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10.07.04 / Ein Passagierdampfer mit Flügeln hebt ab / Vor 75 Jahren unternahm die Dornier Do X als weltweit erstes Flugschiff ihren Jungfernflug

© Preußische Allgemeine Zeitung / 10. Juli 2004


Ein Passagierdampfer mit Flügeln hebt ab
Vor 75 Jahren unternahm die Dornier Do X als weltweit erstes Flugschiff ihren Jungfernflug
von Manuel Ruoff

Seit seiner Zeit bei der Luftschiffbau Zeppelin GmbH in Friedrichshafen interessierte sich der am 14. Mai 1884 in Kempten im Allgäu geborene deutsche Flugzeugkonstrukteur Claude Dornier für (große) Flugboote. So entwickelte er nach der Gründung seiner eigenen Flugzeugwerft in Friedrichshafen die "Libelle", die Do E, den "Wal" und den "Superwal". Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg war der deutsche Flugzeugbau als Folge von Versailles allerdings starken Restriktionen unterworfen.

Anders als nach dem Zweiten Weltkrieg blieb Deutschland jedoch souverän und den Deutschen eine Reeducation erspart. Während man sich in der Bundesrepublik - wie weiland in der DDR - darauf konzentriert, die Bürger mit dem Verdikt der Sieger zu versöhnen, wurden seitens des Reiches nennenswerte Anstrengungen unternommen, dieses nicht nur zu revidieren, sondern auch zu umgehen. So kam es 1925 zu einer Unterredung Dorniers mit dem damaligen Präsidenten des Reichsverbandes der Deutschen Luftfahrtindustrie, Admiral Rudolf Lahs, in dessen Berliner Büro, an dem auch ein rätselhafter Mann teilnahm, "dem man", so Dornier über den ihm Unbekannten, "den Marinemann auf den ersten Blick ansah".

Dornier schreibt später über diese Begegnung: "Lahs stellte mich vor. Er sprach den Namen des Herrn so undeutlich aus, daß ich denselben nicht verstehen konnte. Ich nenne ihn den ,Unbekannten'. Er beteiligte sich sofort an unserem Gespräch. ,Na, Herr Dornier', sagte er, ,wie viele Millionen brauchen Sie denn, um uns ein großes, schönes Schiff zu bauen?' Ich konnte diese Frage natürlich nicht aus dem Stegreif beantworten und meinte nur, daß es viel Geld und Zeit erfordern würde, um eine derartige Aufgabe zu bewältigen. ,Das Geld ist da', antwortete er. ,Aber hätten Sie den Mut, sich an die große Aufgabe zu wagen?' Ich antwortete ihm, daß ich mir keine schönere Aufgabe vorstellen könnte und auch des Glaubens wäre, dieselbe zu bewältigen. Mit dem Geld alleine wäre es aber nicht getan. Ich würde dazu auch noch Vertrauen und Zeit brauchen. ,Das sollen Sie beides bekommen', meinte der Unbekannte. Ich kam mir vor wie Hans im Glück. Es schwindelte mir etwas vor den kommenden Aufgaben, aber ich zweifelte keinen Augenblick daran, daß ich mit denselben fertig werden würde. ,Jetzt trinken wir einen Schnaps auf das Gedeihen des Flugschiffes', schlug Lahs vor und ließ Gläser bringen. Wir tranken und stießen an: ,Auf das Gedeihen des Flugschiffes Do X.' Der Unbekannte schüttelte mir die Hand und empfahl sich. Ich habe ihn nie wieder gesehen. Lahs überhörte meine Frage, woher das Geld käme. ,Sie werden mit dem Verkehrsministerium einen Vertrag machen und von dieser Stelle aus fließt Ihnen das Geld zu. Fragen Sie nicht weiter.'"

