Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
©
Preußische Allgemeine Zeitung / 02. Oktober 2004
Handel und Industrie sind die wichtigsten Quellen des Wohlstandes. Mit der
Industrie hängt der Arbeiterstand zusammen. Ihn leistungsfähig zu erhalten ist
unsere Pflicht. Wir müssen exportieren: Entweder wir exportieren Maschinen oder
wir exportieren Menschen. Mit dieser steigenden Bevölkerung sind wir ohne eine
gleichmäßig wachsende Industrie nicht in der Lage, weiter zu leben." Dieser
Ausschnitt aus einer Rede des Reichskanzlers Graf Leo von Caprivi vor dem
Deutschen Reichstag am 10. Dezember 1891 kennzeichnet das brennendste Problem
des Deutschen Reiches, das durch Geburtenüberschüsse einen dramatischen
Bevölkerungszuwachs von jährlich 600.000 Menschen erlebte. Als Folge der
unzureichenden Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Lande drängte die junge
Landbevölkerung in die industrialisierten Städte. Nach der Erfindung der Dampfmaschine im Jahre 1770 hatte Anfang des 19.
Jahrhunderts die Industrialisierung in England begonnen. Es war die größte
technische Revolution in der Menschheitsgeschichte. Um im Jahre 1834 in
Petersburg die Alexandersäule mit einem Gewicht von 876.000 Kilogramm zu
errichten, waren 681 Arbeiter, 1.950 Soldaten, 62 Winden, 186 Flaschenzüge und
mehr als 100 Pferde erforderlich. Nur wenige Jahre später wurden die
Eisenkästen der Britanniabrücke in England mit Gewichten von jeweils 1.900.000
Kilogramm nur von einer Dampfmaschine und drei hydraulischen Pressen aufgezogen.
Dramatische Veränderungen im menschlichen Zusammenleben waren die Folge. Die
Industrialisierung schwappte auf den europäischen Kontinent über. Der im
württembergischen Reutlingen geborene Professor Friedrich List ahnte die
kommende Entwicklung und forderte schon im Jahre 1819: "Die wachsende Macht
Amerikas und die Vergrößerungssucht Rußlands gebieten einen einheitlichen
Wirtschaftsraum in Deutschland und in Europa." In Frankreich hatte Alexis de
Tocqueville ähnliche Forderungen erhoben und Henri Richelot trat 1845 als einer
unter vielen anderen Franzosen für einen machtvollen Bund zwischen Frankreich
und Deutschland ein. Ein solcher Bund läge im wirtschaftlichen und politischen
Interesse beider Länder. Überlieferung und Geschichte sind der Untergrund der Marktwirtschaft. Die
Menschen müssen, so Wilhelm Röpke (1899 bis 1966; gilt als einer der Väter
der Sozialen Marktwirtschaft), unter Bedingungen aufwachsen, die feste sittliche
Normen begünstigten. Dazu gehörten Arbeitsfleiß, Gerechtigkeitssinn,
Ehrlichkeit, Fairneß, Ritterlichkeit, Maßhalten, Gemeinsinn und die Achtung
vor der Menschenwürde des anderen. Es seien feste sittliche Normen, die die
Menschen bereits mitbringen müßten, wenn sie auf den Markt gehen und sich im
Wettbewerb miteinander messen wollen. Eine der spürbarsten Auswirkungen der Industrialisierung war die Entstehung
des Arbeitsmarktes. Arbeit stellt einen wichtigen Faktor der Wirtschaft dar.
Weitere Faktoren sind unternehmerisches Eigenkapital, Standort, Bildung,
Fähigkeiten und Fertigkeiten der Menschen. In der modernen Terminologie spricht
man von den staatlichen Rahmenbedingungen einer Wirtschaft, wozu Regierung,
Verwaltung, Gesetze, Steuern und Abgaben, Straßen, Schienen, Häfen sowie
weitere Infrastruktureinrichtungen gehören. Um diese Faktoren der Wirtschaft zu
koordinieren, kommt dem Staat eine wichtige verbindende Aufgabe zu. Der Staat
ist unentbehrlich. Freiheit und Erfolg der Wirtschaft sind das Spiegelbild des
Staates und umgekehrt ist der Staat das Spiegelbild von Freiheit und Wirtschaft.
