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17.07.04 / Reise-Mekka der Jugend / Immer mehr ausländische Touristen nach Berlin: 2004 neuer Rekord 

© Preußische Allgemeine Zeitung / 17. Juli 2004


Reise-Mekka der Jugend
Immer mehr ausländische Touristen nach Berlin: 2004 neuer Rekord 
von Hans Heckel

Triste Hinterhöfe, Rekordarbeitslosigkeit, Staatsfinanzen, die jeden Haushaltspolitiker zum Weglaufen animieren sollten - und mittendrin ein rot-roter Senat, dem die Geschicke der Stadt längst entglitten sind. Den Deutschen erscheint Berlin, dem nach dem Mauerfall eine goldene Zukunft prophezeit worden war, als Faß ohne Boden und, schlimmer, als Menetekel: Die Hauptstadt hat offenbar nur schon hinter sich, was dem ganzen Land noch bevorsteht. Den Staatsbankrott, die Ent-Industrialisierung und den Zerfall in lauter Ghettos, in denen Menschen aller Herren Länder teilnahms- und perspektivlos neben einanderher hausen.

Nur eine Zahl paßt so gar nicht in das einheitsgraue Bild der gescheiterten Wiedergeburt einer europäischen Metropole. Der Berlin-Tourismus boomt. In den ersten drei Monaten dieses Jahres zählten die Beherbergungsbetriebe mit zehn und mehr Betten (die kleineren werden statistisch nicht erfaßt) fast 2,4 Millionen Übernachtungen. Das sind über 15 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Erstaunlicher noch: Über 700.000mal übernachteten Gäste aus dem Ausland, was einen Zuwachs von fast 20 Prozent bedeutet. Rekord aller deutschen Länder.

Gerade junge Menschen entdecken rund um den Erdball Berlin als ihr neues Reise-Mekka. Jahrelang war die "Love-Parade", ein wildes Hops- und Lärmspektakel, Magnet für die vergnügungssüchtige Jugend der Welt. Dieses Jahr fiel die Riesenfete erstmals seit 1989, als sie als kleiner, skurriler Umzug einer Handvoll Szenegänger begann, deren Besucherzahlen zur Hochzeit indes auf über eine Million angeschwollen war, einfach aus. Veranstalter und Stadt konnten sich nicht einigen, wer die Reinigung von Straßen, Plätzen und dem Tiergarten bezahlen sollte.

Befürchtungen wurden nach der Absage laut, Berlins Jugendtourismus könnte einen Einbruch davontragen, wenn der bunte Rummel ausfalle. Nach ersten Einschätzungen aus der Tourismusbranche jedoch setzt sich der Positivtrend des ersten Quartals auch ohne "Love-Parade" im Sommer fort.

Längst sind es also nicht mehr allein die spektakulären Großereignisse, welche die Touristenströme in die deutsche Hauptstadt locken. Die Welt am Sonntag zitiert die britische Times, die die neue Anziehungskraft der Stadt euphorisch auf den Nenner bringt: "Berlin verfügt über eine spannende Kombination aus reizvoller Natur, Geschichte und Weltgewandheit." Gerade die Geschichte präsentiert sich in Berlin nicht als überbordende Flut von Heldendenkmälern und Palästen, mit deren Hilfe sich andere Regierungssitze ein funkelndes Bild ihrer Vergangenheit verpaßt haben. Berlin hat die Geschichte derart tiefe Furchen verpaßt, daß sie allerorten zu greifen ist. Die Brüche und Verwerfungen spiegeln sich in jeder Straße, weshalb "gebaute" Erinnerung à la Holocaust-Mahnmal gerade hier so besonders überflüssig, ja peinlich erscheinen muß.

Das auf den ersten Blick geborstene, nicht selten abgrundtief häßliche Antlitz der deutschen Hauptstadt gibt ihr daher etwas unvergleichlich Authentisches. Auch keine der funkelnden Neubaufassaden vermag die Stürme wirklich zu verbergen, die über diese Stadt gefegt sind. Berlin ist - dem Untergang offensichtlich nur knapp entronnen - eine Stadt auf der Suche, eine unfertige Stadt, die ihre Unvollkommenheit frech und selbstbewußt zur Schau stellt. Die Dinge sind hier dermaßen durcheinander, daß sie ewige Bewegung verheißen - das kommt an, gerade bei den Jüngeren. Ihnen kommt zudem entgegen, daß Berlin im Vergleich zu anderen europäischen Hauptstädten unschlagbar preisgünstig ist. Daran hat auch die wachsende Zahl der Fünf-Sterne-Paläste nichts geändert.

Dem haben Millionenmetropolen wie München oder Hamburg nur wenig entgegenzusetzen. Zu abgeschlossen scheint hier alles, zu selbstzufrieden. Hamburg, das sich gern das "Tor zur Welt" nennt und ob seiner Internationalität rühmt, konnte 2003 insgesamt nur knapp ein Drittel soviele ausländische Gäste begrüßen wie Berlin - und vom "Kult-Status" bei jugendlichen Touristen aus dem Ausland kann die schnieke Hansestadt nur träumen.

Vergangenes Wochenende demonstrierten rund 6.500 junge Leute in Berlin für die Wiederdurchführung der "Love Parade" 2005 - unter ihnen auffallend viele Polen. Selbst den historischen Bruch an Oder und Neiße überwindet diese Stadt, und strahlt sogar in ihr altes Hinterland hinein.

Geschichte unmittelbar erleben - auch das macht Berlin zum Magneten gerade für junge Touristen aus dem Ausland: Asiatische Jugendliche bestaunen einen Rest der Berliner Mauer Foto: PA


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