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07.08.04 / Schlechter Stil, schlechtes Gewissen / Der Bundeskanzler in Warschau - ein Bärendienst

© Preußische Allgemeine Zeitung / 7. August 2004


Schlechter Stil, schlechtes Gewissen
Der Bundeskanzler in Warschau - ein Bärendienst
von Wilhelm v. Gottberg

Schröders Auftritt in Warschau aus Anlaß des 60. Jahrestages des Warschauer Aufstandes verlief nach gängigem Schema. Der Deutsche erfüllte Polens Erwartungen hinsichtlich der streitig diskutierten Themen "Entschädigungsansprüche der deutschen Heimat- vertriebenen" und "Zentrum gegen Vertreibungen" voll. Die Bundesregierung werde die polnische Sicht zu den genannten Themen durch ihre Politik auf der nationalen Ebene und vor internationalen Gerichten unterstützen, so der Kanzler. So weit, so schlecht.

Niemand hat Schröder gezwungen, zum bekannten Anlaß nach Warschau zu reisen und dort zu sprechen. Es war seine freie Willensentscheidung. Er wußte, daß die Erwartungshaltung bestimmter polnischer Kreise hinsichtlich seiner Aussagen hoch war. Er hätte auch wissen können, daß die nachwachsenden Generationen in Deutschland und Polen von ihm in die Zukunft weisende Aussagen über die Rolle der beiden Länder im zusammenwachsenden Europa erwarteten. Schließlich konnten auch die deutschen Heimatvertriebenen auf ein Mindestmaß an Solidarität des Kanzlers für ihre Anliegen hoffen.

Schröder bediente ausschließlich die Erwartungen der polnischen politischen Klasse. Damit erwies er den deutsch-polnischen Beziehungen einen Bärendienst. Der Deutsche hat in Warschau enttäuscht, weil offenkundig wurde, daß er intellektuell und moralisch überfordert war.

Warum griff er nicht den Hinweis des polnischen Präsidenten Kwasniewski auf, den dieser im Herbst 2002 bei seinem Deutschlandbesuch hinsichtlich der Entschädigungsforderungen machte: "Es gäbe da ein Problem, von dem er auch nicht wisse, wie es gelöst werden könne?" Warum bekannte Schröder in Warschau nicht, daß die Preußische Treuhand als Selbsthilfeorganisation gegründet wurde, weil sowohl die bisherigen polnischen als auch die bisherigen deutschen Regierungen die Frage der Entschädigung streng tabuisiert haben?

Wir wollen daran erinnern, daß es im deutsch-polnischen Vertragswerk von 1990/1991 heißt, daß die Verträge sich nicht mit Eigentumsfragen beschäftigen. Deshalb konnten die Betroffenen davon ausgehen, daß es dazu in absehbarer Zeit eine separate Regelung geben werde. Doch nichts geschah.

Der Jurist Schröder weiß um die deutsche Verfassungs- und Rechtslage der Entschädigungsproblematik. Dennoch stigmatisierte er die um ihre Rechte kämpfenden deutschen Vertreibungsopfer als Belastung für das deutsch-polnische Verhältnis.

Staatsstreichartig hat der deutsche Regierungschef deutsche Forderungen an Polen zur Disposition gestellt und damit - dies ist allerdings neu - die überschuldete Bundesrepublik den Regreßansprüchen der Vertreibungsopfer preisgegeben. Die Preußische Treuhand hat nunmehr einen deutschen Adressaten für ihr beabsichtigtes gerichtliches Vorgehen. Man muß kein Freund der Treuhand sein, um dies festzustellen.

Das Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin wird Schröder nicht verhindern können. Die Zeit wird in wenigen Jahren über ihn hinweggegangen sein. Der Völkermord an den Ostdeutschen und im Zusammenhang damit die nunmehr bestandfeste Annexion rund eines Viertels des deutschen Territoriums bleibt ein Verbrechen, das in dieser Dimension bisher einmalig in der Menschheitsgeschichte ist. Dies wird im kollektiven Gedächtnis der Deutschen haften bleiben.

Es geht um die Zukunft. Damit Vertreibung und Annexion sich nicht wiederholen, brauchen wir als Mahnmal das Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin.

Die hysterischen Reaktionen aus Warschau, Prag und Moskau zum Zentrum gegen Vertreibungen sind Ausdruck eines schlechten Gewissens und die Flucht vor der historischen Wahrheit.

Um einer falschen Interpretation dieser Zeilen vorzubeugen: Wir haben nie ausgeblendet, was vor der Vertreibung der Ostdeutschen geschehen ist. Die Weichenstellungen von 1933 und 1939 sind uns bekannt. Darüber ist ausreichend geredet und geschrieben worden. Allerdings bestehen wir darauf, daß auch die Weichenstellung von 1919 durch die Verträge von Versailles und Saint Germain nicht ausgeblendet bleibt.

Das deutsch-polnische Verhältnis bleibt offenkundig auch unter der Regierung Schröder/Fischer eine Einbahnstraße. Polnische Maximalforderungen werden bedient, deutsche berechtigte Anliegen bleiben so gut wie unbeachtet. Das Fundament des deutsch-polnischen Normalisierungsprozesses bleibt brüchig. Tragfähig war es bisher auf Grund der völkerverbindenden Friedensarbeit der deutschen Heimatvertriebenen.


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