Im Frühjahr des darauffolgenden Kalenderjahres wurde damit begonnen, auf einem Gelände bei Altenrhein am schweizerischen Ufer des Bodensees extra für die Do X eine Montagehalle samt Ablaufbahn zum See zu errichten. Als erstes wurde hier ein Holzmodell im Maßstab eins zu eins erstellt. Diese Arbeiten konnten im Juli 1927 abgeschlossen werden. Zwei Jahre später war auch die Metallversion, sprich das Flugschiff selber, fertiggestellt.

Am 12. Juli 1929 wurde das Flugschiff zu Wasser gelassen und es erfolgten die ersten Probeflüge. Vor den Flugeigenschaften in der Luft sollten jedoch die sogenannten Rolleigenschaften auf dem Wasser getestet werden. Als einer der insgesamt zwölf Motoren stehenblieb, gab der Pilot den anderen Vollgas, in der Hoffnung, daß der Luftstrom das Wiederanspringen erleichtern würde. Da die beiden Geschwindigkeitsmesser nicht funktionierten, wurde der Flugzeugführer nicht gewahr, daß die Maschine dabei Fluggeschwindigkeit erreichte, und ehe er sich versah, hob sie um 9.35 Uhr ab zu einem Kurzflug in etwa drei Meter Höhe. Weitere derartige Kurzflüge beziehungsweise Sprünge folgten um 9.41 Uhr und 9.43 Uhr. Um 9.50 Uhr wurden die Motoren abgestellt und anschließend das Flugschiff zu einer Boje geschleppt, an der es um 10.10 Uhr festgemacht wurde.

Diese ersten Testflüge hinterließen zufriedene Gesichter, und so wurde schon bald die Do X, unter anderem auch mit einer Erinnerungsmedaille, als "Triumph deutscher Technik" gefeiert. In wirtschaftlicher Hinsicht erwies sich das Flugschiff jedoch als weniger erfolgreich. Die Reichs- beziehungsweise Kriegsmarine verzichtete auf eine Anschaffung als "Fernaufklärer, Minenleger und Torpedoflugzeug". Auch unter den zivilen Luftfahrtgesellschaften fand Dornier keine Kunden. Der hohe Treibstoffverbrauch in Verbindung mit der Weltwirtschaftskrise, ließ so manchen potentiellen Kunden von einem Kauf Abstand nehmen. Nur das Königreich Italien gab zwei weitere Exemplare in Auftrag, die "Umberto Maddalena" und die "Alessandro Guidoni". Diese beiden mit Fiat-Motoren ausgestatteten Maschinen sind noch vor Kriegsende verschrottet worden.

Die erste, deutsche Do X wurde noch im Jahre ihres Erstfluges, am 21. Oktober 1929, zu einem Weltrekordflug mit 169 Personen genutzt sowie später zu ähnlich aufsehenerregenden Werbeflügen durch Deutschland und Europa sowie nach Afrika und Amerika, die auch der Erprobung dienten. Sein letzter Flug führte das Flugschiff 1934 zum Müggelsee bei Berlin, von wo aus es im demontierten Zustand zur Deutschen Luftfahrtsammlung am Lehrter Bahnhof gebracht wurde, wo es wieder zusammengesetzt fortan die Hauptattraktion des Museums darstellte.

Im und nach dem Zweiten Weltkrieg erlitt das Gefährt ein ähnliches Schicksal wie die Quadriga. Im Kriege schwer beschädigt, wurde sie in der Nachkriegszeit zerstört und vernichtet. War im Falle von Johann Gottfried Schadows Werk mit der DDR der Staat der Täter, so waren es im Falle von Claude Dorniers Werk Schrotthändler und Souvenirjäger. Anders als für der Quadriga blieb der Do X jedoch ein Happy-End in Form einer Neukonstruktion (bisher) versagt.

Dornier Do X: Das hier noch jungfräulich ohne Beschriftung und Kennung zu sehende erste Großraumflugzeug der Welt hatte eine Spannweite von 48 Metern, eine Länge von 40,9 Metern, eine Höhe von 10,1 Metern und eine Reisegeschwindigkeit von 175 Stundenkilometern. Foto: Archiv


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