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25.09.04 / Sozialistische Mottenkiste

© Preußische Allgemeine Zeitung / 25. September 2004


Hans-Jürgen Mahlitz:
Sozialistische Mottenkiste

Es ist kein Zufall, daß Deutschland heute nicht nur in der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik schlecht dasteht, sondern auch im internationalen Bildungsvergleich; die jüngste Studie der OECD hat da nur bestätigt, was man eigentlich auch vor PISA schon hätte wissen müssen: Das "Volk der Dichter und Denker" ist nur noch Mittelmaß.

Das eine hängt eng mit dem anderen zusammen. Schon vor Jahrzehnten - Stichwort 68er Kulturrevolution! - wurden die Weichen gestellt. Wer heute, von PISA aufgeschreckt, versuchen will, wenigstens die schlimmsten Auswüchse aller möglichen (und unmöglichen) Schulreformen zu korrigieren, hat schlechte Karten. Der Zug ist längst abgefahren, und zwar in die falsche Richtung.

Viele der Schäden, die in den letzten Jahrzehnten von ideologisch verblendeten Pädagogen in den Köpfen und Seelen ganzer Schülergenerationen angerichtet wurden, lassen sich gar nicht mehr reparieren. Man kann nun einmal nicht die Zeit zurückdrehen - auch eine verpatzte Schulzeit nicht. Dennoch sollten wir nicht resignieren, sondern, so schwer das auch fallen mag, versuchen, das Ruder wieder herumzureißen, um des Wohles künftiger Generationen willen.

Und was hört man da aus der Ecke unserer rot-grünen Reformeiferer? "Einheitsschule" heißt das vermeintlich neue Zauberwort, das in Wahrheit uralt und verstaubt ist. Da haben die Bildungsideologen schon ganz tief in die sozialistische Mottenkiste gegriffen und die platteste Utopie hervorgekramt, die man sich überhaupt nur ausmalen kann.

Dahinter steht die alte Illusion von der absoluten Gleichheit aller Menschen. Dieser Irrglauben war schon im Zuge der Französischen Revolution in die blutige Praxis umgeschlagen, wenn schon nicht alle, so doch möglichst viele Menschen einheitlich um einen Kopf kürzer zu machen (was unsere geschätzten Nachbarn im Westen bis heute nicht davon abhält, von Égalité zu träumen).

Dann kamen Marx und Engels und erfanden den "sozialistischen Einheitsmenschen", der nicht mehr als Individuum existieren durfte, sondern nur noch im Kollektiv. In der Sowjetunion wurde dieser Unfug erstmals zur schul- und bildungspolitischen Leitlinie erhoben - man lese einmal nach, was ein gewisser Michail Iwanowitsch Kalinin, Mitstreiter Lenins und Stalins und allen Königsbergern bestens (beziehungsweise schlechtestens) bekannt, in den 40er Jahren diesbezüglich zu Papier gebracht hat.

Nicht nur in Moskaus Machtbereich einschließlich der DDR, auch im Westen geisterte der Wahn der Gleichmacherei jahrzehntelang durch linke Schulreform-Projekte. Immer wieder wurde uns vorgegaukelt, dann seien am Ende alle Menschen gleich klug, und immer wieder waren sie am Ende alle gleich dumm. Bei Karawanen in der Sahara mag es ja richtig sein, wenn das langsamste Kamel das Tempo bestimmt; in der Schule haben solche Prinzipien nichts zu suchen.

Die Idee (genauer: Ideologie) von der Einheitsschule ignoriert, daß die Menschen Individuen sind, mit höchst unterschiedlichen Begabungen, Interessen und Charakteren. Sie benachteiligt die Begabten und die Fleißigen, ohne den anderen auch nur im geringsten zu nutzen. So bewirkt sie genau das Gegenteil dessen, was Deutschland heute dringend braucht.

Vorrangig muß unser zweifellos reformbedürftiges Bildungssystem allen Menschen gleiche Chancen bieten, ihre individuellen Stärken zu nutzen und ihre individuellen Schwächen zu überwinden. Das ist etwas völlig anderes als der untaugliche Versuch, alle Menschen gleich zu machen. Und: Es ist nicht nur eine Frage des Geldes.


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