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Preußische Allgemeine Zeitung / 04. September 2004
Für Regierung und Opposition naht die Stunde der Wahrheit. Lassen sich
Umfrageergebnisse und Montagsdemonstrationen noch "interpretieren", so ist
an ausgezählten Wählerstimmen nicht mehr zu rütteln. Zwar wird der Aufgalopp
an diesem Sonntag im Saarland noch nicht zu wesentlich neuen Erkenntnissen
verhelfen - alle Experten gehen davon aus, daß die alte Mehrheit auch die
neue sein und CDU-Ministerpräsident Peter Müller weiterregieren wird. Das
große Zittern aber erfaßt die Politiker, wenn sie an den Abend des 19.
September denken. In Brandenburg und in Sachsen geht es nämlich nicht nur darum, in welchem
Umfang die Sozialdemokraten wieder einmal für die Berliner Reformpolitik
abgestraft werden. Und auch nicht nur darum, ob die CDU von der Schwäche der
Bundesregierung profitieren kann oder - nach dem Motto: mitgefangen,
mitgehangen - ebenfalls Federn lassen muß. Im Mittelpunkt des öffentlichen
Interesses steht die Frage: Wie schneidet die PDS ab? Vor allem in Brandenburg ist das Rennen völlig offen. Ein Fortbestand der
derzeitigen SPD-geführten Großen Koalition gilt als am wenigsten
wahrscheinlich. Jörg Schönbohm, Innenminister und CDU-Spitzenkandidat, wird
wohl nicht die absolute Mehrheit schaffen, kann aber auf eine Große Koalition
unter seiner Führung hoffen. Aber was, wenn die SED-Erben auf der Welle des
montäglichen Volkszornes zu einem Wahlergebnis getragen werden, das eine
Regierungsbildung ohne oder gegen sie quasi unmöglich macht? Solche Sorgen braucht sich der Amtsverteidiger in Sachsen nicht zu machen.
Die wegen Hartz IV aufgeheizte Stimmung kann zwar das Ergebnis für
Ministerpräsident Milbradt noch etwas verschlechtern, die absolute Mehrheit der
Mandate - und damit der Auftrag, allein weiter zu regieren - aber scheint
sicher. Dafür droht ihm die demokratische Opposition abhanden zu kommen - die
SPD rutscht unter zehn Prozent. Wie die anhaltenden Protestaktionen in den Neuen Ländern mit dem
vorläufigen Tiefpunkt des Lafontaine-Auftritts, sich auf die Wahlbeteiligung
auswirken, ist völlig ungewiß. Die meisten Experten vermuten, daß viele
potentielle Nichtwähler sich nun doch noch entschließen, ihre Stimme einer der
typischen "Protestparteien" zu geben. Das dürfte in aller Regel der PDS
zugute kommen, die jetzt schon in Sachsen bei 22 Prozent und in Brandenburg
sogar als stärkste Partei bei 29 Prozent gehandelt wird. Den Parteien am rechten Rand räumen die jüngsten Prognosen keine Chancen
ein, von der Proteststimmung zu profitieren. Mit allenfalls vier Prozent
dürften NPD (in Sachsen) und DVU (in Brandenburg) an der Fünfprozenthürde
scheitern, was stramme "Antifaschisten" freilich nicht hindert, den
Wahlkampf mit eindringlichen Warnungen vor der "rechten Gefahr" zu
bereichern. Zittern muß auch die FDP, während die Grünen darauf setzen
können, für die auch von ihnen mitverantwortete Berliner Regierungspolitik
nicht verantwortlich gemacht zu werden. H.J.M. Der Wahlkampf hat begonnen: Im eher Bush-kritisch eingestellten Deutschland
dürften die Menschenmassen, die vergangenes Wochenende in New Yorks Straßen
gegen die Kriegspolitik des amtierenden Präsidenten demonstriert haben, die
Hoffnung auf einen baldigen Wechsel im Weißen Haus geweckt haben. Doch weit
gefehlt. Bushs Wiederwahl ist trotz des Irakdebakels gar nicht so
unwahrscheinlich. (Siehe Beiträge Seite 6.) Foto: Reuters |