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16.10.04 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 16. Oktober 2004


Fett und derbe / Politik macht eben doch Spaß!
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Politik macht Spaß!" Da war sich Kanzler Schröder sicher, als er in sein Amt einzog. Doch der Spaß dauerte nicht lange. Schon bald lag ihm der fröhliche Satz quer im Hals, ganz zerknittert gab er am Ende gar den Parteivorsitz ab. Das ist jetzt alles überstanden: Heute strahlt uns ein Regierungschef genießerisch an, der unverkennbar Freude hat an dem, was er sieht: Der Kanzler mag es fett und derbe, Bier mit Currywurst statt Sekt und Sushi. Die Aufführung, welche die beiden Unionsschwestern dieser Tage abziehen, trifft genau seinen Geschmack. Die Schwestern reißen sich gegenseitig die Haare büschelweise aus und bepöbeln sich ("völliger Blödsinn!", "Erschütternd!") wie die Kessel- flicker, daß die Bühnenbretter beben. Schmerzten den Kanzler und die Seinen eben noch Etatlöcher und miese Umfragewerte, so zwickt sie jetzt das Zwerchfell, die Schenkel brennen vom Draufklopfen.

Friedrich Merz liegt die gemeine Volkskomödie nicht so. Im Grunde war er nie wirklich Politiker. Hat uns mit seiner Sachkenntnis gequält und mit seiner Unfähigkeit zur inhaltlosen Polemik an den Rand des Erträglichen gelangweilt. Einen Kopf kürzer hatte ihn seine Parteichefin ja schon gemacht, den Rest wollte sie später entsorgen, so im Vorbeigehen. Daß Merz ausgerechnet jetzt und ohne sie zu fragen von der Bühne springt, paßt der Merkel daher gar nicht. Um so mehr ist das Publikum in der rot-grünen Loge begeistert von der spontanen Sondereinlage.

Die Koalitionäre von Rot und Grün sind ein wirklich gutes Publikum, eines, das richtig mitgeht. So versuchen sie den Eindruck zu erwecken, als hielten das chaotische Gejohle über eine Unterschriftenaktion gegen den EU-Beitritt der Türkei für richtige Politik. Das könne ganz schlimme Folgen haben für das Miteinander, so wie seinerzeit die Unterschriftenaktion gegen den Doppelpaß in Hessen, raunen sie in gespielter Ernsthaftigkeit, während sie sich die Lachtränen von den Wangen wischen. Das ist ein feiner, sehr solidarischer Zug. Sie hätten schließlich auch den Regietrick entlarven und dem Publikum verraten können, wie es damals in Hessen wirklich war: Mit viel Trara holte die CDU vor der Landtagswahl die Menschen heran, um gegen die doppelte Staatsbürgerschaft zu unterschreiben - und CDU zu wählen. Kaum war die Wahl wunschgemäß gewonnen, verschwanden die unterschriebenen Listen im Keller, die Sammlung wurde abrupt eingestellt. Die CDU hatte die Regierung behalten und den Menschen aus Dank dafür das Gefühl gegeben, "etwas getan zu haben", obwohl sich in Wahrheit gar nichts getan hat.

Wenn Politiker mit derart grobem Theater soviel Erfolg haben, wer kann es da den Dramentextern verübeln, wenn sie es ihrerseits einmal mit giftiger Politpropaganda versuchen? Können die gar nicht? Aber hallo! Elfriede Jelinek ist nicht der erste lebende Gegenbeweis. Schon Günter Grass erhielt den Literaturnobelpreis zuvörderst für sein "politisches Engagement", für lautes Linkssein also. Und jetzt kriegt ihn die Jelinek. Mit Literatur hätte sie den Preis nie erlangt, das wußte sie selbst genauso gut wie der Literaturkritiker Reich-Ranicki, der ihr im Spiegel bescheinigt: "Ein guter Roman ist ihr nie gelungen. Ihre Dramen sind unauf- führbar. Ihr literarisches Talent ist, um es vorsichtig auszudrücken, eher bescheiden." Ergo verlegte sie sich aufs Pamphlet. Als sie 1946 in den Tiefen der Steiermark zur schlechten Welt kam, standen ihre Sterne übel: Die Mutter (nach Elfriedes Darstellung) eine Gewitterziege, der Vater stirbt in geistiger Umnachtung. Dafür mußte sich irgendwo gerächt werden, das war mal klar. Und zwar so, daß es ihr, der Jelinek, nicht allzu gefährlich wird. Auf der Suche nach günstigen Opfern fand sie die Nazis, die glücklicherweise im Jahr vor ihrer Geburt ins Endlager der Geschichte gewandert waren und nur noch mäßig strahlten.

