28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
31.07.04 / Weimars letzter Präsident / Hubertus v. Hindenburg zum 70. Todestag seines Großvaters Paul v. Hindenburg

© Preußische Allgemeine Zeitung / 31. Juli 2004


Weimars letzter Präsident
Hubertus v. Hindenburg zum 70. Todestag seines Großvaters Paul v. Hindenburg

Am Vormittag des 2. August 1934, einem sonnigen Sommertag, so will es jedenfalls die Erinnerung, ging auf dem Gutshaus im ostpreußischen Neudeck die Fahne des Reichspräsidenten auf halbmast. Paul von Beneckendorff und von Hindenburg, so sein voller Name, war im 87. Lebensjahr verstorben. Für mich, der ich damals gerade sechs Jahre alt war, wurde es der Abschied von einem geliebten Großvater, dessen langes Leben zu Ende gegangen war und mit dem mich ein besonderes Verhältnis verband, was nicht nur daran lag, daß ich seit meinem ersten Lebenstag mit meinen Eltern und Geschwistern in seinem Haus aufgewachsen war. Ein tiefer Einschnitt für mich. Was ich aber damals noch nicht realisierte, war, daß es auch in meinem zukünftigen Leben immer wieder weiter und sogar zunehmend bis auf den heutigen Tag eine so große Rolle spielen würde.

Über das ganze Leben und Wirken meines Großvaters einschließlich der Familiengeschichte zu schreiben, würde den Rahmen dieser Zeilen sprengen. Dafür war es zu lang, zu vielseitig und zu außergewöhnlich. Ich will und muß mich daher auf einige wenige Eckdaten beschränken. Er wurde am 2. Oktober 1847 in Posen geboren und kam mit elf Jahren auf eine Kadettenanstalt. Damit war bereits sein späterer Beruf in jungen Jahren sehr weitgehend vorgegeben. Mit 18 Jahren und bereits bevorzugt zum Leutnant befördert, nahm er an den sogenannten Einigungskriegen teil. Im Krieg gegen Österreich wurde er in der Schlacht bei Königsgrätz verwundet. Auch beim Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 war er dabei und durfte als besondere Auszeichnung an der Kaiserproklamation in Versailles, welche die Einigung Deutschlands brachte, teilnehmen.

In den folgenden für die damaligen Verhältnisse so langen Friedensjahren machte er ohne Protektion eine außergewöhnlich vielseitige Karriere. Immer bekam er besonders gute fachliche und menschliche Beurteilungen, die damals nicht von Gefälligkeiten geprägt waren. Da hieß es beispielsweise in einem Zeugnis der Offiziersakademie "ein Charakter von großer Befähigung" und "wird überall Vortreffliches leisten". Insgesamt wurde er mit "sehr gut" benotet, und in den Einzelfächern wimmelte es von "sehr gut", "vorzüglich", sowie "vorzüglich belobt". Im Jahre 1911 ging er mit 64 Jahren freiwillig als kommandierender General, damals die höchste militärische Position im Frieden, in Pension.

Als Mitte August 1914, also in diesen Tagen vor 90 Jahren, die Lage von nur einer deutschen Verteidigungsarmee im Osten Deutschlands beim Einfall zweier russischer Armeen sehr kritisch wurde und sich in der Führung Nervosität breitmachte, berief man meinen Großvater zum neuen Befehlshaber in die so gefährdete ostpreußische Provinz. Über das was folgte - zunächst die Schlacht bei Tannenberg, die ihn populär machte - ist viel geschrieben worden. Das soll hier nicht näher behandelt werden. Das könnte eine Betrachtung für sich sein. Obwohl es dokumentarisch belegt ist, wurde dagegen kaum bekannt, daß er sich immer wieder gegen Annektionsgelüste gewandt hat und er den Krieg nur als eine Verteidigung des bei der deutschen Einigung Erreichtem ansah.

Seine Popularität schien in der Niederlage von 1918 noch zu wachsen, weil er einen kühlen Kopf bewahrte, auf seinen Posten blieb und bereit war, die Realitäten anzuerkennen. So konnte er Ebert bestärken, entgegen der so weit verbreiteten Stimmung, den harten Frieden zu akzeptieren und sicht nicht auf neue Abenteuer einzulassen. Er selbst ging nach dem Abschluß des Vertrages, ohne weitere Ambitionen, eine Rolle im öffentlichen Leben zu spielen, wieder in Pension.

Als der damalige Reichspräsident Ebert 1925 plötzlich starb, kam es bei einer Neuwahl für dieses Amt im ersten Wahlgang zu keiner Entscheidung. Im zweiten Wahlgang stellte man Hindenburg auf, obwohl er sich zunächst dagegen heftig wehrte. In einer kurzen Wahlproklamation, die er selbst redigiert hatte, fand man den Kernsatz: "Kein Krieg, kein Aufstand im Innern kann unsere gefesselte, leider durch Zwietracht gespaltene Nation befreien. Es bedarf langer, ruhiger, friedlicher Arbeit." Ansonsten verzichtete er auf einen Wahlkampf im heutigen Sinne und wurde mit großer Mehrheit für die siebenjährige Amtszeit gewählt. Während dieser Zeit ließ er sich von keiner Partei oder Gruppierung vereinnahmen, was zu Enttäuschungen bei denen führte, die glaubten, ihn für sich einspannen zu können.

