Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
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Preußische Allgemeine Zeitung / 23. Oktober 2004
Mehr als eineinhalb Jahre sind nun vergangen, seit Bundeskanzler Schröder seine
"Agenda 2010" öffentlich vorstellte. Leider versäumte er es, den großen Worten
unverzüglich Taten folgen zu lassen; das angekündigte - und angesichts des
Zustands der Republik überfällige - Reformwerk wurde in monatelangen quälenden
Diskussionen zerredet, bis dann endlich einzelne "Reförmchen" zaghaft umgesetzt
wurden. Und selbst dabei gab es noch reihenweise Pannen und handwerkliche
Fehler, mußte immer wieder geändert und "nachgebessert" werden.
Einer der Eckpfeiler, von Schröder bereits am 14. März 2003 herausgestellt, war
und ist die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe . Das Projekt
wurde später unter dem Namen "Hartz IV" bekannt, was aber nichts daran ändert,
daß sowohl die Betroffenen als auch mit der Umsetzung Betrauten seit 17 Monaten
recht genau wissen, was da auf sie zukommt. Antragsformulare werden seit Juli
2004 verteilt.
Nun aber werden uns in den Medien täglich erregte Menschen präsentiert, die
fürchten, das neue Arbeitslosengeld II nicht pünktlich ausgezahlt zu bekommen.
Dann aber erfährt man, daß etwa die Hälfte aller Betroffenen die Anträge noch
gar nicht eingereicht hat.
Da sollte man dann doch stutzig werden: Wie lange braucht ein durchschnittlich
begabter, des Lesens und Schreibens kundiger Mensch, um ein 16seitiges Formular
auszufüllen? Wieso hat jeder zweite Langzeitarbeitlose - um solche geht es ja
bei "Hartz IV" - bislang noch keine Zeit dafür gehabt? Was hatten diese Leute in
den letzten drei Monaten so Wichtiges zu tun, daß ihnen für die künftige
Sicherung des eigenen Grundeinkommens die Zeit fehlte?
Offenbar gibt es in unserem Lande immer noch zu viele Menschen, die nicht
kapieren, wie ernst die Lage inzwischen ist, die nach dem bequemen Motto leben:
"Alles bestreiten - außer dem eigenen Lebensunterhalt", die den Staat, die
Gesellschaft oder wen auch immer für allzuständig erklären und selber für
nichts, auch für das eigene Leben nicht verantwortlich sein wollen.
Es ist ärgerlich, daß in den Massenmedien vor allem solche Menschen ein breites
Forum finden, während die vielen anderen, die selber ihr Schicksal in die Hand
nehmen wollen, die nicht nur herumjammern, auch wenn sie ohne eigenes
Verschulden in Not geraten sind, in der veröffentlichten Meinung kaum vorkommen.
Andererseits kann dieses Ärgernis auch nicht von den vielen stümperhaften
Fehlern bei der Umsetzung von "Hartz IV" ablenken. Zum Beispiel gibt es keine
plausible Entschuldigung dafür, daß die Computerprogramme für die Bearbeitung
der Anträge erst 17 Monate nach der Ankündigung dieser Reform vorliegen - und
noch nicht einmal ausgereift sind. Haben da etwa die Lkw-Maut-Genies mitgewirkt?
Gerade derartige Peinlichkeiten belegen, wie tief Deutschland inzwischen
abgesunken ist. Das ist nicht mehr das Land der Dichter und Denker, der genialen
Forscher, Entdecker und Erfinder. Und solange wir uns nicht auf einst als
"typisch deutsch" geltende Eigenschaften wie Fleiß, Zuverlässigkeit,
Ehrlichkeit, Verantwortungsbewußtsein, Gemeinsinn besinnen, sondern zulassen,
daß "preußische Tugenden" als Schimpfwort gelten, werden wir aus dem Jammertal
nicht herauskommen.
Kritik an der Reformpolitik der Bundesregierung, so berechtigt sie im einzelnen
sein mag, hilft allein auch nicht weiter, zumal in diesen Tagen nichts darauf
hindeutet, daß die Opposition es besser machen könnte. Würden mehr Bürger
fragen: "Was kann ich für mein Land tun?" statt immer nur "Was tut mein Land für
mich?", dann wären wir mit den Reformen schon ein gutes Stück weiter. |