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22.05.04 / Raus "preußische Tugenden"

© Preußische Allgemeine Zeitung / 22. Mai 2004


Hans-Jürgen Mahlitz:
Raus "preußische Tugenden"

Vertrauen und Verantwortung - dieses Begriffspaar stellte Bundespräsident Johannes Rau in den Mittelpunkt der letzten "Berliner Rede" kurz vor dem Ende seiner fünfjährigen Amtszeit. Was er uns damit sagen wollte, verdeutlichte er mit Sätzen wie diesem: "Wahrhaftigkeit, Glaubwürdigkeit, aber auch Pflichtbewußtsein und Anstand sind Tugenden, auf die wir nicht verzichten können. Wir müssen darauf vertrauen können, daß jede und jeder da, wo sie Verantwortung tragen, ihre Pflicht tun, daß sie wahrhaftig sind und sich anständig verhalten."

Diesen Sätzen unseres Staatsoberhauptes ist ohne jede Einschränkung zuzustimmen. Sie entsprechen exakt dem, was an dieser Stelle schon oft artikuliert wurde. Gerade diese Zeitung hat es sich als zentrale Aufgabe gestellt, die überragende Bedeutung sogenannter preußischer Tugenden für den Fortbestand unseres Gemeinwesens wieder stärker im öffentlichen Bewußtsein zu verankern; Preußische Allgemeine Zeitung - der Name ist zugleich Programm.

Verantwortung für sich selbst, Verantwortung für andere, Verantwortung für unser Land, Anstand, Pflichtbewußtsein, aber auch Solidarität der Starken mit den Schwachen, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit - diese Begriffe finden wir in den Werken des großen Philosophen Immanuel Kant, in den Schriften der preußischen Reformer, in uns überlieferten Worten Friedrichs des Großen und Otto von Bismarcks. Zu Recht nannte man sie "preußische Tugenden"; sie - die "Idee Preußen" - waren das, was diesen Staat jahrhundertelang zusammengehalten hatte.

Nach Jahrzehnten der Verächtlichmachung und Verunglimpfung des Preußentums müssen wir es als äußerst wohltuend empfinden, wenn nun erstmals ein Bundespräsident eine bedeutende Rede hält, die ausschließlich das Anmahnen dieser Tugenden zum Inhalt hat. Auch wenn er sie (rheinische Vorbehalte?) nicht ausdrücklich "preußisch" nennt - sie sind "preußische Tugenden". Und da bislang kein Bundespräsident so geredet hat, freuen wir uns doch einfach und zitieren ein paar besonders beachtenswerte Sätze:

"Auch eine Nation braucht insgesamt ein positives Selbstverständnis und ein positives Verhältnis zu sich selber. Nur so kann sich ein Wir-Gefühl entwickeln, das die Grundlage jeder Nation ist. Neben den Erinnerungen an Niederlagen und an Versagen müssen auch Erinnerungen an Erfolge und Glück stehen." - "Der Staat, die Gesellschaft, das Land, das sind wir, das ist jeder einzelne. Das ist unsere gemeinsame Sache." - "Orientierung und Führung sind notwendig. Genauso notwendig aber ist es, auf die Menschen zu hören." - "Die Abgeordneten müssen mit ihrer Stimme die Richtung bestimmen und nicht bloß Beschlüsse von Kommissionen und Konsensrunden verabschieden. Dazu brauchen wir eine verständliche politische Sprache. Oft hören wir ja ein seltsames Gemisch aus Abkürzungen und Neubildungen, aus halb verdeutschtem Englisch oder aus absichtlicher Schwammigkeit." - "Das ist der einfachste Weg, Glaubwürdigkeit zu gewinnen, und der ist schwer genug: Sagen, was man tut, und tun, was man sagt."

Bei aller Zustimmung und aller Freude über diese wahren Worte: Am Ende müssen wir uns und dem Redner doch noch etwas Wasser in den Wein gießen. Warum eigentlich hat Johannes Rau diese Rede erst zum Ende seiner Amtszeit gehalten und nicht zum Beginn? Außerdem: Denkt man daran zurück, wie Rau regelrecht ins höchste Staatsamt abgeschoben wurde, um ihn als NRW-Ministerpräsident loszuwerden, oder auch an gewisse Ungereimtheiten beim Versuch, die West-LB-Flugaffäre aufzuklären, dann fällt einem eine Kantsche Grundweisheit ein: Über Tugenden - ob man sie nun "preußisch" nennt oder nicht - sollte man nicht nur reden, vor allem sollte man sie selber leben.


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