Hinsichtlich dieser gegenseitigen Bezogenheit besteht unter allen Richtungen der
Wirtschaftswissenschaften heute kein Streit mehr. Allerdings fällt es
ideologisch belasteten Historikern und Politikern schwer, diese Regel auch auf
die Regierung des Deutschen Kaiserreichs (1871-1918) anzuwenden. Hier nimmt
man Zuflucht zu einem Taschenspielertrick, indem man die außergewöhnlichen
wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Leistungen Deutschlands nicht auf den
Staat, auf seine Tradition und seinen Einfluß zurückführt, sondern den Staat
und seine Verwaltung von dem Erfolg der Wirtschaft trennt. Der Oberguru der
marxistischen Geschichtsschreibung, Professor Hans Ulrich Wehler, meinte: "Regierung,
Wirtschaft und Kultur sind eigenständige Dimensionen und daher nicht
voneinander ableitbar". Der preußisch-deutsche Staat sei unmodern,
rückwärtsgewandt, von einer Adelsclique beherrscht, militärisiert und
autoritär verformt gewesen. Angesichts der erstaunlichen Leistungen
Deutschlands auf nahezu allen Gebieten gehört schon eine gehörige Portion
geistiger Beschränktheit dazu, um dieser marxistischen Unlogik folgen zu
können. Daß so viele Menschen diesem Geschwätz Glauben schenken, hängt mit
der Manipulierbarkeit menschlicher Überzeugungen zusammen. Auf dieses Phänomen
der Manipulierbarkeit des Denkens durch ständige Wiederholung von falschen oder
unbegründeten Behauptungen hat bereits Ende des 19. Jahrhunderts der berühmte
französische Arzt Gustave de Bon in seiner Abhandlung über die Psychologie der
Massen hingewiesen. Seine Ausführungen haben bis zum heutige Tage nichts von
ihrer Gültigkeit und Bedeutung verloren. Bildung und Intelligenz eines Menschen
schützen ihn leider nicht vor seiner Manipulierbarkeit. Es ist festzuhalten: Die internationale Wissenschaft erkennt mehr und mehr
an, daß das deutsche Kaiserreich die modernste und fortschrittlichste
Wirtschafts- und Sozialverfassung des 19. und 20. Jahrhunderts besaß. Auch der Arbeitsmarkt unterliegt der politischen Manipulation. Begriffe wie
soziale Gerechtigkeit, Ausbeutung, Demokratisierung der Betriebe, soziale
Unausgewogenheit oder sozialer Frieden sind Waffen, mit denen in der politischen
Auseinandersetzung der Gegner niedergestreckt wird. Die kleine Verkäuferin und
der bedauernswerte Postbote müssen dafür herhalten, Neidgefühle zu erzeugen,
die ebenfalls als Instrumentarium dienen, um eine sachliche Auseinandersetzung
zu verhindern. Konfusion und Illusionen über die Wirtschaft werden auch durch
wissenschaftliche Theorien und Modelle hervorgerufen. Die meisten von ihnen sind
in der Versenkung verschwunden, wo sie Tonnen von Papier hinterlassen haben. Als Ludwig Erhard die Marktwirtschaft einführte, standen ihm zahlreiche
Kritiker entgegen. Wirtschaftstheoretiker, Sozialdemo- kraten, Gewerkschaften
und der linke Flügel der CDU prophezeiten Armut, Elend, Massenarbeitslosigkeit
und die grauenvollsten sozialen Zustände. Großbritannien und Frankreich, die
sich damals für den sozialistischen Weg entschlossen hatten, wunderten sich,
daß Deutschland als besiegtes Land schon nach knapp zehn Jahren zum reichsten
Land Europas aufgestiegen war. Welche Voraussetzungen, fragen wir uns nun, müssen in einem
industrialisierten Land für einen gesunden Arbeitsmarkt vorliegen, daß heißt
für eine geringe Arbeitslosigkeit? Die Antwort ist ganz einfach:
Arbeitslosigkeit entsteht, wenn die Arbeitskosten zu hoch und die
Unternehmensgewinne zu niedrig sind. Auf allen Märkten sinkt die Nachfrage nach Gütern, wenn die Preise steigen.