Nach dieser ersten Amtsperiode wollte er sich 1932 wegen seines hohen Alters von fast 85 Jahren eigentlich zurückziehen. Aber jetzt wurde er von den Mitte-Links-Parteien bedrängt, weiterzumachen, weil sie nur mit ihm die Chance sahen, Hitler, der als Gegenkandidat auftrat, zu verhindern. Es kamen sogar Überlegungen auf, seine Amtszeit einfach zu verlängern. Die Londoner Times schrieb dazu etwa: "... der alte Feldmarschall hat der Republik während aller Wechselfälle in den sieben Jahren seiner Amtszeit so weise und so loyal gedient daß es passender gewesen wäre, wenn man ihm angesichts seines Alters das Verfahren einer Berufung auf die Volkesstimme erspart hätte". Mein Großvater entschied schließlich, es solle doch gewählt werden. Wieder machte er kaum einen eigenen Wahlkampf und verlautbarte nur, daß man ihn kenne und wer ihn nicht wählen wolle, der solle es lassen. Tatsächlich wurde er erneut gewählt.

War das Ringen um das Reichspräsidentenamt gegen die Nationalsozialisten entschieden, so wurden sie aber im Parlament die stärkste Partei und konnten gemeinsam mit den Kommunisten eine demokratische Regierungsarbeit blockieren. Auch demokratische Parteien hatten sich schon vorher aus der Regierungsverantwortung zurückgezogen, und das Parlament wählte bereits Göring zum Reichstagspräsidenten. Die katastrophale wirtschaftliche Lage verlangte aber dringend nach einer aktiven Regierungsarbeit. Zwei aus Fachministern zusammengesetzte Kabinette brachten erste kleine Verbesserungen, aber sie wurden vom Parlament nicht toleriert, und Neuwahlen brachten keine Lösung. Der Versuch, die Nationalsozialisten zu spalten und die Gewerkschaften für eine Zusammenarbeit zu gewinnen, mißlang.

Als gangbare Lösung erschien nur noch, die Nationalsozialisten in eine Regierung mit anderweitig parteigebundenen und parteilosen Fachleuten einzubinden. Das war schon früher auch von demokratischen Parteiführern diskutiert worden. Nun wurde Hitler Reichskanzler, durfte aber nur zwei Minister aus seinen Reihen stellen. Es würde zu weit führen, sich hier damit auseinanderzusetzen, wie und warum die Einbindung nicht funktionierte. Hitler hatte Geschick, man muß leider auch sagen Glück, große Erfolge und vor allem Wähler sowie die allgemeine Stimmung zunehmend auf seiner Seite.

Im Interesse einer Lösung und ohne sich im entferntesten die ganze Entwicklung vorstellen zu können, hatte mein Großvater seine Bedenken zurückgestellt. Diese Bedenken hatte er immer wieder unter Beweis gestellt. Schon 1923 hatte er Hitler indirekt vor das, was später als Marsch auf die Feldherrenhalle in die Geschichtsbücher einging, gewarnt. Als Reichspräsident hatte er wesentlich zum Scheitern des Volksbegehrens der Nationalsozialisten zum Young-Plan beigetragen, was ihm unter ehemaligen Freunden Feindschaft eintrug. Bei der Wahl 1932 war er persönlich gegen Hitler angetreten und schließlich hatte er ihm lange die Kanzlerschaft verweigert, um ihm dann schließlich Einschränkungen vor allem in der Außen- und der äußeren Sicherheitspolitik aufzuerlegen.

Bleibt die Frage, ob es einem Jüngeren, ausgestattet mit mehr Lebenszeit, unter den geschilderten beziehungsweise bekannten Umständen gelungen wäre, das zu verhindern, was uns heute so bedrückt. Sehr wahrscheinlich wäre er schon früher an der ersten Hürde, nämlich bei der Reichspräsidentenwahl 1932, gescheitert und hätte damit den Weg für die Nationalsozialisten und Hitler bereits früher unfreiwillig freigemacht.

Aber nun doch noch einmal zum Schluß zurück zum 2. August 1934. Da nehme ich mich zurück und lasse einige Kondolenzen für sich sprechen. Es kondolierten unter anderem auch die Kriegsgegner aus dem Ersten Weltkrieg. Der Kaiser von Japan, der König Italiens, der französische Staatspräsident und auch der polnische Bürgermeister der Geburtsstadt meines Großvaters, des inzwischen zur Republik Polen gehörenden Posens. Auf der Schleife des Riesenkranzes des englischen Königs konnte man aber lesen: "Dem großen Feldherren in tiefster Verehrung", und der amerikanische Präsident Roosevelt brachte es auf einen Punkt, als er formulierte, daß Hindenburg "die Liebe seiner Landsleute und die Achtung der ganzen Welt" gehabt hätte.

 

Paul v. Hindenburg: Die militärischen Verdienste des Retters Ostpreußens im Ersten Weltkrieg ließen das deutsche Volk ihn bis zu seinem Tode am 2. August 1934 zweimal zum Staatsoberhaupt wählen. Foto: Archiv


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren