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11.09.04 / Deplazierter Jubel der CDU

© Preußische Allgemeine Zeitung / 11. September 2004


Gedanken zur Zeit:
Deplazierter Jubel der CDU
von Wilfried Böhm

Noch nie war bei einer Landtagswahl im Saarland die Beteiligung der wahlberechtigten Bürger so gering wie an diesem 5. September. Ganze 55,5 Prozent der Wahlberechtigten beteiligten sich, das sind 13,2 Prozentpunkte weniger als bei den vorigen Wahlen. Ab 1965 hatten gar regelmäßig über 80 Prozent ihr Wahlrecht ausgeübt. Diesmal wurde die "Partei der 363.000 Nichtwähler" zur "stärksten" Partei.

Doch die CDU jubelt über ihre "absolute Mehrheit", fühlt sich "bestätigt" und "auch im Bund gestärkt". Die Realität aber ist: Diese "absolute Mehrheit" stützt sich bei genauerem Hinsehen auf gerade mal 25,6 Prozent, also rund ein Viertel aller Wahlberechtigten. Statt der 254.000 Wähler, die sich 1999 für die CDU entschieden hatten, waren es diesmal nur noch rund 210.000, also über 50.000 weniger als vor vier Jahren.

Kanzler Schröders Genossen im Saarland verloren 110.000 Stimmen, und bezogen auf die Gesamtheit der Wahlberechtigten erhielten sie noch ganze 16,6 Prozent. Die Grünen, die ebenso wie die FDP beglückt ihren Einzug in den Landtag feiern, haben ganze 2,9 Prozent der Wahlberechtigten dazu gebracht, "grün" anzukreuzen. Die FDP darf sich über knapp 2,7 Prozent der Wahlberechtigten freuen. Immerhin brachten diese "stolzen Zahlen" den beiden jeweils drei Landtagsmandate ein.

Das Fallbeil der Fünfprozenthürde traf hingegen sechs kleine und kleinste Parteien, die immerhin fast elf Prozent der Wähler (48.000 Stimmen) auf sich vereinten, was mehr Stimmen ausmacht als Grüne und FDP zusammen erhielten. Sechs Prozent der Wahlberechtigten haben sich für diese Parteien entschieden, zu denen unter anderen die extremistische NPD, die kommunistische PDS und die grundsolide Familienpartei gehören.

Die Gesamtheit dieses Wahlergebnisses zeigt zunehmende Parteienverdrossenheit, die sich in Wahlenthaltung niederschlägt, zugleich aber auch die Zunahme der Stimmen für ein Konglomerat von Kleinparteien unterschiedlichster Prägung. Daraus läßt sich sowohl Protest als auch die Suche nach anderen Wegen erkennen. So betrachtet ist aus Wahlenthaltung eine Art von Volksabstimmung über das gegenwärtige Parteiensystem geworden, weil sich mehr und mehr Wähler gezwungen fühlen, ihre Stimmen für ein "kleineres Übel" abzugeben, oder aber gar nicht teilzunehmen.

Die Fünfprozentklausel, seit Jahrzehnten als angebliches Mittel zur Stabilisierung des demokratischen Parteiensystems gelobt, wird angesichts dieser Entwicklung immer problematischer. Sie wird mehr und mehr zu einer Verhinderung der Innovationsfähigkeit der parlamentarischen Demokratie und gleichzeitig fördert sie die Flucht vieler Bürgerinnen und Bürger in die Wahlenthaltung.

Die Absenkung der Fünfprozentklausel auf zwei Prozent wäre ebenso gerechtfertigt, wie die Einführung plebiszitärer Elemente in das deutsche Verfassungswesen, auch auf Bundesebene. Die sture Ablehnung von Volksbefragungen und Volksinitiativen, auch auf Bundesebene, durch die CDU ist heutzutage nicht mehr nachzuvollziehen. Der Hinweis auf verhängnisvolle Fehlentwicklungen in der deutschen Politik der 30er Jahre unterstellt, daß die gesamte Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland im letzten halben Jahrhundert nicht zu einer demokratischen Bewußtseinsbildung geführt hat und lebt praktisch eine Art von Mißtrauen gegen das eigene Volk.

Die Deutschen sind aber heute so demokratisch wie die Nachbarn in Europa, die das Recht auf Plebiszite als selbstverständlich ansehen und praktizieren. Es kann auch in dieser Hinsicht in Europa nur gleiches Recht für alle gelten.


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