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07.08.04 / Siegt das Mittelmaß? / Im Vergleich mit George Bush wirkt John F. Kerry vage und blaß

© Preußische Allgemeine Zeitung / 7. August 2004


Siegt das Mittelmaß?
Im Vergleich mit George Bush wirkt John F. Kerry vage und blaß

Bei George Bush weiß man, was man hat: Ausdauer in der Entscheidung, auch wenn sie falsch ist, Entschlossenheit im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus bis hin zur Überreaktion eines Krieges. Der Mann ist nicht von überragender Intelligenz, auch seine Kommunikationsfähigkeiten sind wohl eher mittelmäßig, und sein texanisches Auftreten mögen manchem Intellektuellen in Europa oder von der Ostküste befremdlich vorkommen. Er lebt einen praktischen Glauben, der sich auch im täglichen Gebet ausdrückt. Sein Bekenntnis zu Ehe und Familie mögen ehrlich gemeint sein, für die Familie selbst hat er wenig getan in den letzten dreieinhalb Jahren. Sein klares Nein zur Abtreibung und zum therapeutischen Klonen allerdings sind, auch wenn die Linken das nicht sehen wollen, Zeichen der Menschlichkeit, und, das ist vielleicht das Wichtigste, Bush hat eine vernünftige und starke Frau an seiner Seite.

Bei John Kerry weiß man nur, was man vielleicht bekommt. Mit militärischem Gruß salutierte er vor den Delegierten der demokratischen "Krönungsmesse" in Boston. Es war ein Bild - für das Fernsehen und die verunsicherte Nation. Aber auf eine klare Aussage zum Irakkrieg warteten die Delegierten vergebens. Kerry stimmte gegen den ersten Golfkrieg vor 14 Jahren, als die völkerrechtliche Lage ebenso eindeutig war wie das Mandat der Uno, aber er stimmte für den zweiten, obwohl die Situation im Gegensatz zu 1990 auf gerechtfertigten Mutmaßungen, Spekulationen, aber, wie man heute weiß, auch auf falschen Behauptungen beruhte. Er sagt nicht, ob er die "Jungs nach Hause holt", was er in Afghanistan anders machen würde und wie die Prävention gegen den Terror aussehen soll. Unklar auch sein Verhalten zu Wirtschaftsfragen: Die Reichen sollten mehr teilen, vielleicht werden einige Steuern erhöht, damit auch das enorme Haushaltsdefizit gesenkt werde. Vielleicht. In Glaubensfragen steht der Katholik Kerry auf tönernen Füßen. Ehepapiere bezeichnet der Geschiedene als "Formelkram", an der Abtreibung hält er fest in allen ihren Formen, in bioethischen Fragen bleibt er blaß. Kerry setzt Themen und Akzente nach dem Studium von Umfragen. An ihm kann man sich eigentlich nicht reiben, weil er für alles und nichts steht. Zweifellos kämen die Europäer besser mit ihm zurecht. Der Liebling der Europäer ist das, was man einen Opportunisten nennen würde. Ob die gemeinsame Geschichte mit ihm besser bedient ist, bleibt eine offene Frage. Denn diese Geschichte wird in den nächsten Jahrzehnten vom Kampf gegen den islamistischen Terror bestimmt, und da bleibt Kerry trotz aller bemühten Rhetorik merkwürdig vage.

Der Kampf um das Weiße Haus ist offen. Es wird eine teure und gigantische Medienschlacht. Die Republikaner haben einen taktischen Vorteil. Ihre "Krönungsmesse" findet erst im September statt, dann werden sie die Schlagzeilen beherrschen. Der Aufwand für die Sicherheit wird enorm sein, denn kaum ein Ereignis wäre spektakulärer, mithin terroristischer, als ein Anschlag auf den Kongreß, in dem Bush von seinen Truppen zum Führer der Nation ausgerufen wird. Der Kampf um die Wähler wird in 15 Staaten entschieden, meist im mittleren Westen, in denen sich die Stimmen die Waage halten. Am schärfsten wird die Schlacht in Ohio und Pennsylvania geschlagen werden. Die Republikaner haben noch einen weiteren taktischen Vorteil: Das Gesetz erlaubt den Wahlkämpfern, nach dem Parteitag nur noch 75 Millionen Dollar staatliches Wahlkampfgeld einzusetzen. Die Republikaner können also jetzt ihre gesammelten Spenden (rund 280 Millionen Dollar) bis September voll einsetzen, während die Demokraten sich für den Rest des Wahlkampfs bescheiden müssen. In einem Land, in dem die Medien die Umfragen rauf und runter jagen und das schon wegen der schieren Größe auf die Medien angewiesen ist, ist das ein erheblicher Vorteil. Zum ersten Mal wurde in diesem Wahlkampf auch das Internet massiv eingesetzt. E-Mail-Offensiven überschwemmten das Land, fast 70 Prozent der Spenden für Kerry (170 Millionen Dollar) wurden so "online" gewonnen.

Den Europäern bleibt in dem Ringen um das mächtigste Amt der Welt nicht viel mehr als die Zuschauerrolle. Aber sie sollten sich nicht eitlen Hoffnungen hingeben. Auch ein Präsident Kerry wäre kein gefügsamer Partner. Sein Opportunismus richtet sich nach den Umfragen in Amerika, nicht in Europa. Er würde die (Meinungs-)Interessen seines Landes vielleicht noch rigoroser und rück-sichtsloser umsetzen, schließlich würde er wiedergewählt werden wollen. Bush würde, befreit vom Druck der Wiederwahl, wahrscheinlich eine sachorientierere Politik betreiben, vor allem im Kampf gegen den Terrorismus, freilich auch mit der Härte, die den Europäern so unangenehm ist. Er würde zum Beispiel von Frankreich und Deutschland verlangen, daß sie ihr Versprechen vom Nato-Gipfel in Prag umsetzen und die Ausgaben für die Verteidigung erhöhen. Aber das würde womöglich auch ein Präsident Kerry tun, nur etwas verbindlicher. Darin liegt der Vorteil eines Wahlsiegs von Kerry: Das transatlantische Verhältnis würde sich entkrampfen, denn die Medien und die Politik in den meisten Staaten Europas haben sich in die Person Bush verbissen.

Man kann solche Kurzsichtigkeit bedauern. Sie ist ein Faktum. So wie es eine Tatsache ist, daß die Politik hierzulande wenig dazu beiträgt, die Sicht der Dinge etwas umfassender und weniger ideologisch in den Blick zu nehmen. Denn letztlich ist der Unterschied zwischen Bush und Kerry kaum in der Außenpolitik zu finden, sondern im Kern ein ideologischer im Sinne der Menschenanschauung. Die Intelligentsia in Europa will keinen Texaner mit Ecken und Kanten. Sie wünscht das schmerzfreie Mittelmaß. Wenn sie es bekäme, würde sich eine Prophezeiung von Alexis de Tocqueville erfüllen. Der französische Denker und Diplomat hatte schon vor 200 Jahren bei seinem Studium über die Demokratie in Amerika vorausgesagt, daß der demokratische Prozeß die Nivellierung der Werte mit sich bringe und somit auch mittelmäßige Politiker. In Europa ist das schon lange der Fall. Jürgen Liminski


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