Für Arbeit gilt das gleiche. Steigen die Löhne, sinkt die Nachfrage nach
Arbeitskräften und die Schwarzarbeit nimmt zu. Sinkenden Löhnen wiederum folgt
eine steigende Beschäftigung. Nur wenn die Löhne "marktgerecht" sind,
entsteht mehr Beschäftigung. Sind die Arbeitskosten zu hoch, investieren die
Unternehmer nur noch, um zu rationalisieren und die Zahl ihrer Beschäftigten
abbauen zu können. Die Forderung der Gewerkschaften nach kürzerer Arbeitszeit
bei gleichem Lohn verteuert die Arbeitskosten und produziert höhere
Arbeitslosigkeit. Schlußfolgerung: Wenn die Arbeitslosigkeit in Deutschland
abgebaut werden soll, müssen Gewerkschaften und Sozialpolitiker die Perversion
ihres Denkens verändern. Für die Steigerung des Wohlstandes muß nicht
weniger, sondern wieder mehr gearbeitet werden. Die preußischen Könige waren keine Theoretiker, sondern Pragmatiker. Der
34jährige König Friedrich Wilhelm I. sagte im Jahre 1722: "Die Bevölkerung
ist der Reichtum eines Landes. Eine Regierung hat nicht zu faulenzen, sondern zu
arbeiten und die Länder wohl zu regieren. Wirtschaft und Fabriken sind der Nerv
aller Staatsangelegenheiten. Sie müssen daher unterstützt werden. Alles, was
eine Regierung kauft, muß richtig bezahlt werden. Macht keine Schulden und gebt
nicht mehr aus als ihr einnehmt. Dann werden die Provinzen florieren und sich
die Finanzen wohl befinden." Und sein Sohn, der spätere Friedrich der Große, meinte in seinem
politischen Testament 40 Jahre später: "Eine Regierung muß sparsam sein, weil das Geld, das sie erhält, aus dem
Blut und Schweiß des Volkes stammt. Nur die Völker sind glücklich, die unter
der Herrschaft einer Regierung leben, die ihre Finanzen gut geregelt hat. Die Hirten scheren ihre Schafe, aber sie ziehen ihnen nicht die Haut ab. Es
ist nicht gerecht, wenn der Bürger die Hälfte seines jährlichen Einkommens
mit dem Staat teilen muß. Bauer, Bürger und Edelmann müssen in einem gut
verwalteten Staat den größten Teil ihrer Einkünfte selbst genießen können." Auch wenn diese Sätze für viele Theoretiker zu einfach klingen mögen, sie
sind für eine wachsende Wirtschaft noch heute richtig. Um diese Einsichten zu
verstehen, ist kein Wirtschaftsstudium erforderlich, sondern nur gesunder
Menschenverstand. "Unternehmer müssen in einem gutverwalteten Staat über den größten Teil
ihrer Einkünfte selbst verfü gen können". Nur dann bleiben ihnen aus dem
Gewinn genügend eigene Mittel zur Verfügung für die Investitionen, die zur
Schaffung von Arbeitsplätzen erforderlich sind. Wegen der hohen Steuerbelastung
und der hohen Arbeitskosten leiden die deutschen Mittelbetriebe seit 30 Jahren
an einem eklatanten Mangel an Eigenkapital. Kein Unternehmer wird bei einer
schwierigen Wirtschaftslage zur Expansion und Schaffung von Arbeitsplätzen
seinen Betrieb weiter verschulden. Anders sieht die Sache aus, wenn er die
Investitionen aus seinem Gewinn finanzieren kann. Dann ließe sich das Risiko
für ihn besser einschätzen. Wie sah die Arbeitswelt in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg aus? Mit
einer Arbeitslosenquote von durchschnittlich ein bis zwei Prozent während eines
Zeit-raums von 43 Jahren nahm Deutschland eine Sonderstellung in Europa ein. In
Frankreich und in England betrug die Arbeitslosigkeit zwischen sechs und zehn
Prozent, sie war daher mindestens sechsmal so hoch wie in Deutschland. Die
steuerliche Belastung jedes einzelnen Bürgers lag in Deutschland am
allerniedrigsten. Sie betrug zwischen vier und sechs Prozent des Einkommens, nur
bei sehr hohem Einkommen stieg sie auf zwölf bis 13 Prozent. Diese
verhältnismäßig geringe Steuer war die Ursache für die geringe
Arbeitslosigkeit. Der Staatsanteil betrug damals 14 Prozent, heute beträgt er
