26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
09.10.04 / Wider die Auflösung des Staates / Die Frage was und warum zu privatisieren ist, wird öffentlich kaum geführt

© Preußische Allgemeine Zeitung / 09. Oktober 2004


Wider die Auflösung des Staates
Die Frage was und warum zu privatisieren ist, wird öffentlich kaum geführt
von R. G. Kerschhofer

Große Aufregung herrschte kürzlich über einen gescheiterten Versuch von Siemens, den österreichischen Anlagenbauer VATech zu übernehmen, an dem die staatliche Holding-Gesellschaft ÖIAG eine Restbeteiligung hält. Ähnlich spannend ging es Wochen davor um die ebenfalls gescheiterte "Privatisierung" der Telekom Austria an die Swisscom zu. Gerade an diesen beiden Beispielen läßt sich ein nicht bloß österreichisches, sondern weltweites Phänomen illustrieren: Befürworter wie Gegner der Privatisierung operieren mit irreführenden Verallgemeinerungen, begünstigen Gruppeninteressen und behindern die Wirtschaftspolitik bei ihrer wahren Aufgabe, dem Wohlergehen der Volkswirtschaft.

Warum haben eigentlich staatliche - oder genauer gesagt: im Besitz der öffentlichen Hand befindliche - Betriebe einen so schlechten Ruf? Einmal deswegen, weil sie fälschlicherweise mit zentraler Planwirtschaft in Verbindung gebracht werden, welche erfahrungsgemäß zur Fehlleitung von Ressourcen führt - das Land also ärmer macht. Der zweite und durchaus berechtigte Grund ist, daß Nicht-Eigentümer wie Personalvertreter, Gewerkschafter und Parteien Einfluß auf die Geschäftsgebarung erlangen, die betriebswirtschaftliche Rentabilität hintanstellen und zwecks "Sicherung der Arbeitsplätze" (für die eigene Anhängerschaft!) immer neue Zuschüsse aus Steuermitteln erpressen - und das Land ärmer machen.

Aber warum ist dann die Privatisierung in Verruf geraten? Weil der Staat keine ordentliche Buchführung hat und nicht wie ein Unternehmer feststellen kann, ob ihn eine Transaktion reicher oder ärmer macht. Er wird daher Beteiligungen nie über ihrem wahren Wert verkaufen können, sie aber oft unter ihrem Wert abstoßen und die Erlöse nur zum Stopfen von Budgetlöchern verwenden. Das Land wird ärmer - auch wenn Günstlinge dabei reicher werden.

Natürlich gibt es zahlreiche positive Beispiele für Privatisierungen, die per Saldo ein Mehr an Arbeitsplätzen, Volkseinkommen und Steueraufkommen bringen. Oft aber werden nur die Gewinne privatisiert, während die vor dem Verkauf oder dann von den neuen Eigentümern durchgeführten "Rationalisierungen" auf eine Sozialisierung der Verluste hinauslaufen, denn Personalabbau fällt der Allgemeinheit zur Last! Und dies gilt umso mehr beim Verschleudern von Betrieben an Ausländer, die oft nur darauf aus sind, Forschungsabteilungen zu verlagern, Patente zu erwerben oder lästige Konkurrenzbetriebe stillzulegen. Das Land wird ärmer.

Die Summe der Unternehmensgewinne ist eben nicht identisch mit dem Wohlstand einer Volkswirtschaft. Entscheidend bei der Übernahme eines Unternehmens - egal ob es um Privatisierung geht oder um Erwerb unter Privaten - ist daher immer die Haltung des Erwerbers: Ist er Betriebswirt, der selbst wirtschaftet? Oder ist er ein ausschließlich an der Kapitalrendite interessierter "institutioneller Anleger"? Oder ist er Spekulant, der möglichst rasch weiterverkaufen und die oft beträchtlichen "stillen Reserven" ausschlachten will - ohne Rücksicht auf das Wohl des Betriebes, der Mitarbeiter und der Volkswirtschaft?

Was Erwerber vorhaben, läßt sich im vorhinein nie mit Sicherheit sagen, und bei gescheiterten Transaktionen kann man auch im nachhinein nur mutmaßen. Sicher ist hingegen, daß den beiden eingangs erwähnten Fällen eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit vorausgegangen ist und zwar durch nachteilige Übernahmen. Geradezu traumatisch wirkt das Verschleudern der Bank Austria an die HypoVereinsbank, die den österreichischen Anlegern (öffentlichen und privaten) einen Verlust von sechs Milliarden Euro brachte. Es gab daher nicht nur den üblichen Aufschrei von Linken und Gewerkschaftern, sondern auch besorgte Stimmen aus den beiden Regierungsparteien.

Siemens Österreich selbst war lange Zeit zu 46 Prozent im Besitz der Republik und ist mit dem österreichischen "Establishment" immer noch engstens verbunden. Eine "feindliche Übernahme" der VATech wäre daher unwahrscheinlich gewesen. Doch die undurchsichtige Rolle eines anderen Miteigentümers der VATech ließ Befürchtungen aufkommen, Betriebsstätten in der Oststeiermark könnten stillgelegt werden. Die Transaktion Telekom/ Swisscom wiederum scheiterte nicht zuletzt an den Preisvorstellungen, doch auch die Optik dieser "Privatisierung" war reichlich schief: Die Swisscom ist mehrheitlich im Besitz des Schweizer Staates! Die Regierung in Wien tritt nun jedenfalls auf die Bremse, was sich besonders auf die Pläne für Post und Bahn auswirkt.

Die Grundsatzdiskussion darüber, was im Interesse der Menschen zu privatisieren ist und was auf keinen Fall in die Hände anonymer Mächte geraten darf, wurde überall nur höchst oberflächlich geführt. Insbesondere die volkswirtschaftlichen Aspekte der Privatisierung von Infrastruktureinrichtungen (bis hin zur Wasserversorgung) werden meist vernachlässigt. Die totale Kontrolle der Menschen durch eine bolschewistische Staatswirtschaft ist zwar gescheitert, doch die Welt steuert geradewegs auf ein mindestens so verderbliches Extrem zu, auf die totale Kontrolle der Menschheit durch die anonymen "Globalisierer": Darum heißt die Parole "Privatisierung". Und darum werden die Nationalstaaten ihres wirtschaftspolitischen Instrumentariums beraubt - mit dem Fernziel, sie gänzlich aufzulösen und die Menschen völlig abhängig zu machen. Wer es aber wagt, harte Fakten auf den Tisch zu legen, ist ein "Verschwörungstheoretiker".

Gemeinwohl ade: Vor der Überführung in private Hand sind selbst Bildungseinrichtungen nicht sicher. Protest erreicht selten eine breite Öffentlichkeit, findet eher wie hier an ebenfalls betroffenen Universitäten statt. Foto: Joker


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren