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26.06.04 / Von wegen auf "eigenen Beinen stehen" / Spanier über Äußerungen des EU-Kommissars für Regionalpolitik entrüstet

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. Juni 2004


Von wegen auf "eigenen Beinen stehen"
Spanier über Äußerungen des EU-Kommissars für Regionalpolitik entrüstet

Das neue Europa schließt den Geldhahn", war zur EU-Osterweiterung in Spaniens Zeitungen zu lesen. Denn was für die zehn neuen Länder eine große Chance bedeutet, ist für das Empfängerland Spanien finanziell gesehen ein herber Rückschlag. Fast 20 Jahre lang nutzte Spanien die europäischen Gelder, um eine dem europäischen Standard entsprechende Infrastruktur, neue Arbeitsplätze und eine wettbewerbsfähigere Wirtschaft zu schaffen. Diese hochtrabenden Ziele sind Spanien nur zum Teil gelungen. Zwar ist das Wirtschaftswachstum beeindruckend, jedoch ist der Wohlstand des Landes nicht nur an einer hohen Wachstumsrate zu messen. Noch immer ist die Halbinsel eines der Schlußlichter Europas. Trotz der erhaltenen Hilfen erreichte Spaniens BIP im Jahre 2002 nur 75 Prozent des EU-Durchschnitts, auch die hohe Arbeitslosigkeit und das Lohnniveau erreichten nicht den europäischen Standard. Um diese Unterschiede auszugleichen, wurde es seit dem EU-Beitritt 1986 stark gefördert. Zum einen durch den Kohäsionsfonds, der dem ganzen Land zugute kam, zum anderen durch die Strukturfonds, die direkt die schwachen Regionen unterstützten. Diese richten sich an diejenigen Provinzen, deren BIP unter 75 Prozent des EU-Durchschnitts liegt. Dieser Wert ist nun mit dem Eintritt von zehn wirtschaftlich schwachen Ländern kleiner, und viele von den ehemals förderungswürdigen, den sogenannten Ziel-1-Regionen, werden nur durch eine statistische Verschiebung bessergestellt, obwohl sie keine wirtschaftliche Besserung erlebt haben. Gerade Spanien, das mit großen regionalen Unterschieden zu kämpfen hat, wird davon stark betroffen sein. Noch vor dem 1. Mai 2004 gehörten neun von 15 Regionen zu den Ziel-1-Gebieten. Jetzt sind es nur noch vier. Auch der Kohäsionsfonds wird Spanien nicht mehr zugute kommen. Spaniens ehemaliger Ministerpräsident Aznar hat zwar eine dreijährige Galgenfrist für sein Land durchsetzen können, aber danach werden ungefähr 30 Prozent der Gelder, die gezahlt wurden, an die neuen Mitglieder fließen, darunter hauptsächlich an Polen.

Michel Barnier, der EU-Kommissar für Regionalpolitik, ist der Meinung, daß der Wegfall von finanzieller Unterstützung Spanien mit Stolz erfüllen solle, denn dies sei ein sicheres Zeichen dafür, daß es auf eigenen Beinen stehen könne. Die Spanier sind jedoch eher über das Ausmaß an Kürzungen erschrocken. Viele Bereiche in den schwachen Regionen, die von den EU-Subventionen bislang profitierten, werden es von nun an schwieriger haben. Aber nicht nur der Wegfall finanzieller Unterstützung wird problematisch gesehen. Es besteht vielmehr die Befürchtung, daß Spaniens Wirtschaft aus dem Gleichgewicht gebracht werden könnte und viele Investitionen nicht mehr dort, sondern in den neuen Mitgliedsländern getätigt werden. So sollen die bereitgestellten Subventionen die Investoren gen Osten locken, um nun dort die wirtschaftliche Situation zu verbessern und irgendwann dem "alten" Europa anzugleichen. A. Gaul


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