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22.05.04 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 22. Mai 2004


Nicht mal Dank! / Tun wir Gutes und belohnen uns dafür
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Gebildete Leute nennen so etwas den "Genius loci", den "Geist des Ortes", wenn ein bestimmter Platz in der Welt vollkommen unterschiedliche Menschen auf erstaunlich ähnliche Weise in seinen Bann zieht, ohne daß es dafür eine vernünftige Erklärung gäbe. Der Finanzminister logiert samt Gefolge seit dem Umzug nach Berlin im Gebäude des Reichsluftfahrtministeriums. Was Wunder also, daß Hans Eichel nun schon seit mehreren Jahren mit den Seinen permanent "Ball über den Wolken" feiert. Dabei trägt es die Festgesellschaft in immer höhere Lüfte - gemessen an der jeweiligen Falltiefe zu den halbjährlichen Steuerschätzungen.

Diesmal krachte die fröhliche Truppe in einen stattlichen 61-Milliarden-Berg und leidet seitdem unter leichtem Schock. Man hatte ja schon so eine Ahnung, daß die Landung recht rasant ablaufen würde, aber so schlimm ...

Schnell waren die Therapeuten zur Stelle, um den Gestrauchelten Mut zu machen. Der Schuldenberg sei im Grunde halb so gefährlich. Gut, der Bundesetat liege zum x-ten Male in qualmenden Trümmern, aber der Rauch wird sich irgendwie, irgendwann verziehen - und dann sehen wir mal.

Früher gingen wir viel lockerer mit solchen Abstürzen um. Helmut Schmidt meinte als Kanzler in den 70ern, fünf Prozent Inflation seien immer noch besser als fünf Prozent Arbeitslose. Zum Ende seiner Regentschaft konnte er sogar von beidem mehr als fünf Prozent vorweisen - noch richtige Männer damals.

Auch die Gewerkschaften trauten sich in den besseren Tagen ordentlich was, nahmen "einen kräftigen Schluck aus der Pulle" und machten sich davon gestärkt auf, die "Belastungsfähigkeit der Wirtschaft zu testen". Sehr bald erkannten Arbeitnehmerfunktionäre, Sozialde-mokraten und Grüne sogar die Gefahren, welche moderne Maschinen wie Computer für unsere Arbeitsplätze und unsere Umwelt darstellen. Seitdem hat sich Deutschland einen stattlichen Vorsprung im kritischen Bewußtsein hinsichtlich dieser gespentischen Technologien erworben, der kaum noch einzuholen ist.

Grund genug, sich bei Rot-Grün und DGB zu erkundigen, wie es weitergehen soll. Siehe da: Deren Visionäre haben uns wieder nicht enttäuscht und nach dem jüngsten Absturz aller Etatplanungen prompt den Weg in die Zukunft gewiesen, welcher folgendermaßen aussieht: Wir nehmen einen kräftigen Schluck aus der Pulle und investieren in die Forschung und in die Bildung der Kinder und Jugendlichen.

Endlich eine realistische Perspektive, das müssen sogar die notorischsten Querulanten einräumen. Denn gut ausgebildet müssen die Kinder von heute schon sein, wenn sie morgen einen Staat schmeißen sollen, dessen Steuereinnahmen mehr oder weniger komplett für die Zinsen alter Kredite draufgehen. Vom Schulgeld für die Kleinen über den privaten Sicherheitsdienst, der das Viertel nach Einsparung der Polizei bewacht bis zur Nachbarschaftsfeuerwehr und der Straßenflickfirma, welche die Zahl der Achsbrüche im Rahmen hält - all das will bezahlt werden, wenn das Staatssäckel leer ist. Nur gut ausgebildete Bürger werden sich das leisten können, weshalb Franz Müntefering ihnen jetzt (kostenpflichtig, denn sie werden das ja später abstottern müssen) die entsprechende Ausbildung ermöglichen will, damit ihnen später wenigstens das Existenzminimum bleibt. Wir wollen doch keine Hungerrevolten wie in Argentinien. Jedenfalls nicht so bald. Auch unsere heutigen Politiker werden ja immer älter und haben sich das Recht auf einen sorgenfreien Ruhestand redlich zugestanden.

Staat machen ist eben nicht leichter geworden. In der guten alten Zeit warf man einfach die Notenpresse an, wenn die Staatsschulden zu arg wurden. Auf diese Weise verschwanden die Defizite mitsamt dem Volksvermögen im großen Nichts, und am Ende war die Gleich-heit, von der die sozial Gerechten immer träumten, beinahe hergestellt. Zumindest den ständig meckernden Mittelstand war man nach solchen Aktionen erst mal los. Heute haben wir die Euro-Partner am Hals, von denen (abgesehen von unseren französischen Freunden) die allermeisten weder einen Eichel noch eine zeitgemäße Neuverschuldung oder ein Wirtschaftswachstum zwischen Null Komma dies und Null Komma das vorweisen können. Die werden einer Papiergeld-Konfettiparade kaum ihren Segen geben.

Doch nicht verzagen: Jetzt wollen sie es vielleicht noch nicht, aber immerhin ist die Euro-Zentralbank nicht die Bundesbank, die gar nicht mit sich reden ließ. Beim Euro dürfen wir auf die neuen EU-Mitglieder hoffen, die irgendwann zur Gemeinschaftswährung stoßen und Sitz und Stimme im EZB-Rat haben werden. Polen ist der größte und hoffnungsvollste Brocken. Da stimmen die Eckdaten: Die Arbeitslosigkeit ist in weiten Teilen noch beachtlicher als zwischen Werra und Oder, die Haushaltszahlen noch roter als die unseren, und seit dem Ende des Kommunismus hatten die Nachbarn schon zwölf verschiedene Regierungen. Die letzte hat zwei Wochen gehalten. Mit Polen im Euro stiege die Aussicht, bei der Lösung der Schuldenfrage einen Verbündeten zu finden für die Konfetti-Variante.

Aber dessen Beitritt zur Gemeinschaftswährung kann noch dauern. Gerade Neueinsteigern wird ja für ein Jahr lang die peinlich genaue Einhaltung der Maastrichter Stabilitätskriterien abverlangt. Für Warschau nicht zu schaffen im Moment. Es wird Geduld und Sachverstand erfordern, ein günstiges "Stichjahr" festzusetzen und dann Polens Haushalte per Hin- und Herschichten von Einnahmen und Ausgaben auf jenes Jahr hinzufrisieren. Expertenwissen, wie man das anstellt, ist im alten Euro-Land reichlich vorhanden.

Schöne Aussichten, doch leider Zukunftsmusik. Vorerst werden wir uns darauf beschränken müssen, den Nachwachsenden mit Müntefering zu erklären, wie gut ihnen unsere Schulden in ihrem späteren Leben tun werden. Denn, wie heißt es so schön: "Die werden alle einmal euch gehören, liebe Kinder!" Und wir wollen nicht mal Dank!

"Na und? Die erleichtern sich doch auch auf meine Kosten!" Zeichnung: Götz Wiedenroth


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