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17.07.04 / "Es gibt kein Aufrechnen" / Die 56. Wallfahrt Kirche-Heimat auf dem Schönenberg

© Preußische Allgemeine Zeitung / 17. Juli 2004


"Es gibt kein Aufrechnen"
Die 56. Wallfahrt Kirche-Heimat auf dem Schönenberg

Bischof Joseph Werth aus Nowosibirsk nahm auf Einladung der Katholischen Vertriebenen-Organisationen der Diözese Rottenburg-Stuttgart als Zelebrant und Prediger an der Wallfahrtsmesse auf dem Schönenberg bei Ellwangen (Ostwürttemberg) teil. Zur traditionellen Wallfahrt der Heimatvertriebenen, Flüchtlinge und Spätaussiedler waren trotz wechselhaften und kühlen Wetters rund 1.800 Besucher angereist. Ein Frauenchor aus Ungarn gestaltete die Messfeier mit.

In seiner Predigt schilderte der Jesuit, der im Baltikum studierte und vom Papst zum Hirten über das flächenmäßig größte Bistum ernannt wurde, unter welch katastrophalen und menschenverachtenden Umständen die an der Wolga siedelnden Rußlanddeutschen nach Kasachstan und Sibirien umgesiedelt wurden. Viele Tausend Menschen kamen dabei ums Leben.

Auch die einst blühende katholische Kirche der Wolga-Republik stand nach dem Einmarsch der Wehrmacht im Sommer 1942 vor dem Nichts. Während nach dem Tode Stalins viele ebenfalls deportierten Balten in ihre angestammte Heimat zurückkehren durfte, sei dies den Deutschen weiterhin versagt geblieben. Trotzdem haben viele der in Rußland verbliebenen Deutschstämmigen inzwischen neue Hoffnung geschöpft; auch das kirchliche Leben habe eine gute Entwicklung genommen. Der Oberhirte, der in Kürze auch beim

Katholikentag in Ulm predigen wird, sagte, die Christen sollten im Geiste Jesu Christi in der nun größer gewordenen Europäischen Union für Frieden und Gerechtigkeit, für Versöhnung und die Wahrung der Men- schenrechte eintreten.

Staatsminister Christoph Palmer, MdL würdigte bei der Glaubenskundgebung den Beitrag der Heimatvertriebenen, ohne die die Erfolgsgeschichte Baden-Württembergs so nicht stattgefunden hätte. Er erinnerte an das Leid der Flüchtlinge und sprach sich vehement für ein in Berlin zu schaffendes Zentrum gegen Vertreibungen aus. Es habe nichts mit Aufrechnen zu tun, wenn man Tod und Elend der Deutschen nach 1945 zur Sprache bringe, vielmehr trage man nur so zur Wahrhaftigkeit und damit zu echtem Frieden bei. Palmer warnte davor, die Türkei und die Maghreb-Staaten (arabisch: Westen, wörtlich: Ort, wo die Sonne untergeht. Anm. d. Red.) als Vollmitglieder in die EU aufzunehmen. Das geistige Fundament Europas ruhe auf Golgotha, der Akropolis und auf den kapitolinischen Hügeln Roms, unterstrich Palmer in Anlehnung an ein Zitat Theodor Heuss; man dürfe den Bogen der Union nicht überspannen. Wir Deutschen sollten uns mehr für die Geschichte und die Menschen Mittel- und Osteuropas interessieren als Freizeitvergnügen in exotischen Ländern nachzujagen. Risiken der neuen Osterweiterung gebe es zweifellos, so Palmer; verglichen mit der Epoche des Eisernen Vorhangs, als Hunderttausende Rotarmisten in der DDR stationiert waren, sei dies insgesamt aber die wesentlich gefährlichere Zeit gewesen. Die Vertriebenen rief er auf, weiterhin ihren Beitrag als Brückenbauer zwischen "alter" und "neuer" Heimat zu leisten.

Mit einer feierlichen Andacht in der Basilika St. Vitus ging die Wallfahrt zu Ende. Richard Baumann


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