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14.08.04 / Ein Kavalier der alten Schule

© Preußische Allgemeine Zeitung / 14. August 2004


Ein Kavalier der alten Schule
von Frieda-Louise Drent

Als Gerlinde Fischer zum wöchentlichen Kaffeeklatsch das Schloßcafé betrat, spürte ihre Freundin Claudia sofort, daß etwas Erfreuliches passiert sein mußte. "Nanu, Gerlinde, du strahlst ja wie eine junge Braut! Bist du etwa verliebt?"

Gerlinde schaute ihre Freundin erstaunt an. "Ist das so deutlich zu sehen? Nun ja ... Ich habe da wirklich einen sehr netten Mann kennengelernt. Eberhard Isenberg heißt er. Du, das ist wirklich ein Kavalier der alten Schule, sag' ich dir. So zuvorkommend, so ... na ja, eben ein richtiger Kavalier! Er liest mir jeden Wunsch von den Augen ab. Jedesmal bringt er mir einen wunderschönen Blumenstrauß mit. Und Pralinen! Ich kann mich vor lauter Pralinen kaum retten! Du mußt ihn unbedingt bald kennenlernen!"

"Das klingt ja sehr vielversprechend. Wie sieht er denn aus? Auch ganz toll nehme ich an!"

"Ja, sicher! Groß, schlank, schönes, graues Haar. Eine distinguierte Erscheinung, würde ich sagen."

"Er hat wohl gar keine Fehler?" fragte Claudia lachend. "Oder macht das die Liebe? Die soll ja den Blick manchmal ganz schön trüben!"

"Ich glaube, du bist ein bißchen neidisch, meine Liebe! Aber, um auf die Fehler zurückzukommen: Er scheint ziemlich zerstreut zu sein. Er hat mich schon einige Male zum Essen eingeladen und dabei mehrmals seine Brieftasche vergessen."

"Aha!" - "Was denn, aha! Ich bekomme das Geld doch zurück!" - "Hast du aber noch nicht, stimmt's?" - "Bis jetzt hat er wohl noch nicht daran gedacht."

"Sag mal, du bist doch sonst nicht so gutgläubig! Macht dich diese ‚Vergeßlichkeit' oder ‚Zerstreutheit' denn gar nicht stutzig?"

"Er ist so ein netter, gebildeter Mensch. Ich glaube doch nicht, daß er ..."

"Ich glaube, es ist an der Zeit, daß wir mal ein paar Erkundigungen über deinen Kavalier einziehen!" Claudias Gesichtsausdruck verriet deutlich, daß sie nicht willens war, tatenlos zuzusehen, wie ihre Freundin sich mit offenen Augen ins Unglück stürzte.

In den nächsten Tagen spielten die beiden Freundinnen Detektiv - wenn auch von Gerlindes Seite nur widerwillig. Was dabei herauskam, war leider für Gerlinde nicht besonders erfreulich: Eberhard Isenberg schien einen sehr ausgedehnten Bekanntenkreis zu haben. Und dieser Kreis bestand ausschließlich aus wohlhabenden Damen mittleren Alters, so wie Gerlinde, mit denen er regelmäßig ins Theater ging, ins Restaurant und dergleichen. Er hatte ein volles Programm! Auffällig war, daß die Damen sehr oft bezahlten ... Außerdem stellte sich heraus, daß der Kavalier zwei Schwestern hatte. Die eine besaß einen Blumenladen, die andere verkaufte Pralinen und derartige Sachen ...

Gerlinde mußte zugeben, daß sie wahrscheinlich einem Schwindler in die Falle gegangen war, und das tat natürlich weh. "Es tut mir wirklich leid, Gerlinde, daß ich mit meinen Befürchtungen recht hatte."

"Das muß dir nicht leid tun. Im Gegenteil! Es ist nur gut, daß ich noch rechtzeitig dahintergekommen bin, mit wem ich es hier zu tun habe!"

"Allerdings! Sonst hätte er dir wahrscheinlich auch noch mit irgendeiner wilden Geschichte eine größere Summe aus der Tasche gezogen! Denn das gehört ja sozusagen zum festen Repertoire dieser Leute!"

"So ist es! Aber, ich werde es diesem feinen Herrn heimzahlen! Der wird noch sein blaues Wunder erleben!"

Zwei Tage später saß Gerlinde mit ihrem Kavalier im teuersten Restaurant, das in der näheren Umgebung zu finden war. Sie hatte ihren Freund zu einem festlichen Essen eingeladen, weil es angeblich etwas zu feiern gab. Sie waren dazu in Gerlindes Wagen etwa 40 Kilometer aufs Land gefahren.

"Das Essen ist wirklich vorzüglich, liebe Gerlinde! Und der Wein - köstlich! Und überhaupt - dieses Ambiente! Alle Achtung, meine Liebe! Aber, was feiern wir denn nun eigentlich?"

"Wirst schon sehen ..."

"Das wird aber ein sündhaft teures Essen, liebste Gerlinde!" - "Ach, mein Lieber, Geld spielt doch keine Rolle, das weißt du doch!" Er sah sie entzückt an. Diese Worte mußten ihm wohl wie Musik in den Ohren klingen!

Sie waren beim Kaffee mit Kognak angelangt, als Gerlinde sich für einen Augenblick entschuldigte. Sie müßte nochmal schnell telefonieren. Doch anstatt zu telefonieren, ließ sie sich vom Kellner in den Mantel helfen. "Ich muß leider dringend weg. Bringen Sie doch bitte meinem Begleiter noch einen Kognak und die Rechnung. Er wird alles bezahlen!"


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