Gespräch wie auch in dem, was ihm jetzt zu tun oblag. Sorgfältig wie eine routinierte Verkaufskraft packte er das Bild ein. Und nachdem er seine Adresse hinzugefügt hatte, reichte er es Marion mit dem Wunsch, sie möge viel Freude daran haben.

In dieser Hoffnung trug Marion ihren Neuerwerb dann auch davon. Aber Freude an dem schönen Bild sollte ihr kaum beschieden sein. Sie war von dem Standort des Malers aus in ein nahegelegenes Café gegangen, wie sie es zur Erfrischung an jedem Vormittag tat. Dort fand sie an einem kleinen Tisch neben einem Garderobenständer einen Platz. Das Bild stellte sie zwischen diesem und ihrem Stuhl ab. Sie wurde rasch bedient und vertiefte sich dann in eine Zeitung, die auf dem Tischchen gelegen hatte. Eine halbe Stunde zum Genießen, so nannte sie diese vormittäglichen Pausen.

Genossen hatte sie die Zeit in dem gemütlichen, altertümlichen Café, als sie aufbrechen wollte, war die kleine Erbauung aber schlagartig verflogen, denn sie mußte feststellen, daß das Bild nicht mehr da war. Irritiert und erregt schaute sie sich um, blickte hierhin und dorthin, doch das rote Päckchen war nirgends zu entdecken. Es mußte ihr gestohlen worden sein! Marion erwog zunächst, in ihrer Nähe sitzende Cafébesucher nach eventuellen Beobachtungen zu befragen, aber das schien ihr doch sinnlos. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich mit der Tatsache abzufinden, daß sich jemand direkt hinter ihrem Rücken eine unverschämte Dreistigkeit erlaubt hatte. Der Rest dieses Tages war ihr gründlich verdorben.

Auch noch am nächsten Vormittag war sie ärgerlich, als sie wieder zu einem Bummel durch die von ihr so geliebte Altstadt Salzburgs aufbrach. Ohne besondere Absicht ging sie, wie immer, über den Platz, auf dem tags zuvor der Maler gesessen hatte, von dem sie das Bild gekauft hatte. Er befand sich wieder dort und war gerade im Gespräch mit zwei vermeintlichen Kundinnen. Marions Blicke streiften im Vorübergehen seine Bilder. Und da traf es sie plötzlich wie ein kleiner Schock. Das Bild, das sie tags zuvor erworben hatte, es stand wieder da!

Marion wußte zunächst nicht, was sie davon halten sollte, fühlte dann aber maßlose Empörung in sich aufsteigen, denn ihr war die Idee gekommen, daß sie Opfer eines Komplotts geworden sein könnte. Ihre Vermutung sah sie noch dadurch bestätigt, daß das Bild in knallrotes Papier eingewickelt worden war, also deutlich erkannt werden konnte.

Sie vermutete, daß ihr jemand nachgegangen war, einen günstigen Moment abwartete, es an sich genommen und dem Maler zurückgebracht hatte. Diese Vorstellung verfestigte sich in Marion. Als die Frauen, mit denen der Mann im Gespräch gewesen war, sich entfernt hatten, postierte sie sich vor dem Künstler nach Art früherer Gendarmen, wies mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger auf das Bild mit dem entsprechenden Motiv und sagte: "Das Bild dort dürften Sie eigentlich nicht mehr haben, das wissen Sie, nicht wahr?"

Der ahnungslose Schöpfer des Bildes schaute Marion daraufhin leicht irritiert an. "Und warum, bitt' schön, dürft' ich es net mehr haben, gnä' Frau?"

"Weil Sie es mir gestern verkauften! Aber es wurde mir kurz darauf gestohlen und ist dann vermutlich zu Ihnen zurückgebracht worden. Jetzt steht es wieder hier, und Sie werden es erneut verkaufen. Ein leichtes Geschäft!"

Der Beschuldigte lächelte amüsiert. "Ist Ihnen net wohl, gnä' Frau? Vielleicht die Sonne?"

Diese Äußerungen brachten Marion zur Weißglut, aber sie versuchte, sich zu beherrschen. Äußerlich kühl fuhr sie fort: "Verdächtig kommt mir nachträglich auch das rote Papier vor, in das Sie das Bild einpackten. So war es leicht zu finden, wenn es abgestellt oder abgelegt wurde, nicht?"

Der Mann reagierte auf diese Anklage mit äußerst verächtlichem Blick und sagte jetzt: "Ihre Gedankengänge kommen mir erstaunlich professionell vor. Allmählich glaube ich, daß Sie selbst eine Betrügerin sind. Vielleicht behaupten Sie nur, daß Ihnen das Bild gestohlen wurde, um von mir kostenlos ein zweites als Ersatz zu ergaunern. Das wäre doch auch denkbar, oder?"

Dieses Ansinnen machte Marion vorübergehend sprachlos. Kurz darauf aber fuhr sie den Mann zornbebend an. "Das ist eine Unverschämtheit, die Sie sich da erlauben!" schrie sie lauthals.

"Genauso sehe ich das, was Sie sich herausnehmen, auch!" bekam sie zur Antwort. Daraufhin entfernte Marion sich kochend vor Wut von diesem Platz, den sie bis zu ihrer Abreise auch nicht mehr betrat.

Als sie sich etwas beruhigt hatte, fragte sie sich aber doch, ob ihr Vorgehen zu rechtfertigen gewesen war. Sie konnte schließlich nichts beweisen. Möglich war immerhin auch, daß er Bilder mit Kutschmotiven im Vorrat besaß. Das allerdings hatte sie bis zu diesem Augenblick gar nicht bedacht.

Sie ging in sich und dachte über sich nach. Immer noch trieben sie Impulse spontanen Aufbegehrens, daran hatte sich im Laufe ihres Lebens nichts geändert. In Gedanken hörte sie die Großmutter schimpfen und sagen: "Dieses rechthaberische Aufbrausen - von wem hast du das bloß?" Ja - von wem hatte sie das bloß? Wer kannte schon seine Urväter und wußte Genaueres über ihre Wesensart? Und - wo konnte sie überall herstammen? Auch bei den Ihren blieb das eine offene Frage. Aus allen Himmelsrichtungen hatten sich in Ostpreußen, dem Land, dem sie entstammte, nach der großen Entvölkerung durch die Pest (1710) Menschen angesiedelt. Und alle hatten sie ihre eigene Mentalität mitgebracht.

Salzburg: Zauberhafte Silhouette einer Stadt mit Flair und temperamentvollen Bewohnern Foto: Archiv


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