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09.10.04 / Optimismus statt Beschwörung der Vergangenheit / Was nicht nur die britischen Konservativen von den Gesinnungsfreunden in den USA lernen können

© Preußische Allgemeine Zeitung / 09. Oktober 2004


Optimismus statt Beschwörung der Vergangenheit
Was nicht nur die britischen Konservativen von den Gesinnungsfreunden in den USA lernen können
von Ansgar Lange

Deutschlands Christdemokraten sind in der Defensive. Zwar fielen ihre Ergebnisse bei den jüngsten Landtags- und Kommunalwahlen keineswegs schlechter als die der SPD aus. Doch wie so oft, behaupten die Genossen auch nach der eigentlich desaströsen Kommunalwahl in NRW mit dem schlechtesten Nachkriegsergebnis die Deutungshegemonie. Der Spiegel konstatiert in seiner aktuellen Ausgabe denn auch gleich eine "Treibjagd auf Angela Merkel". Die Aussage des Hamburger Nachrichtenmagazins: Die Merkel-Kontrahenten Stoiber, Koch, Wulff sowie die üblichen Verdächtigen wie Friedrich Merz sägen am Stuhl der Vorsitzenden. Nun kommen altbekannte Vorwürfe wieder aufs Tapet. Angela Merkel habe kein geschlossenes Programm, mit dem sie ihre Partei und die Wähler gleichermaßen binden könne.

Die Konservativen in anderen Ländern sind - auch was das Setzen von Themen und die kulturelle Hegemonie angeht - wesentlich erfolgreicher als die deutschen Christdemokraten. Die beiden Journalisten John Micklethwait und Adrian Woolridge, die eigentlich für den liberal-konservativen Economist arbeiten, gehen in der britischen Wochenzeitschrift The Spectator der Frage nach, warum die Republikaner in den USA momentan wesentlich erfolgreicher sind als die Tories in Großbritannien. Das Fazit der beiden Autoren: Die Republikaner glauben an die Zukunft, die britischen Konservativen nicht. Dabei haben eingefleischte Briten wie Winston Churchill und Margaret Thatcher das ideologische Fundament gelegt, von dem Amerikas Konservative heute noch zehren. Lange Zeit waren die Tories die erfolgreichste "rechte" Partei in der westlichen Welt. Diesen Rang haben ihnen mittlerweile die Republikaner abgelaufen.

Woran liegt das? Laut Micklethwait und Woolridge beherrschen die amerikanischen Konservativen die politische Debatte. John Kerry, der demokratische Präsidentschaftskandidat und Gegner von George W. Bush, offeriere nur einen "Konservatismus light", so wie es auch schon Bill Clinton getan habe. Clinton begrenzte - anders als seine linksliberalen Gesinnungsfreunde in anderen westlichen Ländern - den Wohlfahrtsstaat und erreichte ein ausgeglichenes Budget. Auch John Kerry positioniert sich als Fan von konservativen Werten und versuchte, den konservativen Republikaner John McCain aus Arizona als seinen Vizepräsidentschaftskandidaten zu gewinnen. Dieser Versuch mißlang jedoch. Die beiden Autoren fordern ihre Leser auf, sich umgekehrt vorzustellen, daß George Bush sich als Anhänger liberaler Werte dargestellt und versucht habe, Teddy Kennedy als seinen "running mate" zu gewinnen. Undenkbar!

Selbstverständlich geschieht diese Selbst-Positionierung mit scharfem Blick auf die Einstellungen der Wähler. Doppelt so viele Amerikaner bezeichnen sich als konservativ anstelle von liberal. Warum sind die amerikanischen Konservativen so viel stärker als ihr britisches Pendant? Die Antwort der Spectator-Autoren ist eindeutig: Die Republikaner glauben an die Zukunft, nicht an die Vergangenheit. Sie setzen auf Wachstum und die Kräfte des Kapitalismus und verharren nicht im bequemen Status Quo. Die Tories hätten diese Veränderung niemals durchgemacht. Unter Margaret Thatcher habe kurzfristig das bürgerliche Element obsiegt. Mittlerweile würden die Tories aber wieder mit dem alten, antiquierten England assoziiert. Im Gegensatz zu den Tories gewinnen die Republikaner dort die meisten Stimmen, wo es zum größten Bevölkerungswachstum kommt. Die Tories haben ihre Stammgebiete im ländlichen England, dessen Bedeutung rapide zurückgeht, auch wenn das Nostalgiker (Beispiel Fuchsjagd!) nicht wahrhaben wollen.

