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17.07.04 / Ein Pflug für den Namensvetter in der Heimat / Wie das landwirtschaftliche Gerät aus dem rheinischen Blatzheim zum letzten deutschen Bauern im Kreis Braunsberg kam

© Preußische Allgemeine Zeitung / 17. Juli 2004


Ein Pflug für den Namensvetter in der Heimat
Wie das landwirtschaftliche Gerät aus dem rheinischen Blatzheim zum letzten deutschen Bauern im Kreis Braunsberg kam

Michael, mir hat da einer ein paar Euro für meinen Pflug angeboten, doch ich finde, dafür gebe ich den nicht weg, denn der ist noch in Ordnung und zu schade, vielleicht sogar auf dem Schrott zu landen. Du kennst doch einen Bauern in Ostpreußen, frage doch mal an, ob der ihn nicht brauchen kann, ich würde ihm den schenken, also der hätte sicher seine Freude daran!"

So der Bauer in Ruhestand Gerhard Pesch aus Blatzheim im letzten Dezember zu seinem Nachbarn, dem ehemaligen Dürener Berufsschulreligionslehrer Michael Preuschoff, der väterli-

cherseits aus dem ostpreußischen Kreis Braunsberg stammt und noch Beziehungen dorthin hat. Also schrieb Preuschoff einen Brief an seinen Namensvetter Stefan Preuszof in Vierzighuben im Kirchspiel Bludau im Kreis Braunsberg im heute polnisch verwalteten Teil Ostpreußens, dessen Eltern nach 1945 den alten ostpreußischen Namen Preuschoff polonisieren mußten, um bleiben und den alten Familienbesitz behalten zu können; verwandt sind beide Preuschoffs allerdings nicht oder wenigstens nicht in den letzten Generationen. Vierzighuben liegt übrigens gleich hinter der Autobahnausfahrt Frauenburg, also an der alten Reichsautobahn, die mit ihren drei recht monumentalen Brücken gerade wieder instand gesetzt worden ist - weitgehend aus Mitteln der EU -, damit der Verkehr in die russische Enklave Königsberg und weiter nach Litauen und in die anderen baltischen EU-Länder ab nächstem Jahr leichter laufen kann.

Bei dem Pflug handelt sich um einen dreiköpfigen Niedermeyer-Volldrehpflug mit Hydraulik-Oberlenkkipper, mit sogenanntem Selbstmechanismus. Das heißt, daß immer drei Furchen gleichzeitig gezogen werden können und nach einer Kehrtwende wieder drei. Die Voraussetzung dafür, daß der ostpreußische Freund den Pflug verwen-

den kann, ist allerdings, daß sein Trecker 70 bis 80 PS hat und auch über einen Regelmechanismus verfügt. Gerhard Pesch erläuterte Michael Preuschoff, daß so etwas sein müsse, damit der Pflug gleichmäßige Furchen ziehe und nicht alle Bewegungen des Treckers mitmache. Er selbst habe, als er noch aktiv gewesen sei, mit dem Pflug um die acht Hektar pro Tag gepflügt. So schrieb Preuschoff seinem Namensvetter weiter, daß er vielleicht auch gleich Land von Nachbarn mit pflügen könnte.

Sechs Wochen nach dem Schreiben kam ein hocherfreuter Anruf aus Ostpreußen in dem ansonsten fast völlig verschwundenen alten ostpreußisch-ermländischen Tonfall: Ja, der Pflug sei genau das, was ihm noch fehle, er habe schon einen zweiten (russischen) Trecker gekauft, der das schaffe, und ab Mai sei Polen ja in der Union, und da sei der Transport ohne Formalitäten möglich, und er würde für den Transport auch bezahlen! Als Preuschoff das ablehnte, kam spontan die Zusicherung von "ewigem Gastrecht" - ja, das ist doch etwas, "ein Bett in der Heimat der Ahnen"! Dafür nimmt man schon einige Erschwernisse auf sich!

In dem Zusammenhang fügte es sich gut, daß die 50jährige Patenschaft der Stadt Münster über Stadt und Kreis Braunsberg (Ostpr.) sowie der Beginn der von der Kreisgemeinschaft Braunsberg initiierten Städtefreundschaft Münsters mit Braunsberg Mitte Mai in Münster festlich begangen wurde und auch eine Ausstellung zu dem Thema stattfand. Das Geschenk eines rheinischen Bauern an einen sowohl alten wie neuen Braunsberger war sozusagen einer der Programmpunkte.

Der Transport verlief dann zwar recht langsam jedoch ansonsten reibungslos: Auf einem gemieteten Anhänger kam der Pflug sicher nach Ostpreußen. An der Grenze in Küstrin würdigte lediglich der polnische Grenzer den Pflug eines kurzen Blickes - dank EU keine Probleme! Und der ostpreußische Bauer empfand den Pflug "fast" als neu: "Da ist ja noch alles dran!" Klar, Pesch hatte damit ja auch noch bis zuletzt gepflügt und gab ihn einfach nur weg, weil er sich zur Ruhe gesetzt hat und ihn nicht mehr braucht ...

Anzufügen ist vielleicht noch, daß der Bauer in Ostpreußen gewiß nicht bedürftig ist. Er baut auf zirka 55 Hektar Land Getreide an, das er zum großen Teil an etwa 200 Schweine verfüttert, die er aufzieht und bei Schlachtreife verkauft. Seine polnische Frau kümmert sich um die etwa 200 Hühner sowie ihrer und ihrer Eier Vermarktung. Auf einer nassen Wiese, mit der seit jeher nicht klarzukommen war, wurden mittels zweier Dämme zwei große Fischteiche mit gutem Ertrag angelegt, an denen im Sommer auch reger Badebetrieb herrscht. Es geht also vor allem darum, ihn zu ermutigen und auch ein wenig zu unterstützen, daß er im Zuge der EU-Erweiterung weiter existieren kann und nicht von typischen Großbetrieben an die Wand gedrückt wird. Denn schon haben einige Landwirte aus dem Westen ehemalige Güter von bis zu mehreren tausend Hektar aufgekauft und machen mit den ihnen möglichen Mitteln Landwirtschaft in ganz anderem Stil. M. P.

 

Michael Preuschoff (l.) und sein Namensvetter Stefan: Der Heimatvertriebene und der Heimatverbliebene auf dem Anhänger mit dem Pflug und dem Schriftband "Europa ohne Grenzen! - Geschenk für den letzten deutschen Bauern im Kreis Braunsberg -  www.braunsberg-ostpreussen.de " Foto: privat


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