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07.08.04 / "Wie-wenn-tot"

© Preußische Allgemeine Zeitung / 7. August 2004


"Wie-wenn-tot"
von Ronald Gläser

Der Protest war einstimmig. Ex-Telekom-Angestellte aus dem Westen sollen die Arbeitsagenturen in den neuen Ländern bei der Einführung von Hartz IV unterstützen? "Nicht mit uns", so Brandenburgs Landeschef Platzeck (SPD) mit voller Rückendeckung seiner Kollegen zwischen Rügen und Vogtland.

Dabei hatte sich Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) alles schön ausgedacht: Das neue 16-Seiten-Formular ist so kompliziert, daß es kein Arbeitsloser alleine ausfüllen kann. Also hat er genug Arbeit für Vivento, die Auffanggesellschaft für frühere Telekom-Mitarbeiter. Die sitzen gelangweilt herum und warten auf Arbeit. Es soll so einschläfernd bei Vivento sein, daß Mitarbeiter ihre Firma angeblich "Wie-wenn-tot" tauften.

Der Streit ist bezeichnend für die rot/grüne Arbeitsmarktpolitik. Gestritten wird um Beamte und deren Zulagen. Aber Hoffnung für die Arbeitsuchenden keimt keine auf. In Wirklichkeit ist nicht ein einziger richtiger Job in einem einzigen richtigen Unternehmen geschaffen worden. Bleibt nur die Ich-AG?

Diese Existenzgründer-Firmen erfreuen sich hoher Beliebtheit in Berlin und Brandenburg. 18.000 Ich-AGs sind hier seit 2003 gesprossen. "Damit sind mehr gegründet worden als erwartet", freut sich Olaf Möller, Pressesprecher der Agentur in der Hauptstadtregion. Indes: Trotz anderthalb Jahren Ich-AG waren in seinem Bereich Ende Juni 547.000 Arbeitslose gemeldet. Gerade mal 1.205 weniger als im Vorjahr.

Vielleicht liegt das ja auch an der Berliner Verwaltung, die den Existenzgründern das Leben schwer macht. So soll es nach dem Willen der Bürokraten in weiten Teilen der Innenstadt keine Bratwurst von fliegenden Händlern mehr geben. Das Bezirksamt Mitte hat den Bauchladen-Handel ab 1. August in der City verboten. Diese Maßnahme wurde auf Druck des Hotel- und Gaststättenverbandes umgesetzt. Dessen Chef lamentierte: "Jede Bratwurst, die auf der Straße verkauft wird, geht beim Umsatz den ganzjährig aktiven Händlern verloren." Das ist richtig. Doch so funktioniert Wettbewerb. Dachten wir.

Einige Ich-AGs sind also um ihr Geschäft gebracht. Aber die Öffentlichkeit erfährt nichts davon. Die Arbeitsagenturen geben die Zahl der aufgegebenen Kleinstbetriebe nämlich nicht bekannt, nur die Neugründungen. Noch befindet sich die Masse der Existenzgründer im ersten Jahr der Förderung. Da zahlt das Amt 600 Euro Zuschuß. Im zweiten sind es nur 360 Euro, im dritten 240. Dann - ab 2005/06 - wird sich erst zeigen, ob und wie viele Arbeitslose wirklich den Einstieg in die Selbständigkeit geschafft haben.


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