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21.08.04 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 21. August 2004


Erstklassig betreut / Hartz: Ab jetzt wird "kommuniziert"
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Die Idee mit den Lorbeerkränzen, die die Griechen den erfolgreichen Olympioniken auf den Kopf setzen, ist entzückend. Sehen sie nicht putzig aus mit dem Würzkraut im Wuschelhaar? Wie Julius Cäsar in der Shakespeare-Aufführung des Schülertheaters. Leider können die meisten Deutschen die niedlichen Gestecke in den Arenen von Athen kaum recht genießen - zu abgelenkt sind sie durch das laute Gemähre über die "Hartz-Infarkte" unten auf der Straßen.

Von den Sportlern könnten die verweichlichten Klassenkämpfer der Republik wieder ringen lernen. Sind nämlich alles Luschen geworden, sogar DGB-Chef Sommer faselt wirres Zeug, wo er früher noch textsicher das stolze Gewäsch aus der Steinzeit des Arbeiterkampfs rezitierte. Auf den Hartz-Demos seien Rattenfänger unterwegs, warnt der Gewerkschaftsboß mit dünner Stimme. Das wurde auch Zeit, gerade in der Hauptstadt - möchte jeder einwerfen, dem schon mal ein katzengroßes Exemplar aus einem Berliner Kanal entgegen gesprungen ist. So meint Sommer das aber nicht. Ihm graust vor ungezogenen Leuten, die die Demos für unerwünschte Politik "mißbrauchen".

Seit Jahren schon pflegt der DGB seinen Marschierern das Maul mit Trillerpfeifen zu stopfen, um ungeordnetem Parolenbrüllen vorzubeugen. So ausgestattet konnten die bestellten Demonstranten nur mit dem vorgedruckte Pappschild aus der DGB-Zentrale fuchteln und sich wie blöde die Lunge heraustrillern - konnte nix schiefgehen.

Die neue Lage ohne Pfeifen und Standardpappen macht dem lauen DGB-Vormann schreckliche Angst. Er verheddert sich rettungslos: Mit seinem Rattenfängeralarm wolle er niemanden vom Demonstrieren abhalten, schiebt er eilig nach. Andererseits wolle er aber auch keinen zum Demonstrieren aufrufen, womit er wiederum nicht zu einer Demonstrationspause aufgerufen habe. Also wie jetzt? Demonstrieren oder nach Hause zum Lorbeergucken? Sommer hat kläglich versagt: Statt auf eine Kiste zu steigen, saftig auf die Pauke zu hauen und Phrasen aus dem Handbuch des ökonomischen Analphabeten herauszukreischen, wie es als DGB-Chef seine Aufgabe wäre, verdunstet der Mann im Ja-Nein-Aber. Was für ein Langweiler.

Der gute Sommer hätte mal Urlaub machen sollen. Dort hat der Kanzler neue Kraft getankt und geduldig mit angesehen, wie sich die feindliche Unionsfront in Sachen Hartz planvoll selbst zerlegt. War es zunächst nur seine eigene SPD, die über Hartz in ein buntes Chaos der unterschiedlichsten Positionen auseinanderfiel, so hat die Opposition während der Kanzlerferien auf ganzer Linie gleichgezogen. Da mußte Schröder nur noch einmal gegentreten - und: rumps! "Abartige Volksfront aus Union und PDS" hieß der Tritt, der im Nu alle Widersprüche innerhalb der SPD vergessen machte. Und der saß: CDU-Chefin Merkel quietschte regelrecht auf vor Schmerzen. Doch warum regt die Frau sich eigentlich so auf? Wär doch hübsch, so eine Front, an der richtig gekämpft würde statt dieses Hin- und Hergewürges, das wir jetzt erleben. Sicher, sicher: Die historischen Bezüge, "Volksfront" - wer denkt da nicht spontan an "KPD mit SPD", was in der Tat "abartig" riecht. Indes nehmen die Sozialdemokraten an solchem Schweinkram bekanntlich gar keinen Anstoß mehr und von Geschichte weiß Schröder sowieso nichts, wie er unlängst in Warschau unter Beweis stellte und seine Entwicklungshilfeministerin in Namibia jetzt noch einmal unterstreichen ließ. So unbeschwert geht er eben auch mit "Volksfront" um.

