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23.10.04 / Ängste eines "Turbokapitalisten" / Milliardenspekulant George Sorros - warum er Kerry unterstützt

© Preußische Allgemeine Zeitung / 23. Oktober 2004


Ängste eines "Turbokapitalisten"
Milliardenspekulant George Sorros - warum er Kerry unterstützt
von Hans Heckel

Die Mehrheit der Deutschen, die nach Umfragen lieber John Kerry als George Bush ab dem 20. Januar im Weißen Haus sehen will, muß weiter bangen. Wenige Tage vor der US-Wahl am 2. November stehen die Chancen des Herausforderers nach Umfragen wieder schlechter, obschon er als "Sieger" aus den drei Fernsehdebatten hervorgegangen war.

Warum sind die Deutschen so sehr gegen Bush? Da ist der Irakkrieg, den die meisten ablehnen - auch im bürgerlichen Lager, dann stößt Bushs oft ungehobelt wirkende Rhetorik ab. Doch nicht zuletzt dürften die deutschen Medien eine Rolle spielen, die einem vermeintlich linken Kandidaten eher den Vorzug geben als dem fälschlich als "konservativ" vorgestellten Bush.

Ist die Sympathie, die linke deutsche Gruppen dem Demokraten Kerry entgegenbringen, aus ihrer Sicht berechtigt oder Folge einer Fehleinschätzung? Prominente Kerry-Unterstützer wie der Filmemacher Moore oder Rockbarde Springsteen lassen den Kandidaten wie die Wiederauferstehung altlinker Sozialkritik und neubürgerlich ausgepolsterter Hippie-Romantik erscheinen. "Globalisierungsgegner" mögen entzückt hoffen, endlich einen Mann am Ruder der stärksten Weltmacht zu sehen, der ihre Träume wenigstens im Geiste unterstützt. Indes: Sie könnten schwer enttäuscht werden.

Einer der aktivsten Wahlkampfhelfer von John F. Kerry ist der milliardenschwere Börsenspekulant George Sorros. Dessen kräftiger Arm reichte aus, ganze Volkswirtschaften ins Schlingern zu bringen. So schickte kein Geringerer als Sorros 1992 das britische Pfund auf Talfahrt. Die britischen Steuerzahler mußten es büßen, Sorros soll bei dem Coup eine Milliarde Dollar reicher geworden sein. Unvergessen ist auch seine Rolle während der Asienkrise 1998, als er abermals ungeheure Summen einfuhr mit Währungsspekulationen, die zig Millionen Menschen ärmer werden ließen, ja ganze Länder in beträchtliche Not brachten.

Dieser Sorros eignet sich eigentlich als klassisches Feindbild derer, denen das international vagabundierende Finanzkapital ohnehin als die "neoliberale" Wurzel allen Unheils in der Welt gilt. Marschierte der 74jährige ungarischer Abstammung im Troß von George Bush - jede würde spontan seufzen: Paßt! Aber Sorros steht hinter Kerry. Warum?

In seinem 1997 erschienenen Buch "Die einzige Weltmacht" beschreibt der ehemalige Sicherheitsberater des demokratischen US-Präsidenten Jimmy Carter (1977-1981), Zbygniew Brzezinski, die Grundlagen von Washingtons Weltpolitik. Ziel sei eine Weltordnung unter amerikanischer Führung. Da die USA nicht das Potential hätten, diese Ordnung nur mit eigenen Mitteln aufrechtzuerhalten, müßte das Potential anderer Länder "eingebunden" werden, und zwar frei nach dem Ulbricht-Motto: "Es muß alles demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben". Als erfolgreiche Beispiele dieser "Einbindung" nennt Brzezinski ausdrücklich Weltbank und Internationalen Währungsfonds (IWF). Alle großen Länder zahlten ein, doch bestimmen täten die USA, was mit dem Geld der Nationen zu geschehen hat. Dieses System dient dem einstigen Präsidentenberater als Muster schlechthin für eine gesamte, amerikanisch bestimmte Weltordnung.

Für die Errichtung dieser globalen Ordnung bliebe den USA indes nur noch wenig Zeit, vielleicht bis 2020, mutmaßte Brzezinski 1997. Denn: Durch das Erstarken anderer Wirtschaftsräume (China, Südostasien, Osteuropa) schrumpfe trotz eigenem Wachstum das "spezifische Gewicht" der USA in der Welt - und damit die Möglichkeit, ihre Interessen notfalls gegen alle anderen durchzusetzen. Zudem verwandelten sich die einst klar angelsächsisch-nordeuropäisch geprägten Vereinigten Staaten durch das Anwachsen des Bevölkerungsanteils von Minderheiten (Hispanos, Asiaten, Schwarze) zunehmend in eine multikulturelle Gesellschaft mit abnehmender Homogenität. Das mache es immer schwieriger, einheitliche, nationale Ziele zu setzen und die Bevölkerung für deren Erlangung zu begeistern, so Brzezinski. Es sei also keine Zeit zu verlieren.

