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11.09.04 / Im Zentrum aller Kreise / China rüstet sich nicht nur mit neuem Selbstbewußtsein

© Preußische Allgemeine Zeitung / 11. September 2004


Im Zentrum aller Kreise
China rüstet sich nicht nur mit neuem Selbstbewußtsein
von A. Rothacher

Für den deutschen Bundeskanzler war bei seinem Chinabesuch im Dezember die Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China geboten. Sein Außenminister tönt seither öffentlich über Menschenrechtsverletzungen im Lande, arbeitet aber heimlich in der EU-Konzertierung auch an der Aufhebung. Am stärksten drängen die Franzosen, die in der Vergangenheit sowohl China als auch Taiwan versorgt hatten, auf die lukrativen Exportgeschäfte auf dem größten Absatzmarkt der Welt. Während Xavier Solana Schützenhilfe leistet (China habe sich im letzten Jahrzehnt sehr gewandelt, behauptet er) und England sich bedeckt hält, scheiterte die unselige Achse Paris-Berlin bislang am Einspruch Dänemarks und Schwedens - und am massiven Widerstand der USA. Die Aufrüstung Chinas mit modernen Waffensystemen gegenüber seinen Erzfeinden Taiwan, Japan, den USA und Indien würde in der Tat die Kriegsgefahr und die Rüstungsspirale in Ostasien massiv anheizen.

Die ersten Anzeichen einer verkappten Rüstungszusammenarbeit sind unverkennbar. Im März 2004 veranstalteten die französische und die chinesische Marine eine gemeinsame Seeübung im Ostchinesischen Meer. Großbritannien verkaufte China Dutzende von Spey-Düsenmotoren für seine Kampfbomber. Am globalen Ortungssystem Gallileo, dessen Entwicklung den EU-Steuerzahler 3,4 Milliarden Euro kostet, sicherten sich die Chinesen mit einer Beteiligung von sieben Prozent für nur 230 Millionen Euro den Zugriff. Gallileo hat wie das amerikanische GPS System nicht nur die Aufgabe, Autofahrern aus dem Stau zu verhelfen, sondern ist auch ein unverzichtbares Mittel der Truppenführung, Ortung im Bewegungskrieg und Steuerung von Marschflugkörpern.

1989 erstickten Chinas Panzer die demokratische Revolte in Peking und Schanghai in einem Blutbad. 10.000 Menschen starben. Darauf verhängte die westliche Welt ein Waffenembargo. Das störte die Pekinger Führung zunächst wenig. Als sie im Golfkrieg 1991 mitverfolgen mußte, wie die USA den irakischen Generalstab elektronisch ausschalteten und mit Präzisionswaffen das moderne sowjetische und chinesische Kriegsgerät der Iraker in Sekundenschnelle zu rauchendem Schrott schossen, hielten sie die CNN-Berichterstattung für eine dreiste Propagandalüge. Es dauerte zwei Jahre, bis sie sich zu Konsequenzen aufraffen konnten. Für die nun beschlossene Modernisierung der chinesischen Sreitkräfte liefern vor allem Russen Suchoj-Jagdbomber und Abfangjäger, Flugabwehrraketen, T-72-Panzer, Unterseeboote und moderne Zerstörer, insgesamt für bisher zehn Milliarden US-Dollar. In geringerem Maße halfen die Israelis mit Mehrfachraketenwerfern und bei der Umrüstung veralteter Kampfflugzeuge. Als die Israelis für 250 Millionen US-Dollar ein AWACS Frühwarnflugzeug den Chinesen verkaufen wollten, stoppten die Amerikaner im Juli 2000 das Geschäft im letzten Augenblick.

Mit der größten Armee der Welt, nämlich 2,4 Millionen Soldaten, zusätzlich 1,4 Millionen Mann der bewaffneten Volkspolizei, 8.300 Panzern, 2.500 Kampfflugzeugen, 650 Kurzstreckenraketen und 20 nuklearen Interkontinentalraketen, sollte sich China eigentlich sicher fühlen, sicher wie kaum je in seiner neueren Geschichte. Kein Land erhebt Gebietsansprüche auf chinesisches Territorium. Ein Großteil der Nachbarländer sind Klientelstaaten mit unterschiedlichen Graden der Abhängigkeit. Am stärksten ist sie bei den Pariaregimen von Nordkorea und Burma. Doch auch Vietnam, Laos, Bangladesch und Pakistan suchen tunlichst den Weisungen aus Peking zu genügen. Auch der Rest der barbarischen Welt zeigt sich willfährig. Statt der Geschenke, Kotaus und Tribute für die Qing Kaiser liefert er alljährlich in Milliardenhöhe Investitionen, billige Kredite und Technologiehilfen und entbietet diplomatische Unterwürfigkeit ohne im Gegenzug Nennenswertes zu erhalten. Die Nomenklatura der neuen Söhne des Himmels könnte zufrieden sein.

