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21.08.04 / Die Leistung muß zählen / Nur Studiengebühren ermöglichen der Wettbewerb der Universitäten

© Preußische Allgemeine Zeitung / 21. August 2004


Die Leistung muß zählen
Nur Studiengebühren ermöglichen der Wettbewerb der Universitäten

Investition in Wissen, so wußte schon Benjamin Franklin, ergibt die beste Rendite. Diese Lebensweisheit haben sich nicht nur die Amerikaner zu eigen gemacht. In fast allen Industrieländern werden Studiengebühren erhoben - und damit auch Eliten herangezogen. Das kann auch zu Ungerechtigkeiten führen, wie zum Beispiel in den USA, wo die Elitebildung auch eine Frage des großen Geldes und nicht immer von Fleiß und Talent ist. In Deutschland gilt, daß der Staat die Chancengleichheit zu wahren habe, also auch die Investition tätigt. Dieser Grundsatz wankt. Man erwartet gemeinhin, daß das Bundesverfassungsgericht im Herbst dieses Jahres das Verbot von Studiengebühren aufhebt, und etliche Bildungspolitiker befassen sich bereits mit der Frage der dann zu erhebenden Gebühren.

Das Thema ist allerdings nicht so einfach, daß man es nur den Bildungspolitikern überlassen könnte. Wo Geld im Spiel ist, erst recht wo sich ein neuer Sesam entwickelt, sind Hans Eichel und seine Beamten aus dem Finanzministerium nicht weit. Professor Peter Glotz, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Sankt Gallen, ehemals SPD-Politiker, immer noch politisch, wenn auch nicht parteipolitisch tätig, also eine bête politique oder ein political animal, sieht die Situation denn auch skeptisch und schlägt vor, den Begierden der Fiskal-Kohorten aus Bund und Ländern einen Riegel vorzuschieben.

Die Ministerpräsidenten sollten, so sagt er dieser Zeitung, "eine Vereinbarung treffen, wonach Mittel aus den Studiengebühren hundertprozentig, meinethalben minus der Verwaltungsgebühren, die aber ganz gering sein können, den Universitäten zu Gute kommen".

Aber das allein reicht nicht aus. Studiengebühren müssen, wie alle Fachleute betonen, von einem Stipendienwesen begleitet werden. Der Publizist Konrad Adam sieht "den Charme" solch einer Gebühr gerade "in der Notwendigkeit, sie mit einem großzügig bemessenen Stipendienwesen zu verbinden. Nur so hätte sie Aussicht auf politischen Erfolg." Diesem Ansatz folgen alle. Der Unterschied beginnt, wenn Adam verlangt: "Diese Stipendien wiederum sollten nach Leistung gewährt werden, nicht nach Bedürftigkeit". Hier sagen die meisten, auch die Stipendien sollten allen offen stehen, damit die Chancengleichheit gewahrt bleiben kann. Glotz sieht sogar völlig unbürokratische Wege: "Der Staat muß mit den Banken verhandeln, damit jeder sich die Studiengebühren mit Hilfe einer Postkarte bei der Deutschen Bank leihen kann, und da muß der Staat dann Garantien übernehmen, daß der Student die Gebühren erst wieder zurückzuzahlen hat, wenn er berufstätig ist." Man könne sich auch überlegen, ob man bestimmte Stipendienprogramme verstärkt. Aber all das seien nur Begleitfunktionen. Insofern hätten die Gebühren "auch eine sinnvolle Leitfunktion" für andere Reformbereiche.