50 Prozent! Und die Ursache für die geringen Steuersätze waren die niedrigen
Staatskosten. Deutschland wurde von nur 420.000 Beamten verwaltet und regiert,
davon hatten ganze 320 Beamte den Dienstgrad eines Ministerialrats oder
darüber. Die Bundesrepublik Deutschland dagegen wird von über vier Millionen
öffentlich Bediensteten regiert und verwaltet, hierbei rechnen über 800.000
Bedienstete zum Höheren Dienst. Hinzu kommen die Angehörigen der Europäischen
Union, die Abgeordneten im Europäischen Parlament, im Bundestag und in den
Ländern, die Parteien, Parteistiftungen, Gewerkschaften, Sondereinrichtungen
und Subventionen, insgesamt ein riesiger kostspieliger Wasserkopf. Als ob es
nicht genug öffentlich Bedienstete in höchsten Rängen gäbe, werden noch
zusätzlich teure Kommissionen beschäftigt, die die fehlende Qualifikation der
Ministerialbürokratie und ihrer Mitarbeiter ersetzen müssen. Es gibt in
Deutschland neben dem Bundessozialministerium noch 16 Sozialministerien in den
Ländern. Diese Ministerien sind mit Ministern, Staatssekretären und
Fachbeamten mehr als reichlich ausgestattet. Warum können diese nicht die
Gesetze für Beitragshöhe und Rentenhöhe selbst errechnen? Wozu braucht der
Kanzler noch Kommissionen und Berater? Marktwirtschaft sollte Unternehmerwirtschaft heißen. Damit würde die für
die Volkswirtschaft so eminent wichtige Rolle des Unternehmers als Arbeitgeber
deutlich. Vielleicht würde dadurch auch die politische Diffamierung des
Unternehmers aufhören. Nach Einführung der Marktwirtschaft im Jahre 1949
machte sich schon bald der Machtanspruch der Gewerkschaften geltend. In
göttlicher Einigkeit beschlossen die Parteifunktionäre nahezu aller Parteien
das Mitbestimmungsgesetz. Von da ab saßen die Gewerkschaften bei
Tarifverhandlungen nicht nur auf der Seite der Arbeitnehmer, sondern auch auf
der Seite der Arbeitgeber. Die Vorstände der Aktiengesellschaften hingen in
ihrer persönlichen Existenz von den Gewerkschaftsvertretern im Aufsichtsrat ab.
Dieser programmierte Interessenkonflikt hat in den Boomjahren der Wirtschaft
nicht geschadet. Doch heute behindert er die unternehmerische Unabhängigkeit,
die für den Erfolg einer Wirtschaft so eminent wichtig ist. Ein noch gravierenderes Behinderungsgesetz für Unternehmer ist das
Betriebsverfassungsgesetz. 260.000 Betriebsräte in den deutschen Unternehmen
haben nur eine Aufgabe, den Unternehmer zu behindern, ihm die Flügel zu
beschneiden. Viele seiner Einfälle kann der Unternehmer in Deutschland nur nach
zähen und ermüdenden Dis-kussionen mit intellektuell häufig überforderten
Betriebsräten umsetzen. Dieses Gesetz ist nicht nur eine Benachteiligung
deutscher Unternehmer im internationalen Wettbewerb, sondern auch ein wichtiger
Kostenfaktor innerhalb der Betriebe. Viele Betriebsräte sind vernünftig, aber
andere agieren selbstherrlich ohne Rücksicht auf die Interessen des
Unternehmens. Eine weitere Behinderung der Unternehmer erfolgt durch den gesetzlichen und
richterlichen Kündigungsschutz, der im internationalen Wettbewerb ebenfalls
einen erheblichen Nachteil für deutsche Unternehmer darstellt. Ein weiterer Grund für unsere hohe Arbeitslosigkeit liegt darin, daß die
Gewerkschaften in den letzten Jahren durchgesetzt haben, die Löhne über den
Produktivitätsfortschritt hinaus zu steigern. Es gehört zu den ehernen
Wirtschaftgesetzen, daß die Vorteile der Produktivitätssteigerung mindestens
zur Hälfte den Unternehmen zustehen müssen, um Spielraum für weitere
Investitionen zu schaffen. Dieses Gesetz wurde im Deutschen Kaiserreich über 43
Jahre lang befolgt. Es ist die Zauberformel für eine Wirtschaft, die wachsen
und damit neue Arbeitsplätze schaffen soll. Wenn sich Gewerkschaften und
Unternehmer hiergegen versündigen, wie es in den zurückliegenden Jahren der
