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23.10.04 / Wie ein starkes Ferment / Vor 75 Jahren starb der Dichter Arno Holz

© Preußische Allgemeine Zeitung / 23. Oktober 2004


Wie ein starkes Ferment
Vor 75 Jahren starb der Dichter Arno Holz
von Silke Osman

Er hat nicht nur die Wortkunst seiner Epoche gereinigt, bereichert. Er hat die Grenzen der Wortkunst und ihren Herrschaftsbereich weit vorgeschoben", hat der Stettiner Mediziner und Dichterkollege Alfred Döblin ("Berlin Alexanderplatz") einmal über den Rastenburger Arno Holz gesagt. Auch die heutige Literaturwissenschaft weiß um die Bedeutung seiner Dichtkunst. So schreibt Helmut Motekat in seiner "Ostpreußischen Literaturgeschichte": "Im schnellebigen Wandel der Zeit und der Erscheinungen wurde sein Name überdeckt von anderen, die dem Empfinden des Publikums mehr entgegenkamen als er. Dennoch hat der Ertrag seines Ringens und Schaffens in der deutschen Dichtung gewirkt wie ein starkes Ferment. Was tut es, wenn man seinen Namen vergißt, da doch sein Werk weiterwirkt?"

Vergessen sein soll sein Name dennoch nicht, und so erinnern wir an dieser Stelle an Leben und Werk des Dichters Arno Holz, der vor 75 Jahren, am 26. Oktober 1929, in Berlin starb und seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof Heerstraße fand.

Geboren am 26. April 1863 im ostpreußischen Städtchen Rastenburg (eine zweisprachige Gedenktafel erinnert an das Geburtshaus des Dichters), wo der Vater die Apotheke "Zum Schwarzen Adler" übernommen hatte, gelangte Arno Holz schon im Alter von zwölf Jahren in die Großstadt Berlin. Seine schulische Laufbahn verlief nicht ohne Probleme, und so mußte er das Königstädtische Gymnasium in Berlin-Friedrichshain im April 1881 als nicht versetzter Untersekundaner verlassen. Er fand einen Arbeitsplatz als Lokalredakteur mit einem kargen Monatslohn von 15 Mark. Erste Gedichte entstanden in dieser Zeit. 1885 erschien ein erster Gedichtband mit dem Titel "Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen". Das Hauptstück der Sammlung, das den Titel "Phantasus" trägt, enthält 13 Gedichte über die Wirklichkeit und Traumwelt eines jungen Poeten, der vor großer Not steht. Fachleute werten diese Gedichte als eine Keimzelle seines späteren Hauptwerks. 1898/99 erschien der Zyklus "Phantasus", 100 Gedichte, die Holz immer mehr erweiterte, so daß schließlich in der aus dem Nachlaß ergänzten Ausgabe von 1961/62 drei Bände mit insgesamt 1.584 Seiten entstanden.

Seine literarische Laufbahn begann Holz zunächst als Verehrer und Nachahmer von Geibel, Freiligrath und Heine. Schon bald jedoch entwickelte er eine eigene Form, wurde - in Gemeinschaft mit Johannes Schlaf - zum Begründer des konsequenten Naturalismus. In seiner theoretischen Schrift "Die Kunst, ihr Wesen und ihre Gesetze" erläuterte Holz unter anderem, die Sprache der Dichtung solle sich so weit wie möglich der Alltagssprache nähern und auch vor abgebrochenen Sätzen nicht zurückscheuen.

"Modern sei der Poet / modern vom Scheitel bis zur Sohle" - diese Formulierung wurde zum Leitsatz seines Lebens. Schon durch die äußere Form seiner Gedichte schuf Holz eine neue Sprache. Er löste sich auch von dem Herkömmlichen durch eine neue Form des Schriftbildes: Von der Mittelachse des Satzspiegels ausgehend, gruppieren sich die Worte nach beiden Seiten. Der Rhythmus hat Vorrang vor dem Reim und der Strophenform. Wie schön diese reimlosen Gedichte heute noch klingen, soll ein Auszug aus dem "Phantasus" zeigen:

"Aus weißen Wolken / baut sich ein Schloß. / Spiegelnde Seen, selige Wiesen, / singende Brunnen aus tiefstem Smaragd! / In seinen schimmernden Hallen / wohnen / die alten Götter. / Noch immer, / abends, / wenn die Sonne purpurn sinkt, / glühn seine Gärten, / vor ihren Wundern bebt mein Herz, / und lange ... steh ich. / Sehnsüchtig! / Dann naht die Nacht, / die Luft verlischt, / wie zitterndes Silber blinkt das Meer, / und über die ganze Welt hin / weht ein Duft / wie von Rosen."