Ohne es zu wollen, hat der Kanzler mit seinem Tritt sogar Gutes bewirkt. Denn in Windeseile zog die Union ihre Haltung zu Hartz glatt und beendete das Durcheinander. Hartz sei gut, nur habe Rot-Grün handwerklich mal wieder elendig gepfuscht, läßt Thüringens Ministerpräsident Althaus die Nation wissen. An die Verhartzten gerichtet heißt das übersetzt: Wenn wir, die Union, an der Regierung wären, zögen wir euch ebenso das Fell über die Ohren, aber ohne diese kleingedruckten Ausflüchte und Unebenheiten, also richtig!

Die frohe Botschaft sollten alle montagsdemonstrierenden CDU-Granden gleich nächste Woche ihren Mitmarschierern vorbeibringen, und sie werden mit ihnen sein wie Brüder. Bliebe dann nur aufzuteilen, wer den Kain macht und wer den Abel.

Die roten und grünen Koalitionäre weisen den Vorwurf der Schlamperei weit von sich und bestehen darauf, die Altersvorsorge der Langzeitarbeitslosen streng nach den Reglement des politischen Handwerks konfiszieren zu wollen. Es sei alles ein "Kommunikationsproblem", die Menschen wüßten noch nicht recht, worauf sie sich freuen dürfen. "Von wegen", haken wir ein, "die Leute demonstrieren, weil sie schon viel zu viel wissen!" Welch ein Irrtum! SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler, der leider nur in der Sommerpause täglich ans Mikrofon darf, klärt auf, daß Hartz IV "Millionen aus der Armut führen" werde. Wir wollen ehrlich sein und zugeben, daß wir darauf von allein nie und nimmer gekommen wären. Allerdings wünschen wir es uns noch ein wenig klarer: Internationale Hilfsorganisationen unterscheiden - von oben nach unten - die Stufen Armut und Elend. Stiegler sollte uns verraten, in welche Richtung er die "Millionen aus der Armut" führen will.

Diese Aufgabe nimmt ihm Nord-rhein-Westfalens SPD-Arbeitsminister Harald Schartau ab und öffnet uns vollends die Augen. Er freue sich, daß Langzeitarbeitslose durch Hartz IV "endlich eine erstklassige Betreuung bekommen". Wußten Sie das? Wir auch nicht. Und Schartau kommuniziert noch mehr: Mit der Reform hätten die Betroffenen die Perspektive, "wieder auf eigenen Beinen zu stehen". Er hätte auch sagen können: Wer auf hoher See über Bord geworfen wird, hat endlich die Chance, schwimmen zu lernen! Wo bekommt er die sonst? Und wenn sie erst einmal wieder auf den eigenen Beinen sind, brauchen die Langzeitarbeitslosen auch keine Möbelpacker mehr zu bestellen wenn sie raus müssen, weil ihre Wohnung zu groß ist.

Lauter Dinge, die wir gar nicht bedacht haben, und Erkenntnisse, die uns ohne die "verbesserte Kommunikation" vermutlich verschlossen geblieben wären. Wie diese: Auf Schröders Volksfront-Attacke angesprochen weiht uns Schartau ein, der Kanzler sei ein Mann der offenen Worte, "und was er nicht abkann", so stellt der Minister klar, "ist Scharlatanerie". Das haut einen um! Da hat der uns 2002 nach allen Regeln der Kunst aufs Kreuz gelegt mit Flut und Krieg, und jetzt müssen wir erfahren, daß der Schröder im Kern eine ganz ehrliche Haut ist. Nur wer nicht einmal an Eichels Haushaltsversprechen glauben will, kann jetzt noch Zweifel hegen.

"Seit Monaten jeden Tag ausverkauft! Nochmals danke, Herr Hartz!" Zeichnung: Götz Wiedenroth


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