Doch fühlt sich die chinesische Führung von George Bush als "strategischer Konkurrent" mit Mißtrauen beäugt und schrittweise umzingelt. Erinnerungen an die selbst angezettelten Grenzkriege mit Indien (1962), der Sowjetunion am Ussuri (1969) und Vietnam (1979) sind noch virulent. Den USA wird angekreidet 1996, als China zur Begleitung der ersten freien Präsidentenwahlen auf Taiwan in dessen Hafenmündungen Übungsraketen abfeuerte, in die Region zwei Flugzeugträgergruppen entsandt zu haben. Im Luftkrieg der Nato gegen Serbien zerstörte 1999 ein US-Bomber die chinesische Botschaft. Die Chinesen bleiben überzeugt, daß dies kein unglücklicher Zufall war, zumal es seine ethnischen Minderheiten noch übler behandelt als die Serben ihre Albaner. Im April 2001 schließlich stürzte ein chinesischer F-8-Abfangjäger beim Versuch, ein Aufklärungsflugzeug der US-Marine über dem Südchinesischen Meer abzudrängen, ab.

Für Peking ist Taiwan der Kern der Einkreisungsstrategie der Amerikaner. Gegen Taiwan richtet sich seit den 90er Jahren als Ersatz für die unglaubwürdig gewordene kommunistische Ideologie ein aggressiver Nationalismus, der das wirtschaftlich und sozial zunehmend geteilte sowie kulturell und sprachlich disparate Riesenreich durch geeignete Feindbildbe- schwörungen zusammenhalten soll. Die Beistandsselbstverpflichtung der USA im Falle eines unprovozierten Angriffs auf Taiwan wird als "strategische Ambivalenz" bewußt unklar gelassen, um den Gegner durch die Unwägbarkeit der Risiken seiner Aggression abzu- schrecken. Dies gehört zur "Umzingelung" Chinas ebenso wie die US- Verbündeten Südkorea und Japan mit ihren hochmodernen Luft- und Seestreitkräften, die im Pazifik kreuzende 7. US-Flotte, die auf Okinawa, Guam und in Korea stationierten US-Truppen, die Mongolei und Kasachstan, die mit den USA Militärabkommen schlossen, die Erzfeinde Indien und Vietnam sowie ein gegenüber den chinesischen Absichten in Fernost mißtrauisches Rußland. Die Staaten Südostasiens hat China mit aggressiven, von Marineüberfällen unterstützen Ansprüchen auf ein riesiges Meeresgebiet der Paracel- und Spratly Inseln, der philippinischen Mischief-Riffe und der indonesischen Nantunas, wo im Südchinesischen Meer Öl- und Erdgasvorkommen geortet wurden, gründlich vor den Kopf gestoßen.

Professor Robyn Lim von der Nanzan Universität in Nagoya glaubt, daß die chinesische Führung in ihrer ethnozentrischen Weltsicht von der Überlegenheit der eigenen Zivilisation besessen sei und nun aus sei, das historische Unrecht des Westens - angefangen mit dem Opiumkrieg bis zu den Massakern der japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg - zu rächen. Ähnlich wie das japanische Militär der 30er Jahre sei sie zu irrationalen Kriegsentscheidungen bereit. Auch ohne realistische Siegesaussicht zählt die heroische Geste - auch um das wirtschaftlich, sozial und regional zerrissene Land unter seiner korrupten Nomenklatura zu einen. General Xiong Guangkai, der Chef des militärischen Geheimdienstes, hat den Amerikanern laut Economist in bilateralen Gesprächen schon einen Atomschlag auf Los Angeles angedroht.

Wie aus Streitkräftevergleichen des Kalten Krieges erinnerlich, täuschen auch die chinesischen Militärstatistiken eine Überlegenheit mit mehrheitlich schrottreifem Kriegsgerät der 50er und 60er Jahre sowjetischer Bauart und chinesischen Imitaten vor. Chinas militärisch-industrieller Komplex ist mit hunderttausenden Beschäftigten sicher der größte der Welt. Doch leidet er, neben der für alle kommunistischen Staatskonzerne üblichen Malaise unter den zusätzlichen militärischen Erschwernissen von Geheimnistuerei, politischen Interventionen und rigiden Hierarchien.

Chinas Rüstungshaushalt steigt seit den 90er Jahren jährlich um real mehr als zehn Prozent. Im offiziellen Militärhaushalt von derzeit 14 Milliarden US-Dollar sind zwar die Hälfte Personalausgaben. Doch gibt es zusätzlich verdeckte Posten für die militärische Forschung und Entwicklung, Subventionen für die Rüstungsindustrie und für Waffenimporte, die den realen Gesamtbetrag auf 31 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppeln. Damit liegt China im Bereich europäischer Mittelmächte wie Deutschland oder England. Seine Ausgaben entsprechen einem Zehntel derer des Pentagons. Deshalb beunruhigt weniger die Höhe der chinesischen Rüstungsausgaben als vielmehr ihre unmotiviert rasch expandierenden Steigerungsraten. Denn bis 2020, hat Ex-Präsident Jiang Zemin (jetzt Chef der Zentralen Militärkommission) angekündigt, werde das leidige Taiwanproblem endgültig gelöst, so oder so.

Heroisch: Chinas "Volksbefreiungsarmee" rüstet zum Kampf. Foto: Reuters


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