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25.09.04 / Außergewöhnlich - in Staats- wie Liebesdingen / Noch heute zehrt Sachsen vom einstigen Ruhm des Kurfürsten August des Starken

© Preußische Allgemeine Zeitung / 25. September 2004


Außergewöhnlich - in Staats- wie Liebesdingen
Noch heute zehrt Sachsen vom einstigen Ruhm des Kurfürsten August des Starken
von Uwe Greve

Sieben Dresdner Wunderwerke rühmte der barocke Chronist Iccander Anfang des 18. Jahrhunderts: "das unvergleichliche Zeughaus, die in aller Welt berühmte Kunstkammer, den recht königlich ausgezierten Stall, die in ganz Europa jetzt berühmteste Elbbrücke, das mit allen japanischen Kostbarkeiten versehene ostindische Palais am Weißen Tor, den seinesgleichen in Europa nichthabenden Zwingergarten und das große und trefflich ausmöblierte Jägerhaus". Doch Bauwerke von großem künstlerischen Wert waren im alten Dresden Legion: von der Frauen-, Kreuz- und Hofkirche über die Palais Brühl, Cosel, Boxberg, Prinz Max bis hin zur Semper-Oper und den Schloßanlagen des Zwinger oder im nahen Pillnitz und Moritzburg. Die glänzendste Periode der Stadt, über Jahrhunderte als Elbflorenz gerühmt, lag in der Zeit August des Starken, der das 1685 abgebrannte Altdresden nach einem großartigen Plan wiederaufbauen ließ. Seine architektonische Krönung fand das Vorhaben im wohl berühmtesten Bauwerk des sächsischen Barock, den Schloß- und Gartenanlagen des Dresdner Zwinger.

"Für Deutschland und das Kurfürstentum Sachsen war es ein Verlust, daß ein Fürst von so seltenen Vorzügen, die Friedrich August körperlich und geistig besaß, durch die polnischen Verwirrungen und Kriege gehindert war, für Deutschland allein zu leben", so Johann Gottfried Herder über Friedrich August I., Kurfürst von Sachsen und - als August II. - König von Polen, eine der interessantesten und schillernsten Persönlichkeiten der deutschen Geschichte.

Als Sohn des "Türkensiegers" Georg III. und Anna Sophia von Dänemark wurde er am 12. Mai 1670 geboren. Mit 23 Jahren heiratete er, der die militärische Laufbahn eingeschlagen hat, Christiane Eberhardine von Brandenburg-Kulmbach; wirklich geliebt hat er sie nie. Mit 24 Jahren ist er, von der Ausbildung her wenig vorbereitet, durch den Tod seines Bruders Georg IV. Kurfürst von Sachsen. Ob der sich bald einbürgernde Beiname "der Starke" sich auf seine außergewöhnlichen körperlichen Kräfte oder auf seine exzessive männliche Aktivität bezog, darüber ist sich die Geschichtsschreibung nicht einig. Einig ist sie sich darin, daß August mit großem Tatendrang und Phantasie in den "Wettlauf der deutschen Dynastien" eingriff, der mit dem Aufstieg Preußens seinen Anfang genommen hatte. Er verwarf aus taktischen Erwägungen das protestantische Glaubensbekenntnis und trat zum Katholizismus über. Das bedeutete zwar den Verzicht Sachsens auf die Führung im politischen Protestantismus, eröffnete ihm aber zugleich die Möglichkeit zum Erwerb der polnischen Krone. Es genügte dabei nicht, Österreich auf seine Seite zu bringen und die französische Konkurrenz zu verdrängen. Gewaltige Summen mußten aufgebracht werden, um die kirchlichen Machthaber Polens zu befriedigen. 1697 hatte er sein Ziel erreicht.

Schon liebäugelte er mit dem Erwerb einer schlesischen Landbrücke nach Polen und der Schaffung von Nebenländern in Un-teritalien und am Rhein, als er sich unversehens durch ungeschickte Bündnispolitik in den Nordischen Krieg verstrickt sah. Der strategischen Überlegenheit des genialen schwedischen Königs Karl XII. waren auch die sächsischen Truppen nicht gewachsen, zumal sie sich durch die Teilnahme am Spanischen Erbfolgekrieg verzettelt hatten. Im Februar 1706 wurden die Sachsen nach mehreren Niederlagen bei Fraustadt vernichtend geschlagen und die Schweden zogen in Sachsen ein. Am 24. September 1706 mußte August im Frieden zu Altranstädt auf die polnische Krone verzichten. Als am 8. Juli 1709 Karl XII. bei Poltawa das Kriegsglück verließ und er eine folgenreiche Niederlage gegen Peter den Großen erlitt, zögerte August nicht, seine Ansprüche auf die polnische Krone zu erneuern, wurde zum zweiten Male König von Polen und sicherte zugleich die Erbfolge für seinen Sohn. Insgesamt kann man sagen, daß es August dem Starken anfangs an einem aus der Erfahrung erwachsenen Verständnis für die Grenzen seiner Fähigkeiten und Machtmittel fehlte, daß er aber in harter Arbeit an sich durchaus zu guten staatsmännischen Leistungen gelangte. Am Ende lockte ihn allein noch die deutsche Kaiserkrone, als das Haus Habsburg im Mannesstamme auszusterben drohte. In seinem Testament empfohl er seinem Nachfolger besonders die Schonung der religiösen Empfindungen des Volkes; ein Zeichen dafür, daß er die Problematik des durch sein Verhalten entstandenen Glaubensunterschiedes zwischen Fürstenhaus und Volk erkannt hatte.

