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07.08.04 / Überfällig: Reform der Reform

© Preußische Allgemeine Zeitung / 7. August 2004


Hans-Jürgen Mahlitz:
Überfällig: Reform der Reform

Na also, es lohnt sich ja doch, nicht lockerzulassen, nicht zu resignieren, sich nicht damit abzufinden, daß "die da oben" eh tun oder lassen, was sie wollen. Jahrelang haben anfangs wenige, dann immer mehr Bürger sich der amtlich verordneten Rechtschreibreform verweigert, gegen Schifffahrt und Potenzial protestiert, demonstrativ die guten alten Dudenregeln beibehalten.

Diese Zeitung zum Beispiel hat ganz bewußt nie in neuer Rechtschreibung geschrieben. Das bedeutet oft auch, daß Texte freier Autoren von der neuen in die alte Schreibweise übertragen werden müssen - eine Mühe, die wir im Dienste unserer Muttersprache gern auf uns nehmen.

Viele Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, die anfangs glaubten, dem Zeitgeist auch grammatikalisch folgen zu müssen, haben diesen Schritt inzwischen bereut. Die FAZ etwa kehrte reumütig zur altgewohnten Schreibweise zurück.

Das Echo aus der Lehrerschaft wurde immer negativer, je länger mit Dreifach-F und sonstigem Unfug experimentiert wurde. Eltern - sofern sie heute überhaupt noch mitbekommen, was ihre Sprößlinge in der Schule so alles (nicht) lernen - klagen über ein stetig sinkendes Sprachniveau; die Schüler fühlen sich verunsichert, wissen kaum noch, welchen Regeln sie nun folgen sollen. Einerseits sagt man ihnen: "Lesen bildet!", andererseits verlangt man von ihnen, genau nicht so zu schreiben, wie sie es in der ihnen zugänglichen Literatur größtenteils vorfinden.

Am längsten haben mal wieder unsere Politiker gebraucht. Jahrelang empfanden sie es geradezu als persönliche Beleidigung, wenn jemand ihrer wunderschönen Reform nicht freudig folgen wollte. Wer immer noch "greulich" schreiben wollte, wurde als "gräulicher Querulant" diskriminiert.

Erst kurz vor Ultimo - 2005 sollte das neue Regelwerk eigentlich alleingültig werden - zog Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff die Notbremse. Und siehe: Plötzlich entdeckten auch Politiker im angeblich fortschrittlichen linken Lager, daß man nicht unbedingt zu den "Ewiggestrigen" zählt, nur weil man morgen noch genauso schreiben will wie heute und gestern. Selbst des Kanzlers Kulturstaatsministerin Christina Weiss scherte aus der Front der Sprachreformer aus und empfahl, das Ganze doch noch einmal in Ruhe zu überdenken.

So löblich das Umdenken sein mag und so erfreulich es wäre, wenn es zu positiven Ergebnissen führen würde - was hat eigentlich die handelnden Personen, von den Politikern bis zu den Sprachwissenschaftlern, gehindert, das Denken an den Anfang des Reformprozesses zu stellen - und nicht ans Ende, und dies auch nur unter massivem öffentlichem Druck?

Sollte die von Wulff und Weiss angestoßene Wende bewirken, daß von der Rechtschreibreform nur das Sinnvolle bleibt, also das, was sich aus der lebendigen Entwicklung einer Sprache ergibt, dann wäre das ein Erfolg, der alle Mühen wert ist. Dennoch wäre es nur ein erster kleiner Schritt.

Ebenso wenig wie die vielen unsinnigen Regeln der neuen Rechtschreibung dürfen wir es hinnehmen, daß unsere Sprache zu einem Mix aus dürftigem Rest-Deutsch und noch dürftigerem Pseudo-Englisch verkommt. Oder zur primitiven Aneinanderreihung digitalisierbarer Sprachfetzen. Das heißt: Wir müssen wieder mehr die Kommunikationsformen pflegen, die unserer Sprache - der Sprache Goethes und Schillers! - gemäß sind. Sonst haben wir bald eine Sprache, die nur noch den neuzeitlichen Kommunikationsformen dient. Nibelungenlied oder Goethes Faust, Luthers Bibel oder Agnes Miegels Gedichte in SMS-Format: eine Horrorvorstellung, die eigentlich auch den "coolsten" Sprachpanscher abschrecken sollte.


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