Fall gewesen ist, werden die Arbeitskosten zu hoch und die Wirtschaft kommt ins
Stocken, Arbeitslosigkeit ist die Folge. Natürlich gehören zu jedem Tarifvertrag zwei Unterschriften. Doch den
Unternehmen bleibt manchmal keine andere Wahl, als den Forderungen der
Gewerkschaften zu entsprechen, um weitere Schäden von ihren Unternehmen
abzuhalten. In einer schwierigen wirtschaftlichen Lage umgeht der Unternehmer
soweit wie möglich Streiks, um Arbeitsausfälle und Lieferungsengpässe zu
vermeiden. Als vor nicht allzu langer Zeit der oberste Gewerkschaftsfunktionär
in Deutschland unmittelbar neben dem Bundeskanzler stand und erklärte, die
Gewerkschaften würden mit den geplanten oder bereits in Kraft getretenen
Reformgesetzen nicht einverstanden sein und dagegen mobil machen, habe ich mich
erschrocken. Gesetzgebung soll nicht mehr im Parlament stattfinden, sondern bei
den Gewerkschaften. Und was noch erschreckender war, hierauf erfolgte kein
Aufschrei in den Medien. Der große französische Rechtsdenker Charles de Montesquieu (1689-1755)
definierte den Rechtsstaat, indem er die Trennung der drei staatlichen Gewalten:
Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung forderte. In der Verfassung der
Bundesrepublik Deutschland ist diese sogenannte Gewaltenteilung festgeschrieben
worden, doch haben sich die Parteien über diesen Grundsatz der Verfassung
hinweggesetzt. Sie haben inzwischen alle drei Gewalten für sich usurpiert. Ein
Abbau unseres Rechtsstaats? Seit Montesquieu bedeutet Rechtsstaat Trennung der
staatlichen Gewalten. Und jetzt beanspruchen sogar die Gewerkschaften, in die
Gesetzgebung eingebunden zu werden. Daß sich Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg einer so geringen
Arbeitslosigkeit erfreuen konnte, lag nicht nur an der geringen Steuer- und
Abgabenbelastung, auch nicht allein an der freiheitlichen Wirtschaftsordnung,
die den Unternehmern eine heute nicht mehr vorstellbare Freiheit und Entfal-
tungsmöglichkeit einräumte, sondern auch an dem hohen Bildungsniveau der
Bevölkerung. Auf den damaligen Hightechgebieten Chemie, Elektrotechnik, Optik
und Maschinenbau war Deutschland weltweit führend. Die Analphabetenquote lag
trotz des enormen Geburtenüberschusses von 600.000 pro Jahr nur bei einem
Prozent; in den anderen Ländern bei zehn Prozent und darüber. Während
Deutschland bis 1918 20 Nobelpreisträger in Naturwissenschaften aufzuweisen
hatte, waren es in England nur acht Preisträger und in Frankreich nur sieben.
Es würde hier zu weit führen, über die Bildungspolitik im einzelnen zu
sprechen. Aber es läßt sich nicht bezweifeln, daß sie einen entscheidenden
Einfluß auf die Leistungskraft der deutschen Wirtschaft ausübte. Der jüdische
Gelehrte Professor Dr. David Nachmansohn in New York schrieb vor einigen Jahren:
"Um die Jahrhundertwende war Deutschland die führende Industrienation
geworden. Es besaß eine gigantische pharmazeutische und chemische Industrie,
die 87 Prozent des Weltmarktes beherrschte. Auch die optische Industrie war von
unerreichter Qualität. Im Jahre 1840, mit einer Bevölkerung von rund 35
Millionen, war Deutschland ein Land der Armut, des Elends, des Hungers und der
Krankheiten. Es war der Schauplatz von Hauptmanns ,Die Weber'. Im Jahre 1910
war Deutschland mit einer Bevölkerung von rund 70 Millionen ein reiches Land
mit einer hochgebildeten Mittelklasse und einer Arbeiterklasse, die bessere
Lebensbedingungen und fortschrittlichere soziale Einrichtungen besaß als die
entsprechenden Bevölkerungsschichten in Frankreich und England." Ohne Senkung der Verwaltungs- und Regierungskosten sowie der Subventionen um
mindestens 20 Prozent läßt sich weder die Arbeitslosigkeit noch das
wirtschaftliche Klima wieder in Ordnung bringen. Zu dieser Senkung der
