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22.05.04 / Auf geradem Weg / Zum Tode

© Preußische Allgemeine Zeitung / 22. Mai 2004


Auf geradem Weg
Zum Tode von Carl Gustaf Ströhm

Einen "möglichst geraden Weg gehen zu können" - so antwortete Carl Gustaf Ströhm einmal auf die Frage, was ihm besonders wichtig sei. Geographisch war sein Lebensweg zwar alles andere als gerade - ansonsten aber ist er sich stets treu geblieben. Sein durchaus gerader Lebensweg fand in diesen Tagen sein Ende; der baltisch-deutsche Journalist und Historiker ist im Alter von 74 Jahren verstorben.

Für mich ist die über 20 Jahre währende kollegiale, ja freundschaftliche Zusammenarbeit mit Ströhm mit vielen Erinnerungen verbunden: an die eher seltenen persönlichen Begegnungen, vor allem aber an die vielen langen Gespräche. Üblicherweise ging es dabei um die Themenabsprache für die nächste Ausgabe.

Natürlich konnte man ihm ein Thema in Auftrag geben; preußisch-korrekt erfüllte er den Auftrag (oder, in seltenen Fällen, auch nicht, weil er sich selbst nicht für den geeigneten Autor hielt). Reizvoller jedenfalls war es, im Gespräch mit ihm ein Thema gemeinsam zu erarbeiten. Meist brauchte man nicht lange zu warten, bis ein Stichwort fiel, zu dem ihm etwas einfiel. In aller Regel fiel ihm sehr viel ein in solchen Gesprächen; sie endeten mit dem Resümee: "Das war ja eigentlich schon der Artikel; nun brauchen Sie ihn nur noch zu schreiben!"

Was Ströhm in einem halben Jahrhundert journalistischen Wirkens schrieb, bedeutete für die Leser stets Gewinn. Er begnügte sich nicht damit, im Rankeschen Sinne zu berichten, was geschehen war. Er verstand es, seinem Publikum einen Blick hinter die Kulissen der Weltpolitik zu gewähren, aktuelle Ereignisse in historische und geopolitische Zusammenhänge einzuordnen.

Ströhm war Journalist aus Leidenschaft. Ideologische Engstirnigkeit aber war ihm fremd. Vor allem, wenn Ideologien zu blutrünstigen Totalitarismen gerannen, fühlte er sich persönlich herausgefordert und schrieb dagegen kämpferisch an. Dies war wohl auch eine fast zwangsläufige Konsequenz seines eigenen Lebensweges. Geboren als Sohn eines Baltendeutschen und einer Russin im estnischen Reval, das unter national- wie unter international-sozialistischem Unrecht zu leiden hatte, prägte der Verlust der Heimat sein ganzes Leben. Er studierte in Harvard, promovierte in Tübingen, bestand die erste journalistische Bewährungsprobe 1956 in Budapest. Als Leiter der Südosteuropa-Programme der Deutschen Welle (1966 bis 1972) und als Osteuropa-Korrespondent der Welt (1972 bis 1999) profilierte er sich als unermüdlicher und unerschrockener Vorkämpfer der Freiheit. Anfang der 90er Jahre, mit dem Zusammenbruch der kommunistischen Regime, konnte er sich von der Geschichte bestätigt sehen.

Gedankt wurde ihm sein Einsatz für Einheit und Frieden in Freiheit nicht immer und überall: Die Welt, längst nicht mehr im Geiste Axel Springers, hielt es schon in den 80er Jahren nicht mehr für nötig, ihren Korrespondenten vor Angriffen aus dem Zentrum der Macht (genauer: aus Kohls Kanzleramt in Bonn) zu schützen. Immerhin "durfte" er damals nebenher für das Deutschland-Magazin schreiben; aus diesen Tagen datiert unsere Zusammenarbeit.

Die Leser dieser Zeitung werden Carl Gustaf Ströhm als Autor exzellenter, zu eigenem Nachdenken anregender Beiträge in ehrender Erinnerung halten. Persönlich trauere ich um einen Kollegen, dem ich mancherlei geistige Bereicherung - auch über die Aufgeregtheiten der Tagesaktualität hinaus - verdanke. Hans-Jürgen Mahlitz


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