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16.10.04 / Sogar Honecker wollte das Schloß zurück / Späte Einsicht nach Auslandsreise: Berlin fehle "etwas Repräsentatives"

© Preußische Allgemeine Zeitung / 16. Oktober 2004


Sogar Honecker wollte das Schloß zurück
Späte Einsicht nach Auslandsreise: Berlin fehle "etwas Repräsentatives"
von Annegret Kühnel

Nicht bloß Adolf Hitler, auch Erich Honecker besaß einen Bunker in der Berliner Innenstadt. Er befand sich an der nordöstlichen Ecke des Staatsratsgebäudes am Schloßplatz. Hier soll im Januar 2006 der Lehrbetrieb der "European School of Management" and Technology aufgenommen werden. Zur Zeit wird das 1964 errichtete Gebäude umgebaut. Dabei wurde der Bunker wiederentdeckt.

Ein 2,20 Meter hoher Gang führt durch sechs Zimmer: Aufenthaltsräume, Schlafzimmer, Toiletten. Einer der Räume ist mit einer weinroten Plüschtapete verkleidet, die gut in ein Bordell passen würde. Mutmaßlich war er für Erich Honecker vorgesehen. In einer Ecke öffnet sich eine Stahltür zu einem ein mal ein Meter großen und 30 Meter langen Fluchttunnel, der hinter dem Gebäude neben einem Rosenbeet endet. Man kann sich kaum vorstellen, wie die überalterte Staatsführung es vermocht hätte, den Weg im Kriechgang zu bewältigen und anschließend über eine Leiter ins Freie zu klettern. Im Bunker befinden sich zwei Fahrräder, die an Ventilatoren angeschlossen sind. Sie sollten für den Fall des Energieausfalls für Frischluft sorgen. Vermutlich hätten die Radfahrer aber mehr Sauerstoff verbraucht als herangeschafft. Die ziemlich primitive Anlage war anscheinend nur für den Fall eines überraschenden Bomben- oder Raketenangriffs vorgesehen. Der richtige Regierungsbunker, der der Partei- und Staatsführung auch im Falle eines Atomschlags das Überleben sichern sollte, befindet sich nördlich von Berlin.

Unterdessen ist durch das Buch "So und nur noch besser" des Journalisten Eberhard Fensch ein später Wunsch von Honecker bekannt geworden. Fensch war 21 Jahre lang im ZK der SED als stellvertretender Abteilungsleiter für Rundfunk und Fernsehen zuständig gewesen. Seinen Angaben zufolge hatte sich Honecker, den es in den 80er Jahren zu Staatsbesuchen in westliche Hauptstädte zog, tief beeindruckt gezeigt vom Zeremoniell im Madrider Königsschloß und im Elysée-Palast in Paris. Ende 1988 sah er sich gemeinsam mit den Politbüromitgliedern Hermann Axen, Kurt Hager, Joachim Hermann und Günter Mittag einen Film über seinen Spanienbesuch an.

In Madrid war er von einer Reiter-eskorte begleitet und vom König am Portal des Palastes begrüßt worden. Nach der Filmvorführung bemerkte Honecker, "auch in Paris habe man Sinn für staatliche Repräsentation, weil das den Patriotismus fördere". Leider sei die DDR bislang nicht in der Lage, "etwas Gleichwertiges aufzubieten", wie Fensch zitiert. Er bedauerte die Sprengung des Hohenzollernschlosses. Diesen Fehler könne er Walter Ulbricht nur schwer verzeihen. Wirtschaftsexperte Günter Mittag warf daraufhin ein, man könne das Schloß ja wieder aufbauen. Kurt Hager bezweifelte, daß dieses Projekt für die DDR bezahlbar sei. Honecker äußerte abschließend, man müsse darüber nachdenken.

Schon zwei Jahre zuvor hatte der SED-Chef sich mit Schloßplänen beschäftigt. Im Januar 1987 erhielt er die Eingabe eines Ost-Berliner Arztes, der Honecker den teilweisen Wiederaufbau des Schlosses vorschlug. Zusammen mit dem Palast der Republik sollte ein einheitlicher Baukomplex als "neuer repräsentativer Sitz des Staatsrates der DDR" entstehen. Honecker wies Günter Mittag an, ein Gespräch mit dem Einsender zu veranlassen. Dem Arzt wurde dabei freundlich mitgeteilt, Honecker hätte im Unterschied zu Ulbricht die Substanz des Schlosses für eine spätere Rekonstruktion gesichert. Momentan gebe es kein Geld dafür, man wolle den Vorschlag aber im Auge behalten.

Ob die PDS-Mitglieder, die gegen das Schloß agitieren, überhaupt wissen, daß sie sich damit einem letzten Wunsch Erich Honeckers entgegenstellen?


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