Auch in den Chefetagen der Wursthersteller möchte man etwas zum Festakt aus Anlaß des 750. Geburtstags der Stadt Königsberg beitragen. Die Wurstindustrie möchte mit einer 750 Meter langen Wurst ins Guinnessbuch der Rekorde aufgenommen werden. Dieser Idee geht ein alter Königsberger Brauch voraus. Es handelt sich um den Neujahrsumzug der Fleischer mit einer überdimensionalen Wurst. Es war ein sorgsam gepflegter Brauch und ein Vergnügen für die ganze Bürgerschaft. In unregelmäßigen Abständen wurde das Fest der Langen Wurst in der Geschichte Königsbergs insgesamt achtmal begangen, wobei der Umzug von 1601 wohl am glanzvollsten war. Die lange Wurst wurde von drei Kochmeistern und 87 Kochgesellen zubereitet. Damals waren 103 Fleischergesellen notwendig, um die 1.005 Ellen (670,30 Meter) lange Wurst mit einem Gewicht von 885 Pfund durch die Straßen von Altstadt, Löbenicht und Kneiphof zu tragen. Der Umzug ging von der Fleischerherberge zum Schloß, wo man als Schmeckprobe 130 Ellen ablieferte, den Rest erhielten nach alter Sitte die Bäcker, die sich dafür bei ihrem Umzug am Dreikönigstag (6. Januar) mit acht riesigen Striezeln von je fünf Ellen (über drei Meter) Länge und sechs großen Kringeln revanchierten. Ein großer Teil der Wurst wurde unterwegs an Kinder und Schaulustige verschenkt.

Nachdem die Idee, diesen Brauch neu aufleben zu lassen, geboren war, mußten die Initiatoren sich zunächst auf die Suche nach dem verschollen geglaubten Rezept machen. Schließlich gelang es dem bekannten Heimatforscher Awenir Owsjanow, das Rezept in einer Stadtchronik wiederzufinden. Demnach werden 81 Schweineschinken benötigt sowie möglichst viele Därme für die Wursthülle, 18 Pfund Pfeffer und andere Gewürze. Das fertige Fleischgemisch soll nicht hart sein, sondern eher weich bis locker.

Nun, wo das Wurstrezept gefunden ist, stehen die Wurstfabrikanten im Königsberger Gebiet vor einem anderen praktischen Problem: Ihre Öfen sind zu klein. Wie der Direktor der Fleischerei in Neukuhren gegenüber dem Königsberger Expreß erklärte, sei das Befüllen einer beliebig langen Wursthülle an sich kein Problem. Jedoch sei das Fassungsvermögen des Ofens auf sechs Meter Länge begrenzt. Auch bei der Berechnung des Gewichts der Wurst kommen die heutigen Wursthersteller zu einem anderen Ergebnis. Nach ihrer Berechnung wiegt ein Meter Wurst sechs Kilo, 500 Meter würden demnach drei Tonnen wiegen.

Vielleicht gibt es irgendwo in den noch erhaltenen Stadtchroniken ja auch Hinweise darauf, wie die alten Königsberger damals ihre Rekordwurst fertiggestellt haben. Wenn es 1601 schon gelang, eine 670 Meter lange Wurst herzustellen, dürften 750 Meter mit den heutigen technischen Hilfsmitteln eigentlich kein Problem sein. M. Rosenthal-Kappi