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05.06.04 / Ins Exil nach Charlottenburg / Schloß Bellevue: Die "Bruchbude" soll wieder glänzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 05. Juni 2004


Ins Exil nach Charlottenburg
Schloß Bellevue: Die "Bruchbude" soll wieder glänzen
von Thorsten Hinz

Der Amtssitz des Bundespräsidenten, das Schloß Bellevue im Tiergarten, bleibt bis September 2005 wegen Sanierung geschlossen. Bis dahin bittet der Staatschef zu größeren Empfängen ins Schloß Charlottenburg. Allein seine täglichen Amtsgeschäfte wird Horst Köhler im Präsidialamt neben dem Bellevue, dem "Präsidenten-Ei", erledigen.

Die Sanierung des Schlosses soll zwölf Millionen Euro kosten. Vor allem die Haustechnik muß erneuert werden. Es soll nicht noch einmal passieren, daß - wie bei Johannes Rau geschehen - während eines Staatsempfangs der Strom ausfällt. Schon Raus Vorgänger Herzog hatte sich über die "Bruchbude" beschwert. Zunächst sollte der Amtssitz für die Zeit der Sanierung ins Schloß Schönhausen in Pankow verlegt werden. Dort hatte Elisabeth Christine, die unglückliche Ehefrau Friedrichs des Großen, gelebt. Von 1949 bis 1960 war hier der Sitz des Staatspräsidenten der DDR, Wilhelm Pieck. Dann logierten dort DDR-Staatsgäste. Doch Berichte über Giftstoffe im Gebälk machten den Plänen ein Ende. Die Herrichtung des Kronprinzenpalais Unter den Linden, die ebenfalls erwogen worden war, hätte zu viel Geld verschlungen.

Die dreiflügelige Anlage des Bellevue war für Prinz August Ferdinand von Preußen, den jüngsten Bruder Friedrichs des Großen, als klassizistisches Schloß errichtet worden. 1934 wurde das Bellevue Museum für Deutsche Volkskunde, 1938 wurde es zum Reichsgästehaus umgebaut. Zu den Gästen, die hier logierten, gehörte der sowjetische Außenminister Molotow bei seinem Berlin-Besuch im November 1940.

Nach starken Kriegszerstörungen wurde Schloß Bellevue von 1954 bis 1959 als Berliner Amtssitz des Bundespräsidenten wieder aufgebaut. Das Interieur erinnert teilweise noch heute an den Geschmack der 50er Jahre, trotz der Umgestaltung im Stil des gemäßigten Klassizismus, die Richard von Weizsäcker in den 80ern veranlaßt hatte. Weizsäcker bestimmte das Schloß 1993 zum offiziellen Amtssitz, nachdem seinem Wunsch, in das Kronprinzenpalais Unter den Linden einzuziehen, aus Gründen der Stadtplanung nicht entsprochen wurde.

Im Erdgeschoß befinden sich die Arbeitszimmer des Präsidenten, seines Staatssekretärs und des Pressereferenten, außerdem ein Eßzimmer, eine Galerie und mehrere Garde- roberäume. Im Obergeschoß liegen der Große Saal, mehrere Salons und der Langhans-Saal, der einzige Raum, der noch in historischer Form erhalten ist. In den nördlichen und südlichen Seitenflügeln befinden sich unter anderem Büros und Besprechungsräume. Im Südflügel war auch eine Präsidentenwohnung untergebracht. Ihr einziger ständiger Bewohner war Altbundespräsident Roman Herzog, der sie aber zu klein und zu wenig repräsentativ fand. Sein Vorschlag, im Park einen Bungalow zu bauen, wurde nach Protesten von Umweltschützern schnell verworfen.

Johannes Rau hatte auf die Wohnung verzichtet, weil seine drei Kinder nicht in einem Schloß aufwachsen sollten. Die Wohnung wurde als Büro für Christina Rau und ihre Mitarbeiter genutzt. Sie soll mit dem Umbau ganz wegfallen, dafür wird ein zusätzlicher Speisesaal eingerichtet.

Rau bewohnt eine repräsentative Villa in der Miquelstraße in Dahlem, die eigentlich als Dienstwohnung des Bundestagspräsidenten vorgesehen war. Doch Wolfgang Thierse (SPD) blieb lieber in seiner Altbauwohnung in Prenzlauer Berg. Weil man damit rechnet, daß 2006 ein neuer Bundestagspräsident gewählt wird, der die Villa beanspruchen könnte, wird Horst Köhler entweder in die Dienstvilla des Bundeskanzlers in der Pücklerstraße (für Gerhard Schröder stehen im obersten Stockwerk des Kanzleramtes Privaträume zur Verfügung) oder ins Gästehaus des Auswärtigen Amtes ziehen.

Zweihundert Meter vom Bellevue entfernt wurde von 1996 bis 1998 das Bundespräsidialamt errichtet, das 150 Mitarbeitern Platz bietet. Das elliptische Gebäude (deshalb der Name "Präsidenten-Ei") respektiert in Ausmaß und Traufhöhe den Vorrang des Präsidentenschlosses. Es wurde mit dunklem, edlem Stein verkleidet. Seine erhabene Wirkung wird durch seine Fähigkeit, den ständigen Wechsel des Lichts zu reflektieren, gemildert. Die elliptische Form zitiert das Oval des historischen Tanzsaales, der 1791 von Carl Gotthard Langhans im Schloß Bellevue errichtet worden war, zeichnet aber auch die Planetenbewegung um die Sonne nach.

 

Beim großen Staatsempfang stand er mit seinen Gästen plötzlich im Dunkeln - Stromausfall: Mit dem Abschied von Hausherr Johannes Rau macht auch sein Amtssitz erst einmal Pause bis September 2005. Das Bellevue hat es nötig. Foto: PA


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