Micklethwait und Woolridge geben ein Kriterienraster an, nach dem sich der größere Erfolg der Republikaner gegenüber den Tories ablesen lasse. Seit Ronald Reagan schauen Amerikas Konservative vorzugsweise in eine glänzende Zukunft. Sie strahlen Optimismus aus und übertragen diese Stimmung auf ihre Anhänger und Wähler. So spreche der derzeitige Amtsinhaber kaum von den aktuellen Problemen im Irak, sondern male die Vision eines demokratisierten und neu geordneten Nahen und Mittleren Ostens an die Wand. Ob das mit der Realität in Einklang zu bringen ist, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Der zweite Faktor ist die Religion. Der Glaube an Gott ist der Kitt, der Amerikas Konservative zusammenhält. Mehr als 60 Prozent der Amerikaner geben an, daß die Religion eine sehr wichtige Rolle in ihrem Leben spielt. Der Mangel an Zukunftszuversicht in den neuen Bundesländern hat - so sind sich Beobachter einig - auch etwas damit zu tun, daß die ehemalige DDR völlig entchristlicht worden ist. Bei den britischen Konservativen - so die Analyse des Spectator - entscheidet die eigene Klassenzugehörigkeit häufig darüber, welche Partei man wähle. In den USA hingegen entscheide oft die Religionszugehörigkeit über das Wahlverhalten. So wählt ein Großteil der "weißen" Christen die Partei von Präsident Bush. Micklethwait und Woolridge verschweigen nicht, daß manche Vorstellungen christlicher Fundamentalisten durchaus problematisch sind und der republikanischen Partei nicht immer zum Vorteil gereichen.

Großbritannien fehlt jedoch die religiöse Tradition der Vereinigten Staaten. Politik aus dem Glauben erfreut sich keiner großen Beliebtheit, da viele Briten stolz sind auf ihren Zynismus und Skeptizismus. Dies könnte immer stärker auch zum Problem von Tony Blair werden, der ähnlich religiös motiviert handelt und redet wie sein amerikanischer Kompagnon George Bush. In Amerika kommt eine solche Haltung bei einer Mehrheit gut an, in Großbritannien eher nicht. So waren Thatchers Rückkehr zu den viktorianischen Werten und John Majors "Back to Basics"-Kampagne wahre "Rohrkrepierer". Es gelingt einfach nicht, den christlich inspirierten Konservatismus von den USA nach England zu importieren. Anders als in den USA hat die Linke in Großbritannien zudem schon seit langem die kulturelle Hegemonie erobert.

Allerdings könnte es auch den Tories zum Vorteil sein, sich etwas vom festen Willen der Republikaner abzuschauen, die wichtigen politischen Debatten zu besetzen ("enthusiasm for setting agenda"). Noch in den 1970er Jahren war London das Mekka konservativer Ideen. In London kam die Reagan-Thatcher-Revolution gedanklich zur Welt. Im Jahr 2004 sind die amerikanischen Denkfabriken nach Meinung der Spectator-Autoren eindeutig in der Vorderhand. Ein Gebäude in Washington DC beherberge mit dem American Entreprise Institute und dem Weekly Standard mehr "brainpower", also konservative Geisteskraft als alle britischen Denkfabriken ("Think-Tanks") zusammen. Allein in den 90er Jahren sei eine Milliarde Dollar in rechtsgerichtete Denkfabriken der USA gesteckt worden.

Am Ende ihres Artikels erinnern Micklethwait und Woolridge an den Film "Twins", in dem der kleinwüchsige Danny DeVito den Zwilling von Muskelprotz Arnold Schwarzenegger spielt. Die britischen Konservativen hätten den Danny DeVito-Part längst übernommen. Die Christdemokraten in Deutschland stehen ebenfalls vor der Gefahr, den DeVito-Charakter anzunehmen. Ob der Parteibetrieb frische Impulse geben kann, erscheint fraglich. CDU-Generalsekretär Meyer wird ja nicht verdächtigt, ein Intellektueller zu sein. Und so kann - das Beispiel der Reagan-Thatcher-Revolution lehrt es - der nötige Anstoß nur aus parteiunabhängigen Denkfabriken kommen. Nur mit deren Hilfe kann die Union wieder eine Art kulturelle Hegemonie erreichen. Bisher sind die Chancen im Parteienstaat Deutschland dafür eher schlecht.

Vorbildliche Zusammenarbeit: Margaret Thatcher und der britische Konservatismus galten einst als Leitbild - auch für Amerika. Foto: Ullstein


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