Die Jelinek jagt und "demaskiert" also "Faschisten". Was Faschisten sind, hat sie als Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs gelernt - alle nämlich, die nicht Freunde der Kommunistischen Partei sind. Zur Demaskierung kippt sie ihren Jagdtrophäen einen Eimer Jauche ins Gesicht und ruft: "So sieht er wirklich aus!" Wenn sich einer beschwert, ist das der Beweis, daß die Jelinek von den Faschisten verfolgt wird. Wenn nicht, gibt's den zweiten Eimer, und einen dritten. Sie hat einen ganzen Schuppen voll. Der Verfolgungsdruck, dem sich die Jelinek nach 23 öffentlichen Preisen und Auszeichnungen ausgesetzt sieht, macht es ihr unmöglich, selber nach Stockholm zu fahren, um die 1,1 Millionen Euro Preisgeld abzuholen. Ihre Kontonummer wird allein reisen müssen.

In der schwedischen Hauptstadt ist unter den verschiedenen Nobelpreiskomitees offenbar ein regelrechter Wettstreit entbrannt um die originellste Kandidatenwahl. Den Friedensnobelpreis soll die stellvertretende Umweltministerin von Kenia, Wangari Maathai, bekommen. Weil sie sich für den Umweltschutz eingesetzt hat. Der Vorsitzende des Komitees, ein Herr Mjøs, begründet die unkonventionelle Wahl damit, daß man den Friedensbegriff "umfassender" definiere, weshalb Umweltschutz jetzt auch dazu gehöre. Gäbe es einen Umweltschutz-Nobelpreis, würde der vermutlich einem Astronauten verliehen, denn irgendwie ist der Kosmos ja auch Umwelt, ist Literatur im Grunde Politik, hat Politik mit Frieden zu tun wie irgendwie alles mit allem.

Wie umfassend Frau Maathais Friedensbegriff tatsächlich ist, darüber ließ sie uns nicht lange im Dunkeln. Aids, das sei keine natürliche Epidemie, sondern das Werk böser Weißer, die den Erreger im Labor gezüchtet hätten, um die Schwarzen auszurotten. Kondome nützten da gar nichts. Wird Maathai ernstgenommen (und wer will es sich leisten, eine Friedensnobelpreisträgerin nicht ernstzunehmen!) dürfte ihre erstaunliche Erläuterung unter den Schwarzen dieser Welt gewiß die Sehnsucht entfachen, mit den Weißen in einer ganz besonderen Art von Frieden zusammenzuleben, sager wir: wie Hutu und Tutsi?

Ja, die Nobelpreisverleiher haben wahrlich ein feines Händchen bei der Auswahl ihrer Favoriten. Allerdings war es früher üblich, die Brandstifter erst mit Friedenspreisen zu adeln, nachdem sie die Fackeln aus der Hand gelegt hatten wie Jassir Arafat.

Oder Muammar al Ghaddafi. Der rückte auch schon immer näher an den engeren Kreis der Preiswürdigen heran. Doch die Tour hat er sich selbst vermasselt, als er jetzt gegen einen EU-Beitritt der Türkei stichelte. Sie sei ein "orientalisches Land", sagt der Libyer, ein "trojanisches Pferd", das Europa stets als "Arena für Eroberungen" betrachtet habe. "Diesmal werden sie nicht an den Toren Wiens halten", menetekelt der Wüstendiktator düster. Hätte er damit nicht warten können bis nach der Preisverleihung? Dummkopf, jetzt ist er raus.

Ausloten des Neuverschuldungslochs  Zeichnung: Götz Wiedenroth


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