"Papa Hamlet", "Familie Selicke", "Sozialaristokraten" (ein Stück, das Mitte der 60er Jahre vom Deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde), "Sonnenfinsternis", "Die Blechschmiede", "Traumulus" (in der Hauptrolle so große Schauspieler wie Albert Bassermann oder Emil Jannings, und eine noch heute vielgespielte tragische Komödie), "Ignorabimus" (ein Drama, das in den 80er Jahren, ins Italienische übersetzt, in der Theaterwerkstatt von Prato bei Florenz aufgeführt wurde) und "Dafnis" (eine Nachahmung der Dichtweise des 17. Jahrhunderts) sind nur einige Titel aus seinem reichen Werk.

Schon zu Lebzeiten erfährt der Rastenburger zahlreiche Ehrungen, so wird ihm die Ehrendoktorwürde der Königsberger Albertina verliehen, seine Vaterstadt Rastenburg ernennt ihn zum Ehrenbürger, er wird zum Mitglied der Preußischen Akademie der Künste berufen, erhält den Schillerpreis für seinen "Phantasus" und wird mehrmals für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen. Seine Gedichte finden sich in deutschen Schulbüchern - von 1912 bis heute!

In seinem 75. Todesjahr wurde schließlich eine Ausstellung, vom Kulturzentrum Ostpreußen im Deutschordensschloß Ellingen gestaltet, in Rastenburg und später in Wesel, der Patenstadt Rastenburgs, gezeigt. Die LO-Kreisgemeinschaft Rastenburg und auch die Arno-Holz-Gesellschaft für deutsch-polnische Verständigung e.V. im heutigen Rastenburg (Ketrzyn) setzten sich engagiert für das Andenken des Dichters ein.

Noch heute wird Arno Holz als "einer der bedeutendsten und einflußreichsten Neuerer in der deutschen Literatur am Anfang des 20. Jahrhunderts" geschätzt (Prof. Dr. Gerhard Schulz in "Deutsche Dichter", Bd. 6, Reclam, 1989). Seine "Sprachmusik" und sein "Gespür für feine Abtönungen der Sprache" werden gerühmt. Der Kritiker Friedrich Luft: "Holz war formal sein Leben lang ein Vorreiter ... Er gebärdete sich wortreich, wie ständig besoffen von Wörtern. Und er schlug doch so oft genau und erlösend in die Kerbe, die er treffen wollte." Schulz zieht schließlich das Fazit: "Arno Holz selbst war bürgerlicher Schriftsteller, nicht Außenseitertum oder Bohème-Existenz bildeten seine Welt. Die Metapher des Dachstubenpoeten, die sich durch sein Werk zieht, war eher enttäuschter Ausdruck dafür, daß ihn die Umwelt der anderen Staatsbürger noch nicht als einen der ihren und einen, der ihnen vorausging, anerkannt hatte. Tatsächlich hat er der modernen Literatur vielfach Wege in neues, noch unerforschtes Territorium des künstlerischen Ausdrucks gebahnt."

Den Menschen Arno Holz hingegen lernt man kennen, liest man die Zeilen, die seine Witwe Anita in einer biographischen Skizze für den Band VII der gesammelten Werke des Dichters (Luchterhand Verlag, 1963) notierte: "Seine Erscheinung hatte etwas unbedingt Fesselndes; er war mittelgroß, schlank und sehr elastisch. Sein Gesicht wirkte durch die edle Form, die individuelle Note sehr stark. Es prägte sich jedem ein, der ihn einmal sah, und man vergaß es nicht so leicht ... Immer bekannte er sich zu seinem Herzen, zu seinem Hirn, zu seinen Sinnen. Nichts Gemachtes war da, keine Pose, keine Halbheit, sondern in jedem Zuge der Wille zum Ganzen und Unbedingten."

Arno Holz: Er hat der modernen Literatur den Weg geebnet. Foto: Archiv


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