Staatskosten gehört auch die Reduzierung der Anzahl der Länder von 16 auf
höchstens acht Länder. Hierdurch allein wären Einsparungen von rund 100
Milliarden Euro möglich. Die öffentlich Bediensteten sind zu einem großen
Teil gewerkschaftlich organisiert und verhalten sich trotz ihres praktisch
unkündbaren Arbeitsplatzes wie Mitarbeiter der Wirtschaft. Ihr Sinn dafür,
daß sie in erster Linie dem Gemeinwohl zu dienen haben, ist nur spärlich
entwickelt. Da die Mehrheit der Abgeordneten von öffentlich Bediensteten und
Angehörigen der Gewerkschaften gestellt werden, ist eine grundsätzliche
Sparpolitik über die Senkung der Staatskosten nicht zu erwarten. Bei dieser
Berufsgruppe gehört die Verantwortung gegenüber dem Gesamtwohl nicht zum
Berufsbild. Das ist von eigenen Interessen geprägt. An die Gesamtinteressen
denken nur wenige. Die meisten der über 2.000 deutschen Parlamentarier leben
nicht für die Politik, sondern von der Politik. Berlin wurde vor dem Ersten Weltkrieg von 20.000 Beamten verwaltet, davon
10.000 ehrenamtlichen. In der Weimarer Republik verschafften die Parteien ihren
Funktionären Pfründen, so daß die Berliner Verwaltung 1928 auf 40.000
Personen anstieg. Heute umfaßt die Berliner Verwaltung trotz des Rückgangs der
Industrie rund 300.000 Personen, für die von den Gewerkschaften sogar höhere
Löhne gefordert werden. Kann man sich einen größeren Irrsinn vorstellen? Im angeblich so autoritär verformten Deutschland in der Zeit des
Kaiserreichs herrschte unter den jungen Männern Zuversicht und
Selbstbewußtsein. Daraus entstanden Familiengründungen. Eine geringe
Scheidungsrate beweist eine relative Stabilität in den familiären Beziehungen.
Es gab damals in Berlin so gut wie keine Einpersonenhaushalte, im Jahre 2001
dagegen sind es mehr als ein Drittel aller Haushalte. Was bedeutet das
wirtschaftlich? Alleinstehende sorgen nur für sich selbst, die Männer nicht
für eine Familie, die Frauen nicht für Kinder. Hieraus entsteht keine
Leistungsmotivation, kein Verantwortungsgefühl für andere und für die
Gemeinschaft. Eine autistische Gesellschaft, die sich nur noch um sich selbst
dreht, ist wirtschaftlich nicht erfolgreich. Zum Schluß ein Zitat von Wilhelm Röpke: "Man hüte sich vor jenen
Heiligen, die im Namen der Menschlichkeit und der sozialen Gerechtigkeit die
Marktwirtschaft zertrümmern und damit die Quelle verschütten, aus der die
soziale Ausgewogenheit schöpfen muß. Die Welt ist voll von solchen
Pseudo-Heiligen und Pseudo-Moralisten, die meist selbst finanziell nicht zu kurz
kommen." Hier führt der Chef persönlich: Ehrhardt Bödecker, Gründer und Leiter des
Brandenburg-Preußen-Museums in Wustrau bei Berlin und Autor dieses Beitrags,
erläutert einer Schülergruppe die Exponate. "Modell-Charakter": Zu den spektakulärsten Stücken des von Ehrhardt
Bödecker aufgebauten und geleiteten Brandenburg-Preußen-Museums in Wustrau
nordwestlich von Berlin zählt dieses Anschauungsmodell der Francke´- schen
Stiftungen zu Halle um 1730, einer geradezu beispielhaften preußischen
Sozialeinrichtung. Das Modell zeigt das Waisenhaus mit angrenzendem Lindenhof.
Die Stockwerke sind abnehmbar. Auch wenn sich die Inneneinrichtung nicht
vollständig erhalten hat, entsteht ein lebendiger Eindruck davon, wie die
Anstalten Franckes in der Anfangszeit aussahen. Das Hauptgebäude wurde in den
Jahren 1698 bis 1701 errichtet. Im aufgeklappten Teil lag der alte Schlafsaal
der Waisenknaben, im Erdgeschoß der erste Buchladen Franckes, im Obergeschoß
der alte Bet- und Singesaal mit der Kanzel in der Mitte - Ausdruck des
pietistischen emeindeverständisses der damaligen Zeit. Im Erdgeschoß, in den
Speiseanstalten, wurden während der Mahlzeiten von der Lesekanzel aktuelle
Zeitungsnachrichten oder andere Erbaulichkeiten vorgelesen. |