Die USA dürften sich auf dem Weg zur neuen Weltordnung vor allem nicht von anderen Ländergruppen isolieren. Das Schlimmste jedoch sei, wenn sich andere große Mächte in Sonderbündnissen zusammentäten und eigene Machträume bildeten, die sich dem Zugriff der USA, respektive der von ihr zu steuernden Weltordnung entzögen oder gar einen Gegenpol bildeten. Die internationalen Organisationen wie die Uno seien unentbehrlich für die dauerhafte Dominanz der USA.

Bushs Politik muß aus dieser Perspektive als herber Rückschlag betrachtet werden. Er hat die internationalen Institutionen wie etwa die Uno beschädigt, ja sogar öffentlich herabgesetzt. Und, vielleicht noch ärger, er hat selbst die Grundlagen für ein Sonderbündnis zwischen zwei gewichtigen Ländern, Deutschland und Frankreich, geschaffen (laut Brzezinski gibt es außer den USA ohnehin nur noch fünf weitere "geopolitisch aktive" Staaten: China, Indien, Rußland, Frankreich und Deutschland). Zudem: Er hat das Vertrauen in die Führungsfähigkeit der USA erschüttert. Damit gefährdet Bush aus Sicht des außenpolitischen Vordenkers der oppositionellen Demokraten das ganze Gerüst, auf dem die US-geführte Weltordnung ruhen soll.

Und was hat Sorros damit zu tun? Der "freie Verkehr von Waren, Kapital und Dienstleistungen" in aller Welt ist eines der Grundprinzipien jener Weltordnung, die Brzezinski sichern will. Sie basiert darauf, daß alle Staaten den Eindruck haben, gemeinsamen, gerechten und für alle gleich geltenden Regeln unterworfen zu sein, weshalb sie keine eigenen Schutzwälle gegen wirtschaftlichen Einfluß von außen zu bauen bräuchten. Dieser (unbegrenzte) "Raum" ist es, in und von dem die Sorros dieser Welt leben. Zerfällt die Welt in separate Wirtschaftsräume, die sich aus Selbstschutz gegeneinander abdichten, geriete auch der freie Weltkapitalmarkt in Gefahr. (Dem Einschreiten der von Brzezinski gepriesenen Einrichtungen wie Weltbank und IWF war es beispielsweise zu danken, daß die strauchelnden Volkswirtschaften Südostasiens just in dem Moment "ihre Märkte öffnen" mußten, als sie am schwächsten waren, womit sie Männern wie Sorros einen Zugriff zum Spottpreis ermöglichten.)

Bushs Politik des "Unilateralismus" mit der Botschaft: die USA tun alles, was sie für richtig erachten, ohne auf internationale Verträge oder Organisationen Rücksicht zu nehmen, und sie tun dies mit allen ihren Mitteln und an allen Orten der Welt, wo sie es wünschen - diese Politik könnte die anderen Nationen geradezu zur Schaffung regionaler Schutzräume antreiben, in denen sie eigene Regeln setzen. Für George Sorros der "größte anzunehmende Unfall".

Das verhehlt er auch gar nicht, spricht jedoch vorzugsweise davon, daß diese Weltordnung vor allem dem Frieden und dem freien Handel diene, der den Wohlstand aller Erdenbewohner mehre. Daß jedoch neben soviel herausgekehrter Menschenfreundlichkeit bei einem abgebrühten Kapitaljongleur wie Sorros auch das eigene Portemonnaie eine Rolle spielt, kann für gegeben angesehen werden. Kerry-begeisterte "Globalisierungsgegner" dürften sich diesem Aspekt der zu erwartenden Politik ihres Idols, falls es siegreich sein sollte, nur ungern nähern.

Dabei ist Sorros' Bekenntnis zum Wohl der Menschheit nicht einmal bloße Heuchelei. Auch Brzezinski ist offensichtlich davon überzeugt, daß seine "amerikanische Weltordnung" die beste aller möglichen ist. Gegen den Strich gelesen kann man sein Programm jedoch ebenso gut als philantropisch verzierte Weltherrschaftsphantasie identifizieren und Sorros (in der Sprache der Linken zumal) als einen "Turbokapitalisten", der um seine Felle fürchtet. Schon die antiken Römer "eroberten" nach eigenem Bekunden keine fremden Länder, sondern "befriedeten" sie zu deren eigenem Nutzen, wie Cäsar in seinem "Gallischen Krieg" nicht müde wird zu behaupten. Die deutschen "Gallier", die dieser Tage im Kino begeistert Michael Moore gucken, Bruce Springsteen lauschen und für John Kerrys Sieg beten, hätten es dem listenreichen Feldherrn sicher gern geglaubt.


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