Manchen Fortschritt gab es unter August in der Landesverwaltung. Es gelang ihm jedoch nicht, sich finanziell von den Ständen so unabhängig zu machen, wie es Friedrich Wilhelm von Preußen durch die Erneuerung des Kammerwesens und die Bildung des Generaldirektoriums erreicht hat. Bis in die Tage des Schwedeneinfalls stieg der Handel in Sachsen an und gelangte auch nach der Überwindung der Besetzung zu neuer Blüte. Der Betrieb der sächsischen Post wurde vom Staat selbst übernommen. Sachsen spielte die ausschlaggebende Rolle beim Entstehen der Reichshandwerksordnung von 1731, wie über-

haupt sich August der Starke immer wieder persönlich um die Gewerbe-pflege kümmerte. Auf seine Initiative geht auch eine neue Rechtsordnung zurück, die eine Milderung des Strafwesens im Zivil- wie im Militärrecht mit sich brachte.

Viel Persönliches ist bei der Hauptgestalt der "augusteischen" Epoche Sachsens zur Legende geworden: der athletische Herrscher zerbricht Hufeisen, zerknetet metallene Becher und siegt bei spektakulären Wettritten; bei einem Besuch in Wien soll er einen Jesuitenpater freihändig zum Fenster der Wiener Hofburg herausgehalten, ihn aber dann doch wieder ins "Gemach zurückgestellt" haben. Seine amourösen Abenteuer sind mit den Namen seiner wichtigsten Mätressen verknüpft: Anna Konstanze von Brockdorf, Aurora von Königsmark, die Gräfin Orzelska, die Gräfin Dönhoff, die Renardi. Aber auch des Weinhändlers Duval schöne Tochter Henriette, das Fräulein von Osterhausen und viele andere spielten in seinem Leben eine Rolle; insgesamt 354 Kinder werden ihm zugeschrieben. Das weitgespannte Liebesleben brachte ihm manche "organisatorischen" Schwierigkeiten, so etwa, als fast zur gleichen Zeit der Thronfolger geboren und auch die Gräfin Königsmark eine Sohn von ihm zur Welt bringt. Die Entscheidung, welche er zuerst besuchen soll, löst er auf seine Weise: er bleibt, wo er gerade ist, bei der Gräfin Esterle in Wien.

Weniger kritisch als seine Frauengeschichten sahen seine Zeitgenossen andere Aktivitäten Augusts. 1710 ließ er die Meißener Porzellan-Manufaktur errichten. Die Maler Silvestre, Monjocki, Rigaud und Fehling genossen seine Gunst. Zwar bewegt sich die Dichtung noch ganz im Rahmen höfischer Poesie, aber die Musik wurde zu repräsentativer Hofkunst entwickelt. Der Orgelbauer Silbermann erhielt eine Reihe von Aufträgen. Verständnis und Wohlwollen zeigt der Kurfürst für Johann Sebastian Bach. Große Sammlungen gingen auf seine Initiative zurück: die kostbaren Edelsteine im "grünen Gewölbe", Porzellane aus dem Fernen Osten, Tiere aus Südamerika. Er ließ den "Atlas Augusteus" herstellen, eine geographische Landesaufnahme, die noch heute von Fachleuten als eine gelungene Vereinigung von "fürstlicher Repräsentation, nützlicher Landvermessung und angewandter Wissenschaft" gelobt wird.

August des Starken eigene künstlerische Begabung finden wir in seinen architektonischen Entwürfen. Von ihr zeugen nicht nur viele eigene Skizzen, sondern auch die Bemerkung "Nach seiner Majestät eigenem dessin inventieret", die auf zahlreichen damaligen Plänen zu finden ist.

Ab 1710 entstand der Zwinger. Für die Zwingerarchitektur gab es in Dresden keine Vorbilder. Einflüsse des süddeutschen Barock eines Fischer von Erlach und italienischer Barockmeister sind unverkennbar. Geboren aus dem gemeinsamen Sieg über die Türken vor Wien 1683, der nach Jahrzehnten der Kriegsgefahr einen neuen Höhenflug der Architektur möglich machte, war dieser Stil zugleich eine Verkörperung der Reichsidee, der sich August der Starke besonders nach 1711 verpflichtet fühlte, als Joseph I. gestorben war und er vergeblich den Traum eines neuen sächsischen Kaisertums träumte. Im Zwinger ist fast ein steinernes Sinnbild dieses Kaisertraums zu sehen.

Erlebte der Zwinger zu Zeiten Augusts viele prunkvolle Feste und Turniere, so wurde es später still um ihn. Im Siebenjährigen Krieg durch Beschuß beschädigt, ebenso in den napoleonischen Kriegen, 1849 durch Brand in Mitleidenschaft gezogen, begann im Jahre 1924 seine systematische Erneuerung, die bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges äußerlich abgeschlossen war. Am 14. Februar 1945 zerstörte einer der sinnlosesten Terrorangriffe englischer Bombengeschwader auch den Zwinger. Unter der sachkundigen Leitung von Professor Fritz Löffler erstand die herrliche Schloßanlage bis 1964 erneut und zählt heute jährlich Hunderttausende von Besuchern - eines der Zeugnisse einer künstlerisch großen Epoche.

Legendär: Eine Dekormalerin verziert in der Sächsischen Porzellan-Manufaktur Vasen. Die opulenten Gefäße mit dem Bildnis des sächsischen Kurfürsten, August des Starken, der auch König von Polen war, sind vor allem bei polnischen Touristen beliebt. Foto: ddp


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