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14.08.04 / Das ganz normale Leben ...

© Preußische Allgemeine Zeitung / 14. August 2004


Das ganz normale Leben ...

Ein scheinbar ganz normales Leben hat die 80jährige Anna Schöpfe gelebt. Viel gab es darüber eigentlich nicht zu erzählen. "Wer sollte sich auch schon für den Lebensweg einer Frau aus Ostpreußen, die nie einen richtigen Beruf erlernt hatte und nie über die Volksschule hinaus gekommen ist, interessieren", dachte die alte Dame.

Aber irgendwann, es muß so im letzten Herbst gewesen sein, fing ihre älteste Enkelin an zu fragen, wie es früher so war. Anna begann zu erzählen, vom Hof auf dem die Eltern gearbeitet haben, vom ersten Tanz mit Opa Erwin, von der Sauferei nach dem Schlachten, von der Flucht vor den Russen und von dem Ankommen in Sachsen-Anhalt.

Spätestens an der Stelle in der sie erzählte, wie Opa Erwin mit dem Pferdewagen am Ende des Krieges aus Jugoslawien abgehauen ist und bloß noch nach Hause wollte, meinte die Enkelin: "Oma, das mußt du aufschreiben."

"In den letzten Jahrzehnten hat sie mit viel Mühe ihre Rentenanträge ausgefüllt, eine Karte an die Enkelin ins Ferienlager geschickt und ab und zu mal ein Kochrezept abgeschrieben, aber dieses schon in Süterlin-Schrift, so wie sie es mal gelernt hat", meinte Anna lachend zu ihrer Enkelin. Damit war zumindesten fürs erste das Thema erledigt.

Fast zur gleichen Zeit traf die Enkelin eine ehemalige Kommilitonen, die sich in ihrer Dissertation mit Lebensgeschichten beschäftigt hatte, und überredete sie, sich der Geschichte der Großmutter anzunehmen. Gemeinsam übernahmen sie das Lektorat, suchten Fotos aus, schlossen Lebenslücken, die beim Lesen auffielen.

Am Ende war das Leben der Anna Schöpfe in einem richtigen Buch, auf 115 Seiten für ihre Kinder und Enkel festgehalten. Darüber hinaus entstand die vage Idee, dieses Produkt: "Mein Leben - Ihr Leben als Buch" über dieses Projekt hinaus zu präsentieren.

Inzwischen bietet das "Erzählbüro", das von Dr. Carola Sallmon geleitet wird, seit gut einem Jahr diese Dienstleistung professionell an. Das Prozedere bei der Entstehung des Aufschreibens der eigenen Lebensgeschichte ist unterschiedlich: Manche Kunden schreiben selber und benötigen nur noch einige Hinweise, andere wiederum erzählen das erste Mal über sich und ihr vergangenes Leben.

Persönliche Gespräche zwischen Carola Sallmon und dem Erzählenden bilden immer die Grundlage des Buches. In der Regel folgen dann weitere Gespräche, bei denen das Aufnahmegerät läuft. Die Mitschnitte bilden das Rohmaterial für das Manuskript, "Ihr Leben als Buch". Im Anschluß daran liest sie der Kunde gegen, Bilder werden ausgesucht, das Layout von einer ausgebildeten Grafikerin ent-

wickelt, und am Ende wird "Ihr Leben als Buch" in der gewünschten Anzahl gedruckt und gebunden. Die Auflagenhöhe legt der Auftraggeber fest.

Letztendlich gibt es viele plausible Gründe, seine Lebensgeschichte zu dokumentieren. Ein Interessent etwa möchte die Feldbriefe des im Alter von 22 Jahren gefallenen Lieblingsonkels seiner Mutter editieren lassen.

Eine ältere Dame meinte, ihre Tochter und die Enkel sollten nach ihrem Ableben in die Wohnung kommen und - als Überraschung - Omas Biographie vorfinden. Andere wiederum denken, es ist an der Zeit, über das Vergangene zu sprechen.

Info: (0 33 62) 22 946; csallmon@aol.com


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