"Bildungschancen sind Lebenschancen", sagte Bundeskanzler Schröder vor gut zwei Jahren in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag. Diese Chancen werden verringert, wenn die Ausstattung der Universitäten und Fachhochschulen veraltet oder wenn die Qualität von Lehre und Labor sich auf wenige Privatuniversitäten oder Forschungseinrichtungen konzentriert. Eine Gebühr, die wie der bayerische Wissenschaftsminister Goppel es fordert, allein den Universitäten zu Gute kommen soll, nutze allen Studenten. Sie würde auch den Wettbewerb fördern. Hier sieht Glotz grundsätzliche Probleme. Die Deutschen hätten "eine ungeheuer langsame politische Kultur, ich habe Studiengebühren erstmals im Dezember 1994 gefordert, damals als bildungspolitischer Sprecher der SPD, und da gab es dann einen großen Aufstand, auch die CDU/CSU war lange Zeit dagegen. Noch der Vorgänger von Herrn Goppel, Herr Zehetmair, war strikt gegen Studiengebühren." Der Wettbewerb müsse auch möglich sein und sich an der Leistung der Universität, nicht unbedingt der Studenten, messen lassen. Man werde, so der international anerkannte Wissenschaftler, zwar Studiengebühren einführen, aber nach den verfügbaren Informationen offensichtlich "bei tausend Euro deckeln", mehr dürfe an Gebühren nicht erhoben werden. Glotz hält das für "blühenden bürokratischen Unsinn". Denn Medizin sei teurer als Soziologie und "natürlich ist die Humboldt-Universität oder die Universität München teurer als die Universität Hildesheim oder die Universität Regensburg". Deshalb würden sich auf Dauer "Marktstrukturen entwickeln, und dann wird es eine sehr teure Universität geben, und wer in den Vorstand von BMW will, der wird dorthin streben und auch viel in die Studiengebühren investieren. Es gibt aber viele Menschen, die legitimerweise Oberregierungsrat oder aber Regierungsdirektor im Landkreis Regensburg werden wollen, und die können ohne weiteres in Regensburg studieren. Aber das dauert noch mal zehn Jahre, bis die Deutschen das begreifen".

Unbeachtet in der Diskussion ist bislang der demographische Faktor. Die Universitäten werden in ein paar Jahren auch um Studenten werben müssen, denn in den kommenden Jahrzehnten wird die Zahl der Studenten stark abnehmen, und dann wird das Qualitätsangebot der Universitäten zum entscheidenden Faktor. Qualität aber ist teuer. Und kann noch teurer werden. Hier wird ein Markt entstehen. Glotz zieht Vergleiche mit dem Ausland. "Wir müssen uns auch im heiligen Deutschland darüber klar sein, daß auch Bildung immer mehr eingegliedert wird in einen internationalen Bildungsmarkt. Das gilt für die Hochbegabten jetzt schon, die fliehen nach Harvard. Ähnliches gilt selbstverständlich für die Weiterbildung und es wird mehr und mehr auch für die ganzen Tätigkeiten der Universitäten gelten. Ich mache in Sankt Gallen ein MBA-Programm, wenn ich nicht genügend Studierende hätte, müßte ich es zumachen. Das ist ganz einfach, denn ich muß mich selber tragen." Die reinen Marktgesetze müssen, räumt Glotz ein, "natürlich nicht für die Erstausbildung gelten". Aber auch hier sei es eine Frage, ob man sich eine gute Bibliothek leiste oder nicht, und daß die Studierenden ihre Entscheidung auch nach solchen Kriterien ausrichteten, sei "völlig rational". Die Idee, man könne dort studieren, wo "die Waschmaschine der Mutter steht und man könne ein ganzes Netz von Universitäten aufbauen, die alle gleichwertig sind, das ist nun immer eine Illusion gewesen". Auch in den USA sei das ja keineswegs der Fall, da gebe es "15 große Research Universities, die besser sind als alles, was man sonst auf der Welt findet, und das übliche State College ist dafür schlechter als die deutsche Regionaluniversität".

Solche Ergebnisse des Bildungsmarktes, der durch Studiengebühren sowie die Art und Weise ihrer Verwendung vor Ort zweifellos belebt würde, werden die persönliche Standortentscheidung vieler Studenten beeinflussen. Das sieht auch Konrad Adam so, und gerade hier könne auch die Leistung des Studenten zum Tragen kommen. Die Universität sollte, so Adam, "denjenigen die Rückzahlung erlassen, die ihr Studium mit überdurchschnittlichem Erfolg beendet haben". Diese Aussicht kann durchaus zu mehr Fleiß führen. Glotz fügt hinzu: "Wenn sie Gebühren haben, und zwar spürbare Gebühren, wird der Studierende rechnen und sagen: Okay, ich studiere schneller, auf diese Weise spare ich Geld. Der Mensch ist ja zwar nicht vollständig ein homo oeconomicus, aber gelegentlich überlegt er schon, wieviel etwas kostet." J. Liminski

Universitäten im Kampf um die Studenten: Peter Glotz fordert Studiengebühren für mehr Wettbewerb zwischen den Bildungseinrichtungen. Eine gut ausgestattete Bibliothek, anerkannte Labore für Lehre und Forschung oder die Nähe sind hier Faktoren. Fotos (2): Archiv


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