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03.07.04 / Entführung aus dem Hier und Jetzt / Mozartfestspiele zogen Besucher in ihren Bann

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Juli 2004


Entführung aus dem Hier und Jetzt
Mozartfestspiele zogen Besucher in ihren Bann
von Werner Dremel

Und wieder strahlen die Residenz, der Hofgarten, der Park von Veitshöchheim im hellen Sonnenlicht am hitzeschweren Nachmittag und im geheimnisvollen Kerzenlicht am Abend. Töne versetzen uns in andere Zeiten und andere Welten. Und in den Pausen verströmen im Hofgarten hinter der Residenz Aberhunderte von Rosen, dominiert von der Königin dieser Blumen, der Gloria Dei, ihren betörenden Duft. Das Lebensgefühl der Epoche zwischen 1700 und 1800, die man in Frankreich die "galante Zeit" nennt, ist hier atmosphärisch dicht geworden - Eleganz, Gelassenheit, Leichtigkeit des Seins, bei gleichzeitiger Formenstrenge und großem Taktgefühl!

Und in der Residenz ist die Atmosphäre ebenfalls zu spüren: Verkündet Balthasar Neumanns Riesenbau, bei aller gegliederten Schönheit, für alle sichtbare Macht, so ist sein Zentrum reinste Pracht. Der Kaisersaal hat sie alle überwältigt, den Kaiser Europas, Napoleon Bonaparte, und den Festbesucher von heute. Hier finden die Höhepunkte des Mozartfests statt. In diesem Jahr stand es unter dem Motto "Mozart auf Reisen". Er reiste bekanntlich viel, in Österreich, nach Paris, Prag, Italien - daher auch Titel wie Linzer, Pariser, Prager Sinfonie. Als vier-, fünfjähriger Klaviervirtuose saß er auf dem Schoß von Maria Theresia, die ihn herzte, und von Madame Pompadour, die seinen Kuß zurückwies.

Wir hörten dies und viel mehr bei einem reizenden Teekonzert am Sonntag nachmittag im Gartensaal der Residenz, bei Kaffee und Kuchen. Cornelia Boese las aus ihrem eigenen Büchlein "Gaulimauli" (mit bezaubernden Scherenschnitten) witzige Geschichtchen in Reimform mit und zu Mozart. Wir erfuhren von Mozarts unbändiger Lust, zu fabulieren und groteske Verschlüsselungen von Botschaften an seine Freunde zu schicken und Namen zu erfinden, teils zum reinen Spaß, teils um sie vor staatlicher und kirchlicher Schnüffelei zu schützen; daß Mozart großen Spaß an Zwei- und Eindeutigkeiten hatte, ist ja hinreichend bekannt! Dazu spielte das Bläsertrio "Spieltrieb" - ein Fagott und zwei Klarinetten - virtuos Divertimenti, Ouvertüren und bekannte Melodien aus der "Zauberflöte" und der "Hochzeit des Figaro", aus "Cosi fan tutte" und "Don Giovanni". Eine bezaubernde Veranstaltung der "kleinen Form" wurde da geboten, ganz wie sie zu Mo-zarts Zeit gang und gäbe war, bei der viel geschmunzelt und geklatscht wurde.

Dann aber stand die große Form der Sinfonie und des Instrumentalkonzerts im Mittelpunkt: die Bamberger Symphoniker sind als Interpreten der Wiener Klassik, von Mozart und Haydn, Schubert und Beethoven, hochangesehen. Der bekannte Pianist Christian Zacharias spielte und dirigierte, wie es seinerzeit üblich war. Nach den Variationen eines Stückes von Gluck ("Unser dummer Pöbel meint") spielte er das Klavierkonzert Nr. 9 in Es-Dur, "Jeunehomme", eines der vier, fünf herausragenden Konzerte Mozarts für dieses Instrument. Es ist voller markanter Themen, überraschender Einfälle und virtuoser Passagen - jeder Satz hat eine eigene Kadenz! Zacharias spielt "comme il faut", er vermeidet Überinterpretation und bleibt distanziert - für die Musik Mozarts sehr wichtig und sehr schwierig!

Unter allen großen Komponisten haben Mozart und Haydn die meisten Sinfonien komponiert - so schrieb Mozart über 40 und Haydn sogar gegen 100. Da ist es nur zu selbstverständlich, daß es grandiose und weniger grandiose Werke darunter gibt. Haydns Sinfonie Nr. 86 in D-Dur gehört zum Zyklus der sechs "Pariser Sinfonien". Es ist ein zurückhaltendes, dabei festliches Werk, voll Spannung, mit starkem Ausdruck und spritzigem Finale - sicher eines seiner bedeutenden Werke.

Dies ist nur ein ganz kleiner Ausschnitt aus dem sehr umfang-reichen Programm, der hier beschrieben werden konnte. Sinfonien und Instrumentalkonzerte - für Klavier, Geige, Bläser aller Art; Kammermusik - Streichquartette, Trios und Soloinstrumente, Divertimenti und Serenaden; Vokalmusik - Kirchen- und Opernarien, und Lesungen über Mozarts Werk und Leben - es ist nichts ausgelassen, was ein gelungenes Mozartfest ausmacht.

Die Interpreten kamen aus Deutschland und Österreich, aus Belgien und Tschechien, aus Frankreich, Italien und Skandinavien - Europa war zu Gast in Würzburg, wie sich das für ein Festival empfiehlt. Und nächstes Jahr, vom 3. Juni bis 3. Juli, lautet das Motto des Festes "Mozart und die Moderne". Man darf gespannt sein, was sich die Veranstalter dazu einfallen lassen.

Klassik in historischem Ambiente: Die Würzburger Philharmoniker vor dem Festspielort Foto: Mozartfestspiele


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