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11.09.04 / Zeugnis oder Erzeugnis, Fakt oder Fiktion? / Eine Ausstellung im Essener Ruhrlandmuseum geht dem Realitätsgehalt

© Preußische Allgemeine Zeitung / 11. September 2004


Zeugnis oder Erzeugnis, Fakt oder Fiktion?
Eine Ausstellung im Essener Ruhrlandmuseum geht dem Realitätsgehalt von Fotografien nach

Kein noch so ausgeprägtes Bewußtsein davon, was Fotografie ist oder sein kann, wird jemals der Faszination etwas anhaben können, mit der uns ein Bild erfüllt, das ein wachsamer Fotograf im richtigen Augenblick von einem unerwarteten Geschehen festhält", hat die amerikanische Schriftstellerin Susan Sontag einmal gesagt. Auch Wissenschaftler rätseln, was die Faszination einer Fotografie ausmacht. Warum gestehen selbst moderne Menschen unseres digitalen Zeitalters Fotografien einen größeren Wahrheitsgehalt zu als etwa akribischen Zeichnungen eines Künstlers?

In der Ausstellung "Wirklich wahr!" geht man im Essener Ruhrlandmuseum, Goethestraße 41, noch bis zum 26. September den Realitätsversprechen von Fotografien nach (dienstags bis sonntags 10-18 Uhr, freitags 10-24 Uhr; Katalog im Verlag Hatje Cantz, 220 Seiten, zahlr. Abb., gebunden mit Schutzumschlag, 29,80 Euro).

Bilder aus aller Welt von bekannten und weniger bekannten Fotografen führen den Betrachter auf einen Weg ins Ungewisse. Echt oder falsch?, fragt man sich an so mancher Stelle, vor allem wenn man erkannt hat, daß vermeintliche Reportagebilder aus einem Krieg in Wahrheit Teil einer perfiden Werbekampgane sind. Auch die Menschen auf Fotos, die einen allzu grauen Alltag zeigen, sind nicht unbedingt zu bedauern - sie sind Fotomodelle, die auf Wunsch des Fotografen ihre Haut zu Markte tragen - und das vor einer tristen Kulisse.

Zeugnis oder Erzeugnis, Fakt oder Fiktion - der Besucher ist angeregt, in vergleichender Befragung die Wahrheit herauszufinden. Dabei wird er mit verschiedenen Sparten konfrontiert - vom Journalismus über Dokumentation, Kunst, Werbung und Wissenschaft bis hin zu Schnappschüssen aus Fotoalben reicht die Reihe. Doch aufgepaßt: Ein Foto erscheint selten allein. Das Umfeld beeinflußt unbewußt oder bewußt die Botschaft und so auch die Glaubwürdigkeit. Erläuternde Texte weisen in der Ausstellung und auch im Katalog den Weg. Ausgewiesene Kenner beschäftigen sich mit Fragen der Authentizität und ihren Inszenierungen, aber auch mit der Geschichte der Fotografie.

"Eine Fotografie kann authentisch, aber unwahr sein, sie kann wahr und doch nicht authentisch sein", hat der Filmkritiker Rudolf Arnheim erkannt. Wie hoch der Wahrheitsgehalt von Fotografien im Gegensatz zur Kunst eingeschätzt wird, zeigt eine Anekdote, die Heinz v. Foerster von Pablo Picasso überlieferte und die ebenfalls im Katalog zur Essener Ausstellung zu lesen ist: Ein reicher Amerikaner kritisierte Picasso und seine Darstellung des Menschen, warum er sie nicht so male wie sie seien. Um zu zeigen, wie ein Porträt auszusehen habe, zeigte er dem Maler ein Paßfoto seiner Frau. Picasso: "Aha, das ist Ihre Frau. So klein ist sie. Und so flach!" hast

Ein Motiv ging um die Welt: Das Bild vom küssenden Paar in Paris, ein beliebtes Postermotiv, entstand 1950 im Auftrag der Illustrierten Life. Erst in den 1980er Jahren stellte sich vor Gericht heraus, daß der Fotograf Doisneau zwei Schauspieler für diese authentisch wirkende Szene engagiert hatte. Foto: Katalog


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