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Preußische Allgemeine Zeitung / 31. Juli 2004
Das Thema ist mehr als nur ein Füller fürs Sommerloch, es ist ein Knüller:
Führende CDU-Politiker wollen den gesetzlichen Kündigungsschutz aufkündigen.
Erst preschte Fraktionsvize Merz vor, dann zog Niedersachsens Ministerpräsident
Wulff nach: Der Kündigungsschutz in seiner heutigen Form schaffe und erhalte
Arbeitsplätze allenfalls bei Arbeitsgerichten und in Anwaltskanzleien.
Saar-Ministerpräsident Peter Müller hingegen, der im Gegensatz zu Wulff vor
einer Landtagswahl steht, stellte sich vorsichtshalber auf die Seite des
Arbeitnehmerflügels, dessen Vorreiter Arentz ein Ende der "üblen und
gefährlichen Diskussion" fordert. Genau das Gegenteil, nämlich langen
Unions-Streit, wünscht sich SPD-Chef Müntefering, auf daß er möglichst oft
der bürgerlichen Konkurrenz "ungenierten Kapitalismus" vorwerfen kann. Seit 1969 ist der Kündigungsschutz in Deutschland so geregelt: Die
Kündigungsfristen variieren zwischen vier Wochen (ab zwei Jahren
Betriebszugehörigkeit) und sieben Monaten (nach 20 Jahren). Sogenannte soziale
Härten können Kündigungen über diese Fristen hinaus zusätzlich erschweren. Die Arbeitsämter, die sich heute "Agenturen" nennen, bestrafen die
kampflose Hinnahme einer Kündigung mit Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld; so
wird häufig die einvernehmliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses
verhindert und ein Arbeitsgerichtsverfahren geradezu provoziert. In den weitaus
meisten Fällen endet eine Kündigungsschutzklage aber nicht mit der
formaljuristisch angestrebten Weiterbeschäftigung, sondern mit einem Vergleich
über Kündigungstermin und Abfindung. Das Gesetz erfüllt also, wie Merz und
Wulff zu Recht kritisieren, seinen erklärten Zweck auch nicht ansatzweise. Dies bestätigen internationale Vergleiche. Länder mit schwachen
beziehungsweise gar keinem Kündigungsschutz wie die USA oder die Schweiz haben
deutlich niedrigere Arbeitslosenquoten als Deutschland. Auch wenn dies
vermutlich auch anderen Faktoren zu danken ist (zum Beispiel niedrigere
Lohnnebenkosten und Steuerlasten, weniger Bürokratie) - es gibt weltweit keinen
statistischen Beleg dafür, daß strenger Kündigungsschutz mehr Arbeitsplätze
schaffen würde. Warum also nicht auf ein Gesetz verzichten, das ohnehin seinen Zweck nicht
erfüllt? Wulff und Merz gehen sogar noch weiter, verweisen darauf, daß gerade
die Älteren mit den extrem langen Kündigungsfristen auch die größten
Probleme bei einer Stellensuche haben, von einer Aufhebung des Gesetzes also am
meisten profitieren müßten. Freilich gilt das nicht, wenn überhaupt keine
Arbeitsplätze zu vergeben sind. Den "goldenen Mittelweg" weisen die Mittelständler der Union. Es sei "besser,
die Leute bekommen Arbeit mit weniger Kündigungsschutz, als daß sie unbegrenzt
arbeitslos sind", meint Peter Rauen. Zugleich warnt Hans G. Michelbach, den
Bürgern "Angst vor der Übernahme der Regierung durch die Union" zu machen. Vielleicht wäre das die Lösung: statt den Kündigungsschutz ersatzlos zu
streichen, ihn durch klare, für alle Seiten tragbare Regelungen für die
Auflösung eines Arbeitsverhältnisses zu ersetzen. H.J.M. |