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26.06.04 / Linke im Aufwind / Frankreichs Sozialistische Partei und Trotzkisten üben über die Gewerkschaften Macht aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. Juni 2004


Linke im Aufwind
Frankreichs Sozialistische Partei und Trotzkisten üben über die Gewerkschaften Macht aus

Im Gegensatz zu den deutschen Grünen, die bei der Europawahl am 13. Juni gut abgeschnitten haben, hatten ihre französischen Parteifreunde einen beträchtlichen Stimmenrückgang zu verbuchen, mit der Folge, daß im linken Lager Frankreichs die Sozialistische Partei (PS) über ein Übergewicht verfügt. Obwohl überall in Europa die Regierungsparteien eine Wahlschlappe erlitten und in Frankreich nur 40 Prozent der Wahlberechtigten ihre Meinung ausgedrückt haben, wird dieses Ergebnis (die Sozialisten kamen auf rund 29 Prozent der Stimmen gegen 17 Prozent für die Regierungspartei) die Sozialisten dazu ermutigen, ihren Druck auf das Kabinett von Jean-Pierre Raffarin zu verstärken und die Debatten in der Nationalversammlung über die notwendigen Sozialreformen noch stürmischer zu gestalten. Bei ihrer Guerilla gegen die Regierung wird die PS auf die Hilfeleistung der "Union pour la Démocratie Française", der Zentristen unter François Bayrou, rechnen können, die an der Seine als die eigentlichen Sieger der Europawahl gelten.

Obwohl die Taktik und die Strategie der PS noch als sehr verschwommen erscheinen, ist zu vermuten, daß ihr Generalsekretär Fran-çois Hollande ein Bündnis mit den Zentristen anstreben wird. Die Tatsache, daß die französischen Zentristen im Europaparlament eine Zusammenarbeit mit den links-

liberalen italienischen Abgeordneten des scheidenden Kommissionspräsidenten Romano Prodi erstreben, könnte der PS dabei helfen, in der Pariser Nationalversammlung nach 2007 eine europafreundliche, ganz im Sinne der Anhänger Jacques Delors' stehende Parlamentsmehrheit zu bilden. Gegenwärtig bleibt die französische Politikszene allerdings noch ziemlich konfus, denn für die nächsten drei Jahre sind keine Neuwahlen geplant. Die Zeit will die Regierung nutzen, bis Ende dieses Jahres alle Reformen unter Dach und Fach zu bringen, in der Hoffnung, damit die Wähler wieder für sich zu gewinnen. Die Sozialisten werden auf jeden Fall ihren Kandidaten für die Präsidentschaftswahl erst Ende 2006 küren.

Viel mehr als von dem Streiten in der Nationalversammlung, wo die Anhänger Jacques Chiracs gegenwärtig über ein überwältigende Mehrheit verfügen, ist der Durchschnittsfranzose von den Folgen der gegen die Regierung gerichteten Zermürbungstaktik der Gewerkschaften, besonders der kommunistischen "Confédération générale du Travail" (CGT) betroffen. Obwohl die französischen Kommunisten bei der letzten Europawahl nur 5,25 Prozent der Stimmen, gar nur 2,17 Prozent der Wahlberechtigten erhielten, üben sie über ihre Gewerkschaften noch maßgeblichen Einfluß auf ganze Sparten des Wirtschaftslebens aus, insbesondere auf staatliche Sektoren wie die Eisenbahnen oder den Energiebereich. Die CGT blockiert derzeit jegliche Sozialreform und findet dabei ein positives Echo in den Medien, die wie in Deutschland von 68ern beeinflußt werden und oft von Trotzkisten geleitet werden. Parlamentarisch spielen die Trotzkisten keine bedeutsame Rolle, scheinen aber die Gewerkschaft "Force Ouvrière", die bei den Staatsdienern federführend ist, inzwischen unterwandert zu haben.

Allem Anschein nach hat Regierungschef Raffarin nicht unrecht, wenn er von einer gegen ihn gerichteten Hetzjagd unter der Leitung von linken Journalisten spricht, die gern vergessen oder unterschlagen, daß die vorher die Regierung stellenden Sozialisten unter Lionel Jospin die Reformen nur zurückgestellt haben, um die Wähler bei den Präsidentschaftswahlen 2002 für sich zu gewinnen. Insofern ist zu vermuten, daß Chirac zumindest vorerst nicht an eine Entlassung Raffarins denkt.

Die einzige Sorge des Staatsoberhaupts und der Strategen des Elysée-Palasts scheinen die ehrgeizigen Pläne des rätselhaften Wirtschafts- und Finanzministers Nicolas Sarkozy zu sein. Nächsten Herbst könnte Sarkozy zum Vorsitzenden der Regierungspartei gewählt werden, was ihm den Weg zu einer Bewerbung zum höchsten Amt in der Fünften Republik ebnen würde. Für seine Nachfolge zieht der Präsident dem Superminister den Innenminister Villepin oder den Außenminister Barnier allem Anschein nach vor. P. Campguilhem


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